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Ein Haus der Suchthilfe

Die Diakonie betreibt in Kamenz eine Beratungsstelle für Abhängige. Sie bilanziert ihre Arbeit gegen Drogen und Alkohol.

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© Matthias Schumann

Von Frank Oehl

Kamenz. Die Klientelzahl bei illegalen Drogen stabilisiert sich auf hohem Niveau. So fasste die SZ kürzlich den 2017er-Jahresbericht der Suchtberatungsstelle der Diakonie in Kamenz zusammen, die auch eine Außenstelle in Radeberg betreibt. Insgesamt wurden 164 Betroffene mit einer Sucht nach illegalen Drogen betreut. Allein 111 wegen Crystal-Missbrauchs – das waren zwei mehr als 2016. Vor allem der Cannabis-Missbrauch ist wieder deutlich ansteigend, woran womöglich auch die von den Drogenexperten kritisierte Debatte um eine mögliche Freigabe von Marihuana Anteil haben könnte. Insgesamt aber bleibt der Alkohol bei der Diakonie erster Behandlungsgrund. 402 Klientel wurden betreut, dazu zahlreiche Familienangehörige. Die Suchtberatungsstelle berichtete aber nicht nur über die Fallzahlen, sondern auch darüber, was sie 2017 unternommen hat, um Abhängigen und Angehörigen zu helfen:

So viele Gespräche wie noch nie in einem Jahr geführt

Die Betreuung eines Klientel beginnt in der ersten Sprechstunde. 2017 haben die Fachkräfte der Diakonie-Suchtberatung fast 3100 Gespräche geführt, so viele wie noch nie in einem Jahr, wobei das natürlich von der Fachkräfteanzahl abhängig ist. Pro Fachkraft waren es immerhin 652. Hierzu zählen auch die Gespräche mit Partnern oder sonstigen Bezugspersonen der Betroffenen. 155-mal wurde die dort angebotene Sprechstunden in den Krankenhäusern in Kamenz und Arnsdorf genutzt.

Im letzten Jahr wurden 57 Anträge auf Suchtentwöhnung gestellt

Die Vermittlung von Abhängigen in stationäre Einrichtungen setzt eine klare Zielstellung voraus, in die der Betroffene eingewilligt haben muss. Die Suchtrehabilitation als Entwöhnungsbehandlung wurde im vergangenen Jahr 57-mal beantragt, davon 37-mal wegen Alkohol- und 16-mal wegen Drogenmissbrauchs. Dreimal ging es um Spielsuchtvarianten. Zwei Klienten absolvierten 2017 die Entwöhnungsbehandlung gemeinsam mit ihren Kindern. 80 Klienten befanden sich in ambulanter Rehabilitationsnachsorge. Einmal wurde die Vermittlung in eine sozialtherapeutische Wohnstätte realisiert.

Die Gruppenarbeit bleibt ein wichtiger Beratungsansatz für Angehörige

Im April 2017 führte die Diakonie ein vierstündiges Angehörigenseminar durch. Es ging um die Auswirkungen von Abhängigkeitserkrankungen auf die Familie und wie man dem gegenwirken kann. „Wir erhielten sehr positive Rückmeldungen“, heißt es im Bericht. Daraus entwickelte sich ein weiterführendes Hilfsangebot mit zehn Sitzungen für sieben Teilnehmer. Es ging darum, Strategien gegen sogenannte Co-Abhängigkeiten bei Angehörigen zu entwickeln, die sich in ihrem Tun und Lassen quasi der Sucht des Partners unterordnen.

Ein Schulungskurs für Alkoholfahrer wird kostenpflichtig angeboten

Wer seine Fleppen verloren hat, weil er unter Alkohol Auto oder Fahrrad gefahren ist, muss eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) über sich ergehen lassen. Zwei Vorbereitungskurse mit jeweils zehn eineinhalbstündigen Gruppensitzungen und mindestens zwei Einzelgesprächen absolvierten insgesamt 15 Teilnehmer. Dieser Kurs ist kostenpflichtig. Jeder Teilnehmer muss 250 Euro hinblättern.

51 Teilnehmer nutzten 2017 den „Alkoholfreien Stammtisch“

Auch im vergangenen Jahr bot das Haus der Diakonie in Kamenz zweimal wöchentlich das niedrigschwellige Kontaktangebot „Alkoholfreier Stammtisch“ an. 51 Teilnehmer nutzten ihn, darunter 20 Männer, 27 Frauen und vier Kinder. Den Stammtisch gibt es auch in Radeberg, dort wirkt die Awo mit ihrem Arbeitsprojekt für Suchtkranke. 28 Teilnehmer wurden gezählt. Der Stammtisch wird auch ehrenamtlich betreut. Außerdem gibt es seit 2016 eine betreute „Clean-Gruppe“, die ehemals drogenabhängige Eltern mit Kindern einschließt. Drei Mütter nutzten sie 2017.

Die Suchtberater betreuen auch drei Arbeitsprojekte in der Region

Seit 2011 werden Eingliederungen auch von Suchtkranken in Arbeitsprojekte durch das Jobcenter Bautzen gefördert. Drei Maßnahmen wurden 2017 durch die Suchtberater mit betreut – für 16 Betroffene in Kamenz (durch die Stadt), 14 in Radeberg und 12 in Ottendorf-Okrilla (jeweils Awo). Es ging um Fallbesprechung, Fortbildung der Mitarbeiter und suchtspezifische Beratung. Allein 53 Hilfeplangespräche wurden geführt – 19 in Radeberg, 32 in Kamenz und zwei in Ottendorf-Okrilla. Seit der Schließung des Jobcenters in Radeberg werden nun „weitere Wege“ beklagt. Die Suchtberatungsstelle ist aktiv in sieben Selbsthilfegruppen an vier Orten. Darüber hinaus gibt es Netzwerke bis nach Wittichenau, Königswartha und Uhyst.