Kamenz
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Ein Kamelien-Blütenmeer der Sinne

Kinder nehmen Sehbehinderte an die Hand und zeigen ihnen Königsbrücks ganzen Stolz. Am Sonntag endet die Saison auf dem Schlossgelände.

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Kameliendame Marie Ziesche (15) empfängt die sehbehinderte Sigrid Wünsche vor der ältesten Kamelie im Königsbrücker Kamelienhaus. Die Schülerin Marilu aus der 3. Klasse gibt ihr eine Führung und steht ihr zur Seite.
Kameliendame Marie Ziesche (15) empfängt die sehbehinderte Sigrid Wünsche vor der ältesten Kamelie im Königsbrücker Kamelienhaus. Die Schülerin Marilu aus der 3. Klasse gibt ihr eine Führung und steht ihr zur Seite. © René Plaul

Königsbrück. Ganz aufgeregt springt Mori um die Füße seines Herrchens. „Der ist ja süß“, rufen ein paar vorbeilaufende Schulkinder. „Der ist nicht süß, er ist meine Augen“, sagt der Beisitzer im Landesvorstand des Blinden- und Sehbehindertenverbands Sachsen (BSVS) Andreas Schneider. Denn Mori ist kein gewöhnlicher Hund. Er ist ein Blindenhund.

Um die Mittagszeit stehen Mitglieder des Verbandes am Meißner Busbahnhof bereit zum Einsteigen. Es ist eine bunte, gut gelaunte Truppe. Die Blindenstöcke und auch Mori deuten darauf hin, um wen es sich handelt. Doch spätestens anhand der kleinen, gelben Anstecker mit den drei schwarzen Punkten, ist klar – diese Menschen können nicht sehen. Allmählich klettern alle nach und nach in den Bus. Dabei rempelt sich der ein oder andere an. Das ist ganz normal. Dann beginnt die Reise nach Königsbrück ins Kamelienhaus.

Auf der Fahrt ist es laut. Die Stimme ist für diese besonderen Fahrgäste das wichtigste Verständigungsmittel. Da reicht kein Kopfnicken. Der 60-jährige Andreas Schneider erzählt von seinem Schicksal. „Jeder hat eine ganz individuelle Sehbehinderung, aber wir sind auch nur Menschen.“ Er ist seit fünf Jahren blind und genauso lange Mitglied im BSVS. Der Grüne Star nahm ihm sein Augenlicht, aber nicht seine Lebensfreude. Als die CDU-Landtagsabgeordnete Daniela Kuge ihm ihre Visitenkarte übergibt, befestigt er ein kleines Gerät an seiner Brille. Es ist eine Orcam, eine Kamera, die ihm alles vorliest, was er ihr hinhält.

Der Busfahrer hält in Königsbrück an einer Steigung und fragt, ob das für die Gruppe möglich ist. Da ruft es aus den hinteren Reihen: „Wir haben es an den Augen, nicht an den Beinen“. Die Stimmung ist ausgelassen.

Neuer Jahreskalender

Es geht durch ein großes Tor. Unmittelbar vor dem Schloss Königsbrück empfängt der Vorsitzende des Heimatvereins Peter Sonntag seine heutigen Besucher. Hinter ihm warten neugierig die Schüler der Juri-Gagarin-Grundschule und der Arthur-Kießling-Oberschule aus Königsbrück. Zwölf Freiwillige führen die Blinden durch das Kamelienhaus. Auch die neunjährige Tabea, die Enkelin von Peter Sonntag, ist mit dabei und greift beherzt nach der Hand einer älteren Dame. Sie führt sie zu einer Kamelie. „Sehr robust, etwas wie ein Gummibaum“ beschreibt sie die Pflanze. „Die Blüte ist pink und außergewöhnlich groß“ erklärt Tabea. Seit drei Jahren gibt es auch Duftkamelien, die bei den Blumenliebhabern besonders gut ankommen.

Nach dem Rundgang kaufen sich einige noch ein kleines Andenken. Der Abschied fällt schwer. „Dieses Projekt haben wir letztes Jahr gestartet und hoffen nun, dass es neben unseren Märchenrundgängen zur Tradition wird“, so Peter Sonntag.

Am Wochenende geht die Saison im Kamelienhaus in Königsbrück übrigens zu Ende. Am 7. April können von 10 bis 17 Uhr die unter Denkmalschutz stehenden Kamelien zum letzten Mal bewundert werden. „Wir geben noch Jungpflanzen mit einem Sonderrabatt von 50 Prozent ab“, sagt Sonntag. Zusätzlich liege bereits ein neuer Jahreskalender für 2020 aus. „Außerdem können diesmal sogar einzelne Blüten mit nach Hause genommen werden, die sich im Wasser noch ein paar Tage halten.“ (SZ)