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Ein Riesenstollen für Geising

Das 1,80 Meter lange Weihnachtsgebäck wird am Sonnabend angeschnitten. Verkauft wird es für einen guten Zweck.

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© Egbert Kamprath

Von Maik Brückner

Geising. Mit dem Messer zieht Bäckermeister Ronny Nestler eine Furche durch den geformten Stollenteig. Sie ist gut ein Zentimeter tief. „Hier soll der Stollen aufplatzen“, sagt er und lächelt. Auf die so größer gewordene Oberfläche wird er später die aus Butter und Zucker bestehende Lasur auftragen. Davon wird er viel brauchen. Denn Nestler arbeitet nicht an einem „normalen“ Ein-Kilo-Stollen, sondern an einem Riesenstollen. Den bäckt der Geisinger einmal im Jahr für den Weihnachtsmarkt in seiner Heimatstadt. Denn seit fünf Jahren ist es auch in Geising Tradition, diesen mit einem Stollenanschnitt zu beginnen.

Auch in diesem Jahr soll es der Riesenstollen auf eine Länge von 1,80 Meter bringen. Weil Ronny Nestler kein so langes Blech hat, greift er zu einem Trick. Er bäckt zwei 90 Zentimeter lange Stollen, die er nach dem Auskühlen mit Butter zu einem Stück „zusammenkleben“ wird. „In Dresden und anderen Orten wird das genauso gemacht“, erklärt er. Den Besuchern des Weihnachtsmarktes wird es nicht auffallen, weil die „Klebestelle“ unter dem Butter-Zucker-Guss verschwinden wird. Mit dem Backen dieses Riesenteils hat der Geisinger Mittwoch früh begonnen. „5.15 Uhr habe ich die Hefe mit Wasser und Mehl angesetzt“, erzählt er. Nach einer Viertelstunde hat er nach und nach die anderen Zutaten wie Butter, Zucker, Zitronat und Orangeat, Zitronenschalen-Extrakt, Salz und Mandeln dazugegeben, sie nach und nach zu einem Teig geknetet. Die Mengen sind beachtlich. Immerhin hat er drei Kilogramm Mehl, 1,5 Kilogramm Butter und 500 Gramm Zucker für den Teig verwendet. Erst am Ende gibt er zwei Kilogramm Rosinen zu. Eher ist das nicht möglich, da sie beim Teigkneten zermalt würden. „Der Teig würde sich grau färben“, erzählt der Bäcker. Und auf so einem Stollen würde er sicher sitzenbleiben.

Die Rosinen sind übrigens die einzige Zutat, die einen Tag vor dem Backen präpariert werden muss. „Das sind Trockenfrüchte“, sagt er und schneidet einen Zehn- Kilo-Beutel auf, den er im Großhandel eingekauft hat. „Würde ich die Rosinen unbehandelt einrühren, würden sie dem Teig die Feuchtigkeit entziehen.“ Damit das nicht passiert, werden die Rosinen mit Backrum angesetzt. „Der sorgt für den Geschmack“, sagt Ronny Nestler und füllt einen Behälter so voll, bis die obersten Rosinen schwimmen können. Der Rum sorgt noch für einen zweiten Nebeneffekt: Die vollgesogenen Rosinen setzen sich im Teig nicht am Boden ab, sondern verteilen sich gleichmäßig. „Alkohol ist gar nicht so schlecht, wie immer behauptet wird“, sagt der 37-Jährige mit einem Augenzwinkern. Trotzdem können auch Kinder den Stollen essen. Der lange Backvorgang sorgt später dafür, dass vom hochprozentigen Rum nur noch der Geschmack bleiben wird. Der Alkohol wird sich verflüchtigen.

Die Innentemperatur muss stimmen

Kurz nach 7 Uhr ist der Teig fertig. Ronny Nestler formt daraus die zwei großen langen Stollen. Nach einer Minute sind sie in Form. Der Geisinger trägt sie auf den Blechen in den Garraum, in dem sie 75 Minuten bleiben werden. Kurz nach 8 Uhr ist es so weit. Ronny Nestler schiebt die beiden Riesenstollenteile in den Ofen, wo sie bei 188 Grad Celsius Unter- und Oberhitze gebacken werden. Ein normaler Ein-Kilo-Stollen braucht gut 50 Minuten, dieser wird länger drinbleiben. Wie lange genau, darauf möchte sich Ronny Nestler vorab nicht festlegen. Das sei eben das Besondere am Handwerk, sagt er. Die Erfahrung zählt. Ein Stollen muss leicht gebräunt sein. Deshalb wird er ihn erst nach der Sichtprobe aus dem Ofen ziehen. Sicherheitshalber misst er aber zuvor noch die Innentemperatur des Weihnachtsgebäcks mit einem Spezialthermometer. Dessen Quecksilbersäule steigt auf 92 Grad Celsius. Der Geisinger lächelt zufrieden.

Nach einer Stunde zieht Ronny Nestler den Stollen aus dem Ofen. Dieser darf sich jetzt auskühlen. Am Donnerstag wird der Bäcker ihn buttern und zuckern, damit er am Sonnabend, 14.30 Uhr, angeschnitten werden kann. Die Mitglieder des Handels- und Gewerbevereins (HGV) werden ihn dann für zwei Euro die Scheibe Stück verkaufen. „Der Erlös wird zu hundert Prozent für die Unterhaltung unserer Lichterketten verwendet“, sagt Ronny Nestler. Für den Stollen selbst verlangt er nichts. Die Geisinger wissen das zu schätzen. In den letzten Jahren wurde der Stollen komplett verkauft. Warum sollte es diesmal anders sein?