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Ein Lotse in sozialer Not

Stephan Apitz war jahrelang in der Jugendarbeit der evangelischen Kirche tätig. Jetzt kümmert er sich um Menschen jeden Alters.

Von Madeleine Siegl-Mickisch
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Jugendarbeiter wird Sozialarbeiter: Stephan Apitz leitete einst den Bautzener Jugendtreff TiK. Jetzt hilft er Menschen jeden Alters, wenn sie nicht mehr weiter wissen.
Jugendarbeiter wird Sozialarbeiter: Stephan Apitz leitete einst den Bautzener Jugendtreff TiK. Jetzt hilft er Menschen jeden Alters, wenn sie nicht mehr weiter wissen. © SZ/Uwe Soeder

Bautzen. Stephan Apitz kann es kaum glauben: „Es gibt tatsächlich noch funktionale Analphabeten.“ Diese Erfahrung hat er in seiner neuen Tätigkeit schon machen müssen – dass es Menschen gibt, die nicht in der Lage sind, ein Formular auszufüllen oder ein Schreiben zu lesen und zu verstehen. Sich bei Problemen Hilfe zu holen, scheitert für sie oft schon an dieser einfachen Voraussetzung. Gut also, wenn da jemand ist, der einfach erst mal zuhört und schaut, wo und wie Hilfe nötig und möglich ist. Einer wie Stephan Apitz. Seit September ist er Sozialarbeiter im Kirchenbezirk Bautzen – Kamenz.

Seit Februar, als sein Vorgänger in den Ruhestand ging, war die Stelle nicht besetzt. „Uns ist aber ganz wichtig, dass sie erhalten bleibt“, sagt Apitz‘ Chef Alexander Jesinghaus, Geschäftsführer der Diakonie Bautzen. Denn der Bedarf sei da. „Man kann es sich kaum vorstellen, aber es gibt heute immer noch Leute, die durchs Raster fallen“, sagt Jesinghaus. Nicht nur Menschen, die Probleme mit dem Lesen und Schreiben haben. Für manchen sei einfach die Hürde zu hoch, auf ein Amt zu gehen, um Unterstützung zu beantragen.

„Oft stehen sie vor einem ganzen Sammelsurium von Problemen“, beschreibt Stephan Apitz. Etwa weil Mahnungen lange ignoriert wurden. Mancher wird dann erst aktiv, wenn zum Beispiel der Energieversorger ankündigt, am nächsten Tag den Strom abzustellen. Und selbst das würden einige noch eine Zeit lang aushalten und erst reagieren, wenn es wie jetzt dunkler und kälter wird. Abhilfe zu schaffen, sei dabei oft gar nicht so schwer, sagt Apitz. Ob Stromversorger oder Vermieter – „die meisten sind sehr entgegenkommend“, ist seine Erfahrung. Sie ließen durchaus mit sich reden, wenn denn verbindliche Absprachen etwa zu Ratenzahlungen getroffen und eingehalten würden.

Stephan Apitz ist noch dabei, Kontakte aufzubauen, um Betroffenen helfen zu können. Er tut das nicht allein, wichtig sind auch andere Beratungsstellen, an die er vermitteln kann. Aber auch die Kirchgemeinden. Das unterscheide nämlich seine Tätigkeit von der eines Sozialarbeiters bei einem anderen Träger. „Die Verbindung zwischen Diakonie und den Kirchgemeinden ist es, was mir zusagt.“

Umgekehrt sei es auch für die Kirche ein Gewinn, sagt Jesinghaus. Der Sozialarbeiter – im hiesigen Kirchenbezirk gibt es noch einen zweiten mit Sitz in Kamenz – mache der Kirche immer wieder bewusst, „dass sie Diakonie ist“. Denn Diakonie, der Dienst am Menschen, sei Aufgabe aller Gemeindemitglieder. Auch dabei gibt Apitz Unterstützung, indem er zum Beispiel Seminare anbietet, um Menschen, die sich ehrenamtlich für andere engagieren, etwa in Besuchsgruppen, für den Umgang mit sozialen Problemen zu sensibilisieren.

Berufsbegleitend studiert

Hilfesuchende können Stephan Apitz jeden Dienstag und Donnerstagvormittag im Haus der Diakonie in Bautzen erreichen, auch im Mehrgenerationenhaus im Stadtteil Gesundbrunnen hat er eine wöchentliche Sprechstunde. „Es kann jeder kommen, unabhängig von der Konfession“, betont er. In Bischofswerda gibt es im Pflegeheim „Zur Heimat“ ein Büro, wo er nach telefonischer Vereinbarung berät. Und der 47-Jährige macht auch Hausbesuche. „Für Menschen da zu sein, ihnen direkt helfen zu können, das macht mir Freude“, resümiert er nach den ersten Wochen seiner neuen Tätigkeit. Und er ist überrascht, wie vertrauensvoll sich etwa 30 Hilfesuchende schon an ihn gewandt haben. „Es scheint sich herumzusprechen, dass die Stelle wieder besetzt ist.“

Für Apitz ist es die dritte Arbeitsstelle in Bautzen. Seit mittlerweile elf Jahren lebt der gebürtige Vogtländer hier. Er war Gemeindepädagoge in Markneukirchen, als 2008 von der Bautzener Kirchgemeinde St. Petri die Anfrage kam, ob er in die Oberlausitz wechseln würde. Recht kurzfristig zog er damals mit seiner Frau und den beiden schulpflichtigen Kindern um, erinnert sich Apitz, der sich mittlerweile fast mehr als Oberlausitzer denn als Vogtländer fühlt.

An seine ersten Jahre in Bautzen denkt er gern zurück. Als Gemeindepädagoge war er auch für den Jugendtreff TiK (Treff im Keller) zuständig. „Wir haben dort viel bewegt.“ Dennoch verließ er vor fünf Jahren die Kirchgemeinde und das TiK, um als Jugendmitarbeiter zum Kirchenbezirk Bautzen – Kamenz zu wechseln. Auch das sei eine schöne Herausforderung gewesen. Schließlich sagte er aber auch nicht Nein, als ihm die Sozialarbeiter-Stelle angeboten wurde, wofür er sich noch mal auf die Schulbank setzt und ein berufsbegleitendes Studium absolviert. Die neue Aufgabe passe mittlerweile auch altersmäßig besser, meint er augenzwinkernd. Bisher arbeitete er mit Jugendlichen, jetzt liege die Altersspanne zwischen 18 und 85.

Beim Gottesdienst am Sonntag, 10.30 Uhr, im Bautzener Dom wird Stephan Apitz offiziell als neuer Kirchenbezirkssozialarbeiter eingeführt.

www.diakonie-bautzen.de

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