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Ein Oberlausitzer will das Görlitzer Kaufhaus retten

Jahrelang war eines der schönsten Kaufhäuser Deutschlands verwaist. Der neue Eigentümer will nun dafür sorgen, dass Kunden dort wieder „elegant und fein einkaufen“ können.

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© dpa

Sebastian Beutler

Wohltäter ist vermutlich das letzte, was Winfried Stöcker über sich lesen will. Eher würde ihm gefallen, dass seine Projekte als Beitrag verstanden werden, die Oberlausitz voranzubringen. Durchaus im eigenen Interesse, das aber bislang in erstaunlichem Gleichklang mit dem der Region verlief. Die Geschichte von Stöckers Engagement beginnt kurz nach der Wende. Damals erwirbt der Arzt für Labor- und Transfusionsmedizin das Grundstück seiner Eltern in Rennersdorf, direkt an der Pließnitz gelegen, zurück. Die Familie musste 1960 ihre kleine Spinnerei in dem heute zu Herrnhut zählenden Rennersdorf verlassen, weil ihre Enteignung bevorstand. Schon 1987 hatte Stöcker, mittlerweile promoviert und Professor, in Lübeck die Euroimmun AG gegründet. Jetzt, im vereinten Deutschland, sah er die Chance, einen Teil der Produktion auch in seiner alten Heimat anzusiedeln.

Ist er der Retter des Görlitzer Kaufhauses? Jedenfalls gehört es ihm seit Freitag: Professor Winfried Stöcker auf dem Bernstädter Marktplatz vor dem „Braunen Hirsch“, den seine Stöcker Hotel GmbH momentan saniert.
Ist er der Retter des Görlitzer Kaufhauses? Jedenfalls gehört es ihm seit Freitag: Professor Winfried Stöcker auf dem Bernstädter Marktplatz vor dem „Braunen Hirsch“, den seine Stöcker Hotel GmbH momentan saniert. © Steffen Scholz

So geschah es auch. Euroimmun zählt heute 1.300 Mitarbeiter, darunter 150 in Bernstadt. Sie produzieren Reagenzien für medizinische Labore, mit deren Hilfe Infektions- und Autoimmunkrankheiten erkannt werden. Beispielsweise die Borreliose, die von Zecken übertragen wird. Oder auch Hepatitis E oder die Chlamydien. Der Aufschwung der Biotechnologie ließ auch Stöckers Unternehmen schnell wachsen. Startete er in Lübeck mit vier Mitarbeitern, so ist das Unternehmen heute rund um die Welt vertreten und beliefert 3 000 Labore.

Ermutigt von dem wirtschaftlichen Erfolg lässt sich der Mittsechziger immer wieder für Vorhaben in Bernstadt und Umgebung gewinnen. Dafür gründete er auch die Stöcker Hotel GmbH, die sich vor allem um touristische Projekte kümmert. So betreibt sie das frühere Kulturzentrum in Kiesdorf auf dem Eigen. Von da aus wird in der Saison die Blaue Lagune am Berzdorfer See mit Essen versorgt, aber auch Kitas und deren Mittagsversorgung stehen auf der Kundenliste. Momentan saniert Stöcker das Hotel „Brauner Hirsch“ in Bernstadt. Seit 1984 haben sich daran schon zahlreiche Investoren versucht – bislang immer vergebens. Stöcker aber will das Haus wieder zu einem Hotel mit Restaurant und Tanzsaal machen. Und er plant, auf der Neuberzdorfer Höhe am See ein Konferenzzentrum zu errichten. Es würde mitten am geplanten Golfplatz liegen und beste Aussicht auf den See und die nahe Stadt Görlitz haben. Zahlreiche Initiativen und Vereine in Bernstadt profitieren ebenso von Stöcker, der sich mit diesem Engagement ungern in der Öffentlichkeit brüstet.

Dass seine unternehmerischen Ambitionen bis nach Görlitz reichen, blieb bislang der Öffentlichkeit verborgen. Insofern überraschte die Nachricht vom Kauf des Görlitzer Kaufhauses gestern sehr. Wie seine Pläne für das Haus im Detail aussehen, wer seine Partner sind, das hat Winfried Stöcker in ersten Reaktionen nach seinem Kauf noch nicht gesagt. Vermutlich stehen die Planungen auch erst am Anfang.

Trotzdem enthalten seine ersten Äußerungen zwei wichtige Signale: Er will das denkmalgeschützte Gebäude als Kaufhaus nutzen. Daran gab es zuletzt erhebliche Zweifel. Immer wieder scheiterten die Investoren bei dem Versuch, ein solches Kaufhaus wirtschaftlich zu betreiben. Je unwahrscheinlicher ein Kaufhaus wurde, umso realistischer zeichneten sich andere Nutzungen ab, zum Beispiel als Museum oder als ein Genossenschafts-Kaufhaus.

Der zweite wichtige Hinweis von Stöcker lautet: Sowohl nationale Händler als auch Görlitzer Geschäftsinhaber sollen im Kaufhaus eine Chance erhalten. Das wiederum dürfte den Inhaber der Parfümerie, Bodo Thiemann, erfreuen. Er hatte in all den Jahren seit der Schließung des Kaufhauses im August 2009 an seinem Laden fest- und damit das Haus offengehalten. Immer in der Hoffnung, dass sich doch eines Tages ein Investor findet und Thiemann in dessen Konzept eine Chance erhält.

Zuletzt stand das Kaufhaus als Drehort für einen Hollywood-Film in den Schlagzeilen. Das war für Görlitz schön. Aber der Kauf durch Winfried Stöcker schlägt sie allemal. Die Chancen standen lange nicht mehr so gut, dass das Görlitzer Kaufhaus wirklich eine Zukunft hat. Als Kaufhaus. Der Vermarkter des Hauses, Sebastian Mogos-Lindemann, jedenfalls sagte gestern, Görlitz könne sich glücklich schätzen, einen solch engagierten Mann für sein Kaufhaus gewonnen zu haben.