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Ein Oldtimer auf großer Fahrt

Hans-Ulrich Koinzer fährt in Görlitz den letzten Garant-Bus im täglichen Einsatz. Der hat eine lange Reise hinter sich.

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© Stefan Sander

Von Ralph Schermann

Wenn der im originalen braunen Farbton aufgearbeitete Oldtimerbus durch Görlitz tuckert, bietet sich auf vielen Straßen ein ähnliches Bild: Passanten greifen zur Kamera. Der Fahrer schmunzelt: „Wenn alle mitfahren würden, die unterwegs knipsen, hätte ich nie Feierabend!“

Das Cockpit wirkt angesichts heutiger High-Tech-Armaturen recht karg und hat doch alle wichtigen Funktionen beieinander.
Das Cockpit wirkt angesichts heutiger High-Tech-Armaturen recht karg und hat doch alle wichtigen Funktionen beieinander. © Stefan Sander
Im gemütlichen Innenraum des Oldie-Busses gibt es 17 Sitze.
Im gemütlichen Innenraum des Oldie-Busses gibt es 17 Sitze. © Stefan Sander

Hans-Ulrich Koinzer heißt der Mann am Steuer, und er hätte eigentlich jeden Tag 24 Stunden lang Feierabend. Er geht auf die 70 zu, doch der Bus lässt ihn nicht los. „Das ist ein so schönes Hobby, ich muss ganz einfach fahren“, sagt er. Zumindest fährt er weniger als früher. Nur eine große Stadtrundfahrt startet er täglich noch, stets pünktlich um 11.30 Uhr am Obermarkt. Doch dann kommen trotzdem diese und jene Familienfeiern, Hochzeiten, Firmenjubiläen. „Na ja, stimmt schon, so zwölf Touren sind es mindestens die Woche.“

In diesen Wochen hat sein Gefährt Geburtstag. Als der jetzige Fahrer Schulkind war, erblickte der Bus in Zittau das Licht der Welt. Ende 1955 war das, und in den späteren Robur-Werken taufte man ihn auf den Namen Garant 30k. Er löste den Vorgänger Granit 30k ab und war einer der ersten der neuen Serie, die bis 1961 gebaut wurde. Heute ist er einer der letzten. Nur zehn blieben erhalten. Einer in Dresden, einer im Oberland, der Rest in Museen.

Die Fotobegeisterung ist berechtigt: Ein Bus Garant 30k ist eine begehrte Rarität und Koinzers Exemplar das einzige im täglichen Einsatz. Der Namenswechsel übrigens hatte politische Gründe: Die 1945 nach Westdeutschland gezogene Familie Hiller als Gründer der Zittauer Fahrzeugwerke reklamierte den Namen Granit für sich.

Bis auch Hans-Ulrich Koinzer nach dem Westen reiste, sollten noch zwei Jahrzehnte ins Land gehen. Zunächst hatte er mit ganz anderen rotierenden Maschinen zu tun. Der gebürtige Görlitzer wurde in den Grafischen Werkstätten Buchdrucker. 1969 aber wollte er nicht Schicht für Schicht in einem Drucksaal stehen. Kurzerhand bewarb er sich bei den Görlitzer Verkehrsbetrieben zur Ausbildung als Busfahrer.

Eingestellt aber wurde er als Taxifahrer. „Damals suchte man wohl gerade welche, das war Zufall“, erinnert sich Koinzer. Er ließ sich zweimal zum Fahrlehrer ausbilden, in der DDR und dann noch einmal im Westen, in den er ausreiste. Nach der Wende zog es ihn von Wuppertal zurück nach Görlitz, heute kann er auf 22 Jahre Fahrlehrerarbeit zurückblicken. Daneben fuhr er weiter Taxi. Und dann doch wieder Bus.

18 Stunden bis Görlitz

Warum es bis 2002 dauerte, ehe jemand auch in Görlitz Stadtrundfahrten wie andernorts längst üblich anbot, kann Hans-Ulrich Koinzer bis heute nicht verstehen. Er tat es und war damit der Erste. Gemeinsam mit der Görlitzinformation baute er ein Rundfahrprogramm auf, erst mit Kleinbussen. Auch heute noch ergänzt ein solcher den Oldtimer. In den wiederum verliebte sich der erste Görlitzer Stadtrundfahrer sofort – als er das grün-weiße Gefährt 2007 mitten in Holland entdeckte und kaufte.

Er fuhr 18 Stunden bis Görlitz. „Ob das der Fahrer durchhält, weiß ich nicht, der Motor schafft das“, sagte der Vorbesitzer. Koinzer achtet seitdem gut auf die Maschine. Der luftgekühlte 55-PS-Viertakter fährt Normalbenzin mit Schuss. Den gibt der Fahrer beim Tanken selbst dazu, kennt den Stoff schließlich noch aus der Druckerei-Zeit: Blei. „Ich bin aber kein Mechaniker“, schränkt Fahrer Koinzer ein. Dafür hat er ein feines Gehör für seinen Garant entwickelt. Er merkt am Geräusch, ob vielleicht Öl fehlt und füllt sofort nach. „Ein anderer würde erst die Tour beenden und damit vielleicht den Motor festfahren“, sagt er. Er hat aber keinen anderen Fahrer. Denn für heutige Verhältnisse ist der 30k schwergängig und nur mit viel Kraft zu lenken. „Bisher hat jeder Bewerber schon nach einer Probefahrt auf gerader Strecke dankend abgelehnt“, erzählt Koinzer.

2012 begann er schrittweise, in Zittau seinen Bus rechtzeitig vor dem Jubiläum sanieren zu lassen. Die Werkstatt verpasste dem Oldie auch eine Originalfarbe. Schon deshalb will Hans-Ulrich Koinzer nun noch ein paar Jahre Runden drehen. „Meine Frau arbeitet schließlich auch noch“, sagt er. Vor allem aber hält er sich an seinen Lieblingsspruch: „Wer zu Hause sitzt, wird alt.“

Mehr Infos gibt es auf der Homepage.