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„Ein mulmiges Gefühl bleibt“

Nach dem Fund eines toten Wolfs in ihrem Pferdestall in Jerchwitz macht sich die Pferdebesitzerin Sorgen. Kein Grund, sagt das Wolfsbüro.

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Von Frank Thümmler

Niesky. Für eine Sekunde war der Schreck groß: „Wir haben einen toten Wolf im Stall“, hörte die Nieskyerin Anke Hennig am Telefon. Eine Freundin wollte am Sonntagmorgen ihre Pferde auf dem Jerchwitzer Reiterhof versorgen, als sie die Entdeckung machte. Aber: Gefahr ging von dem Raubtier keine mehr aus, es war offensichtlich tot, sah schon auf den ersten Blick sehr klein und krank aus. Und auch die Pferde wirkten ruhig – wie immer.

„Ich bin dann sofort losgefahren, habe parallel einen befreundeten Jäger angerufen, um zu erfahren, was ich jetzt machen muss“, sagt Anke Hennig. Dessen Rat: Die Polizei informieren, was die Reitsportlerin auch tat. Die war schnell vor Ort, mit Wolfsexpertin Helene Möslinger im Schlepptau. Der erste Augenschein bestätigte: Es handelt sich um einen Wolf, einen männlichen Welpen, der offensichtlich an Räude erkrankt war. Äußerliche Verletzungen, abgesehen von der Räude, wurden bei der Vor-Ort Prüfung nicht festgestellt. Der Kadaver wurde zur genaueren Untersuchung und Abklärung der Todesursache in das Leibnitz Institut für Zoo- und Wildtierforschung nach Berlin geschafft. Dort wird er untersucht. Die Ergebnisse werden Anfang nächster Woche erwartet.

Tags darauf kann Jana Endel vom Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ schon mehr sagen: „Wegen des Fundorts besteht der Verdacht, dass es sich um einen Wolfswelpen aus dem Kollmer Rudel handelt. Aus diesem Rudel ist bekannt, dass die Wölfe Räudesymptome aufweisen. Aufnahmen von den Welpen im August 2017 ließen bereits Räudeanzeichen erkennen. Die Rudelzugehörigkeit wird über eine genetische Untersuchung zusätzlich noch abgeprüft.“ Die erste äußerliche Untersuchung vor Ort habe ergeben, dass der Wolfswelpe für sein Alter unterentwickelt war, was möglicherweise auf eine schon lange bestehende Räudeerkrankung zurückzuführen sei.

Schon Helene Möslinger hatte vor Ort den Verdacht geäußert, dass sich das Tier zum Sterben in den Stall und dessen Wärme zurückgezogen habe.

So richtig beruhigt diese Aussage Anke Hennig aber nicht. Der Jerchwitzer Reiterhof befindet sich am Waldrand, abgelegen am Ende des Dorfes. Das zugehörige Wohnhaus ist unbewohnt. „Wir haben schon öfter Wölfe gesehen. Es ist schon komisch, wenn sie hier rumschleichen. Es wird immer gesagt, dass sie nicht in die Häuser gehen, aber jetzt haben wir einen toten Wolf im Stall“, sagt sie. Niemand könne wissen, ob der Wolf zum Beispiel das erste Mal hier war, ob er es vielleicht auf junge, noch nicht so wehrhafte Pferde abgesehen hatte. „Scheu scheint der Wolf ja keine gehabt zu haben. Schützen könnten wir unsere Ponys wohl nicht“, sagt Anke Hennig. Außerdem sei ihr unwohl bei dem Gedanken daran, dass im Sommer Kinder ihre Reiterferien hier verbringen, auf der Wiese zelten.

Jana Endel vom Kontaktbüro „Wölfe in Sachsen“ bestätigt, dass ein vergleichbarer Fall wie der des Jerchwitzer Fundes nicht bekannt sei. „Dass Wildtiere, die verletzt oder krank sind, unter bestimmten Umständen Schutz und Wärme in menschlichen Bauten suchen, kennen wir aber zum Beispiel von Füchsen.“ Auch wenn die genaue Ursache nicht bekannt sei, liefere der ungewöhnliche Fundort des toten Wolfes keinen Anlass zur Sorge. „Im Territorium des Kollmer Rudels gab es weder in den letzten Jahren, noch gibt es aktuell, Hinweise auf Wölfe, die Menschen gegenüber auffälliges oder gefährliches Verhalten zeigen“, sagt Jana Endel. „Das mag ja alles sein, aber ein mulmiges Gefühl bleibt“, sagt Anke Hennig.

Der Jerchwitzer Fund ist der zweite Fall eines mit Räude befallenen Wolfes, der in diesem Jahr Schlagzeilen macht. Am 2. Februar war ein Wolf geschossen worden, der im Dezember in Krauschwitz und Weißkeißel zwei Hunde getötet haben soll. Er war vom Landkreis zum Abschuss freigegeben worden. Deswegen hatte es eine Strafanzeige gegen Landrat Bernd Lange gegeben. Das abschließende Gutachten zu diesem Wolf steht nach aktuellen Informationen aus dem Landratsamt immer noch aus.