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Ein paar Mikrogramm Schuld

Der sächsische Archäologe Dominique Görlitz ist in Ägypten zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Der Schock ist groß.

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Von Jens Eumann und Martin Gehlen

Mit einem Schilfboot schipperte er einst tausend Seemeilen über das Mittelmeer und bewies, dass man mit steinzeitlicher Technik auch gegen den Wind segeln kann. Das ist zwölf Jahre her. Seine Expedition startete und beendete der Chemnitzer Dominique Görlitz damals in Alexandria. Heute sollte sich der selbst ernannte Experimental-Archäologe möglichst nicht mehr so schnell in Ägypten blicken lassen. Sonst würde vermutlich schnell hinter Gittern landen.

Der Chemnitzer Experimentalarchäologe Dominique Görlitz.
Der Chemnitzer Experimentalarchäologe Dominique Görlitz. © dpa

Ein Gericht im ägyptischen Gizeh verurteilte Görlitz am Dienstag zu fünf Jahren Haft, weil er im vorigen Jahr gemeinsam mit seinem Forscherkollegen Stefan Erdmann der ehrwürdigen Cheops-Pyramide mit Hammer und Meißel zu Leibe gerückt war und Gesteinsproben mit nach Deutschland genommen hatte. Unerlaubterweise, wie ägyptische Behörden sagen. Der Vorwurf: In mindestens drei der fünf Nebenräume oberhalb der königlichen Grabkammer, die für die Öffentlichkeit gesperrt sind, sollen die Forscher eigenmächtig Dutzende Farbreste und Gesteinsproben abgekratzt haben, darunter auch vom Namensrelief des Erbauers.

„Unsinn“, behauptet Görlitz. Zwar bestreitet er nicht, am letzten verbliebenen Weltwunder der Antike herumgeklopft zu haben. Allerdings habe er „nur Mikrogramm“ an Material entnommen. Weder habe er die Cheops-Kartusche beschädigt noch Artefakte gestohlen. „Bei der Untersuchung handelt es sich um Proben von einer Patina und Farbanhaftungen“, verteidigte er sich gestern in einer Pressemitteilung. Eine TV-Serie aus dem Jahr 2010 beweise, dass die Beschädigungen, die ihm vorgeworfen werden, schon lange vor seinem Besuch geschehen seien.

YouTube bringt Stein ins Rollen

Außerdem sei die Aktion offiziell abgesegnet gewesen, betont er immer wieder. Davon zumindest sei er ausgegangen. Sein Partner habe seit Jahren mit Genehmigung der höchsten ägyptischen Behörde für Altertumsschätze in den Pyramiden geforscht. Die Inspektoren, die ihn und Erdmann begleiteten, hätten sogar geholfen, in der neun Meter hohen Kammer Leitern für die Probenentnahme aufzustellen. „Wenn der Inspektor gesagt hätte, ’Herr Dr. Görlitz, das geht nicht, das hätten Sie gesondert beantragen müssen‘, hätten wir gesagt, okay“, argumentiert Görlitz.

Ein dritter Deutscher dokumentierte die vermeintliche Tat per Video und stellte den Film mit dem Titel „Das Cheops-Projekt“ auf YouTube. Nur dadurch wurde der Fall überhaupt öffentlich.

„Das Urteil ist für alle Beklagten ein Schock und nicht nachvollziehbar“, ließ Görlitz nun mitteilen. Eine genaue Erklärung könne er erst abgeben, wenn auch die Urteilsbegründung vorliegt.

Die zwischenzeitlich im Institut Fresenius in Dresden analysierten Proben seien nach Bekanntwerden der Affäre rasch den Behörden ausgehändigt worden, sagt Görlitz. Vor drei Monaten schließlich gab Sachsens Wissenschaftsministerin Sabine von Schorlemer in Berlin die Proben dem ägyptischen Botschafter zurück.

Görlitz beklagt „Schauprozess“

„Was jetzt in Ägypten stattfand, ist ein Schauprozess, bei dem nichts mit rechten Dingen zugeht“, sagte Görlitz gestern der Freien Presse. Alle mit ihm in Verbindung gebrachten Begleiter seien zur gleichen Strafe verurteilt worden: drei Mitarbeiter der ägyptischen Antikenverwaltung, zwei Wächter auf dem Gizeh-Plateau sowie ein Reisebürobesitzer, der den Aufenthalt der Gäste aus Deutschland organisierte. „Auch der ägyptische Inspektor, der uns an eine andere archäologische Stätte begleitete und in der Pyramide gar nicht dabei war“, sagt Görlitz. Das zeige, wie undifferenziert mit den aus seiner Sicht politisch motivierten Vorwürfen umgegangen werde.

Doch was suchten die Forscher überhaupt in der Pyramide? Darüber schweigt Görlitz bislang, stellte nun lediglich klar: „Die Untersuchung hatte niemals zum Ziel, das Alter der Cheopspyramide infrage zu stellen.“ Das hatte der frühere ägyptische Antikenminister Zahi Hawass den Forschern vorgeworfen.

Eine Auslieferung nach Ägypten muss der Chemnitzer nicht befürchten, solange er sich auf deutschem Boden befindet. Das Grundgesetz verbietet eine Auslieferung an Staaten außerhalb der EU, wie gestern das Auswärtige Amt betonte. Allerdings könnte das in Ägypten gesprochene Urteil sich auf das Strafverfahren auswirken, das Görlitz noch in Chemnitz erwartet. Die hiesige Staatsanwaltschaft hatte im Juni einen Strafbefehl wegen Diebstahls und Sachbeschädigung gegen ihn erlassen. Görlitz soll mehrere Tausend Euro zahlen, legte jedoch Widerspruch ein. Im Februar folgt nun der Prozess am Amtsgericht. „Welchen Einfluss das Urteil hat, wird der Richter nun prüfen müssen“, erklärte gestern ein Gerichtssprecher . (mit SZ/hbe, fp)