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Ein Heldensänger wird Patenonkel

Die Richard-Wagner-Stätten Graupa haben den Startenor René Kollo als Werbeträger gewonnen.

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© Marko Förster

Von Jörg Stock

Pirna. Applaus rauscht für den Ehrengast. Gemessenen Schrittes, lichtes Wallehaar, Goldrandbrille, tritt René Kollo vor das Publikum. Noch immer strahlt er die Aura des großen Unterhalters aus. Dabei weiß er: Die Wenigsten im Saal haben seine Glanzzeit miterlebt. Den Steuermann vom „Holländer“ hat er schon 1969 gesungen, erzählt er den Kindern, die vor ihm auf den Sitzen herumrutschen. „Da wart ihr noch gar nicht geplant.“ Kichern. Nein, er will jetzt keinen Vortrag über Richard Wagner halten. Lieber gibt er ihnen einen Tipp fürs Leben mit: „Was immer ihr macht, macht es mit Begeisterung!“, sagt er. „Macht es nicht cool, sondern macht es mit Begeisterung! Dann wird es ein Erfolg.“

Der „Fliegende Holländer“ ist erlöst: Am Sonntag wurde die Kinderfassung von Wagners romantischer Oper in den Graupaer Richard-Wagner-Stätten aufgeführt. Als Ehrengast saß der einstige Wagner-Tenor René Kollo aus Berlin im Publikum.
Der „Fliegende Holländer“ ist erlöst: Am Sonntag wurde die Kinderfassung von Wagners romantischer Oper in den Graupaer Richard-Wagner-Stätten aufgeführt. Als Ehrengast saß der einstige Wagner-Tenor René Kollo aus Berlin im Publikum. © Marko Förster

René Kollo, einst umjubelte Stimme der Wagnerschen Opernhelden, war auf den Bühnen der Welt zu Hause. Natürlich auch auf dem Grünen Hügel von Bayreuth. Am Sonntag fuhr er von seinem Alterssitz Berlin nach Graupa, um die Patenschaft für das Kinderprogramm der Richard-Wagner-Stätten zu übernehmen. Eine ganz große Ehre, wenn auch nicht unangemessen, fand Pirnas OB Klaus-Peter Hanke, der den Meister im Graupaer Jagdschloss begrüßte. „Wir sind ein kleines Bayreuth.“

Auf dem Graupaer „Grünen Hügel“ gab es am Sonntag den „Fliegenden Holländer“ zu sehen. Das Stück über den verfluchten Seefahrer und sein Geisterschiff, kindgerecht bearbeitet von Musikpädagogin Norma Strunden, war restlos ausverkauft. Das passiert regelmäßig bei der Reihe „Wagner für Kinder“, die es seit 2015 in Graupa gibt. Voriges Jahr zogen die Kinderangebote zu Wagner über tausend zusätzliche Gäste ins Haus. Für Fachfrau Strunden gar kein Wunder. Wagner, so sagt sie, erzählt Märchen, nur eben mit Musik. Dazu hätten Kinder einen ganz natürlichen Zugang, genauso wie zu Harry Potter oder zum Herrn der Ringe. „Viele Elemente in diesen Filmen kommen schon bei Richard Wagner vor.“

Norma Strunden war es, die ihre Fühler nach Altstar Kollo ausstreckte. Die Patenschaft in Graupa hat er gern übernommen, sagt er. Die Idee, Richard Wagners Werk, zugeschnitten auf Kinder, anzubieten, sei begeisternd. „Und was begeisternd ist, das begeistert auch mich.“ Allgemein sieht Kollo die Kultur im Niedergang begriffen. An jeder Straßenecke könne man das beobachten. Das dürfe man nicht einfach weglächeln, sagt er, dagegen müsse man etwas tun. „Und hier wird etwas getan.“

Dass zu seiner Einführung als Pate ausgerechnet „Der Fliegende Holländer“ auf dem Spielplan stand, gefiel Kollo. In eben diesem Stück hatte er vor beinahe fünfzig Jahren auf dem echten Grünen Hügel sein Debüt. Es war Kollos Durchbruch ins wagnerische Heldenfach. In Graupa besetzten Solisten der Semperoper und der Hochschule für Musik Dresden die Hauptrollen, unterstützt von Chorkindern, die als zechende Matrosen, als artige Spinnerinnen oder als untote Mannschaft des Holländers auftraten. Pate Kollo genoss das Spiel. Wagner hätte es auch gefallen, da ist er sich sicher. „Der hätte Purzelbäume geschlagen vor Begeisterung.“

Die Wagner-Stätten erhoffen sich von René Kollo Beratung beim Bearbeiten der Wagner-Opern für das Kinderprogramm. „Er hat eine unheimlich große Erfahrung“, sagt Christian Schmidt-Doll, Geschäftsführer der Pirnaer Kultur- und Tourismusgesellschaft. „Davon können wir profitieren.“ Profitieren will man aber auch und vor allem von Kollos Nimbus als Weltstar. Er soll weitererzählen, was er in Graupa gesehen hat, den Ort und seine Kinderprojekte ins Gespräch bringen. Macht er gern, hat er gesagt. „Ist doch selbstverständlich.“

Vielleicht wird René Kollo auch in Bayreuth davon erzählen. Immer noch fährt er jeden Sommer zu den Wagner-Festspielen und trifft sich mit den Kollegen aus der alten Zeit, zum Plaudern, und um einen zu trinken. Die neue Zeit ist nicht mehr seine Zeit. Deshalb geht er auch nicht mehr rein ins Opernhaus. Was sich dort abspielt, ist ihm ein Graus. Da wird „die Straße“ inszeniert, findet er. Das braucht doch keiner, zumindest er nicht. Eine Gegenwelt müsse man auf die Bühne stellen. „Vielleicht kommen wir da wieder hin.“ Kein anderer taugt besser dafür als Richard Wagner, das ist Kollos Credo. Auch mit 81 fängt er manchmal noch an zu weinen, wenn er Wagnermusik hört. Warum, weiß er nicht. Aber eins weiß er: „Wagner hört nie auf.“