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Ein Held, der keiner sein will

Ein ukrainischer Soldat bekommt einen Tapferkeitsorden verliehen. Vom Präsidenten in einer Dresdner Klinik.

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© PR

Von Hanna Buiting

Er wirkt etwas verloren, wie er da so geschwächt, mit dunklen Schatten um die Augen und nacktem Oberkörper im sterilen Krankenhausbett liegt: Vladimir Gera. Er ist ein Held, der keiner sein will. Seit Mitte Februar wird er im Klinikum Dresden-Friedrichstadt medizinisch versorgt. Das Leben konnten ihm die Ärzte retten, seine Beine aber wird der 24- jährige nie wieder spüren und bewegen können.

Im September vergangenen Jahres wurde er als Soldat an der Front der Ostukraine schwer verwundet. Granatsplitter zertrümmerten ihm die Wirbelsäule und den linken Oberarm. Zuvor hatte er am Flughafen Luhansk den Rückzug von 400 Kameraden organisiert. Für seine Heldentat überreichte ihm der ukrainische Präsident Petro Poroschenko höchstpersönlich am vergangenen Sonntag den Bogdan-Chmelnizki-Orden, eine hohe militärische Auszeichnung für Soldaten, die sich um ihr Land verdient gemacht haben. Ein Besuch, von dem Vladimir Gera erst einen Tag zuvor erfahren hatte.

Ein Held will er trotzdem nicht sein. „Ich habe nur meinen Job gemacht“, sagt der junge Ukrainer. Dass er ausgerechnet in einer Dresdner Klinik landete, verdankt er der ukrainischen Honorarkonsulin Jelena Hoffmann. Sie stellte den Kontakt zwischen dem ukrainischen Krankenhaus, in der Vladimir Gera zunächst behandelt wurde, und der Dresdner Unfallchirurgie her.

Chefarzt Sönke Eger sagt, Geras Verletzungen seien so gravierend gewesen, dass es ein multidisziplinäres Team von Spezialisten gebraucht habe. Gemeinsam hätten er und seine Kollegen sich dem besonderen Fall angenommen. Mit Erfolg: Der kleine Krater, den die Granate in Geras Rücken riss, ist inzwischen geschlossen.

Trotzdem liegt der Ukrainer weiterhin in Quarantäne. Schon in der Heimat hatte er sich einen multiresistenten Keim zugezogen. „Das ist nichts Ungewöhnliches in einem Kriegsgebiet mit mangelhafter medizinischer Erstversorgung“, sagt der Leiter des Wirbelsäulentherapiezentrums, Mark Klingenhöfer. Man müsse nun eben mit entsprechenden Maßnahmen reagieren, sodass sich keine weiteren Patienten anstecken können. Der Keim mache es notwendig, dass die Ärzte und Geras Mutter, die ihm nicht von der Seite weicht, einen Schutzkittel und Handschuhe tragen müssen. „Für den jungen Mann ist aber besonders die Querschnittslähmung ein Drama“, sagt Klingenhöfer. Pläne für die Zukunft hat er daher zum jetzigen Zeitpunkt noch keine. Erst einmal halbwegs gesund werden, scheint seine Devise zu sein. Und dankbar sein, überlebt zu haben.

Vladimir Gera ist nicht der erste ukrainische Soldat, dessen Verletzungen in einem deutschen Krankenhaus versorgt werden. Nach den Unruhen auf dem Maidan in Kiew wurden drei Schwerverletzte nach Dresden-Friedrichstadt gebracht. „Es gibt kein direktes Überweisungsverfahren zwischen der Ukraine und Deutschland, aber wir helfen natürlich, wo wir können“, sagt Thomas Demant, der ärztliche Direktor des Klinikums in Friedrichstadt. Wie die Behandlung finanziert wird, ist noch unklar. Die Ärzte verstehen ihre Arbeit als humanitäre Hilfe. Da müsse die Frage nach dem Geld eben ein bisschen warten. Froh macht es sie, dass Gera sichtbar auf dem Weg der Besserung ist. In etwa zwei Wochen könnte er langsam mit der Reha beginnen.

Spätestens dann will Gera zurück in die Ukraine. „Wir haben gute Leute, nur die Politik ist nicht gut“, sagt er. Aber er respektiere den Präsidenten. Der war nur kurz geblieben und reiste noch am Sonntag weiter nach Berlin. Dort empfing ihn Bundespräsident Joachim Gauck gestern mit militärischen Ehren. Anschließend traf Poroschenko Kanzlerin Angel Merkel. Sie widersprach seinen Forderungen nach einer schärferen Gangart im Konflikt mit Russland. Auch dessen Ruf nach einem Boykott der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland schloss sie sich nicht an. Vladimir Gera war nur ein Gastspiel in Poroschenkos eigener Sache.