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Ein Rockergruß aus der Küche

Haute Cuisine auf den Tellern – Krustenbraten in der Seele. Wie aus dem Punk Thomas Adam ein Sous-Chef wurde.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Er röhrt wie ein brünftiger Hirsch. Was Thomas Adam da im Lied „Folterknecht“ genau singt, ist kaum zu verstehen, aber allemal für Albträume gut. Seine vor zwei Jahren gegründete Band namens No Matches Found nennt ihre Musik Melodic-Death-Metal und ist bislang weitgehend unbekannt, was daran liegen mag, dass sie noch nie irgendwo aufgetreten ist. Thomas Adam ist es gleich. Er röhrt einfach gerne.

Der 34-Jährige hat nicht nur die Stimme eines Rockers, er besitzt auch das passende Erscheinungsbild dazu. Jede Menge Kopfhaar und Bart machen Eindruck. Aber keine Angst, der tut nichts, der will nur Spaß am Leben haben. Nach einem langen Rockerabend kehrt Thomas Adam gern und häufig beim Dönerladen an der Ecke ein. Der Wikinger braucht Fleisch.

Was so jemand wohl beruflich macht? Thomas Adam ist Sous-Chef im Restaurant Canaletto, das zum Westin Bellevue Dresden gehört, einem der bekanntesten Hotels der Stadt. Es zeigt sich: Dieser Mann lässt sich einfach in keine Schublade packen. Irgendwie passt das alles nicht zusammen. Und gerade das macht Thomas Adam zu einem dieser Typen, die man gern zum feucht-fröhlichen Spieleabend zu Hause auf dem Sofa sitzen hätte. Und das, obwohl er nicht mal aus Sachsen kommt, wie man unweigerlich hört.

Adam stammt aus einem kleinen Dorf bei Stralsund, kann auch heute noch prima „Platt schnacken“. Dort oben im Norden hatten seine Eltern einst ein eigenes Hotel. Das Küchen-Gen wurde weitervererbt. Den jungen Thomas juckte das allerdings lange Zeit kaum. „Ich war so ein richtiger Schmuddelpunk mit gefärbtem Iro und gechlorter Hose“, sagt er. Seinen Widerstand gegen das System lebte er auf der Straße aus und ließ sich dafür auch gern als „scheiß Zecke“ titulieren.

Aber es half ja nichts, irgendwas musste der Kerl ja machen. Nach seiner Ausbildung als Koch hing er zunächst weiter zu Hause rum. Seinen Grundwehrdienst brach er nach wenigen Wochen ab, „weil Kriege sinnlos sind“. Irgendwann vermittelte ihm sein Bruder, der auch Koch ist, einen Job in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Rügen. Das zeigte Wirkung. Nach und nach kam Thomas Adam in der Mitte der Gesellschaft an. Vor fünf Jahren dann ging er mit seiner Freundin zunächst kurzzeitig nach Chemnitz. Als sie dann an der Hochschule in Dresden einen der begehrten Studienplätze für Maskenbild ergatterte, zogen die beiden nach Dresden weiter. Über frühere berufliche Kontakte kam Adam ins Bellevue. Ja und nun ist er hier und zaubert Haute Cuisine, während er noch immer Krustenbraten in der Seele hat.

Seit zwei Jahren ist er als Sous-Chef verantwortlich für die Kalkulation und die Zusammenstellung der Speisekarte. In einem seiner Menüs serviert er eine Sellerie-Birnensuppe, danach ein Kotelett vom Duroc-Schwein mit karamellisiertem jungem Knoblauch und als Nachtisch Zitronen-Tartelle mit Lemon-Curd, blauem Baiser an Melonengel und Minz-Sponge-Cake.

Adams Spezialität ist seit jeher die kalte Küche mit viel Gemüse. „Ich bin da sehr verspielt“, sagt er. „Hier noch ein Punkt, da noch ein Strichchen. Ich hab gern viel Farbe auf dem Teller.“ Roter Paprika und grüner Spinat machen sich wunderbar. Gern würde er mal „Fünferlei von der Karotte“ als Vorspeise kreieren. Natürlich bedient er genauso auch den Appetit seiner Gäste auf Fleisch und Fisch, dann aber nicht immer nur Zander und Dorsch, sondern auch mal Seeteufel oder Knurrhahn. Wenn er dabei nicht auf sein Budget achten müsste, würde er sich in der Küche noch verrückter ausleben. „Gastronomen haben doch alle einen an der Klatsche“, sagt er. Warum sollte er da die Ausnahme sein?

So variabel wie in seiner Küche ist Thomas Adam auch bei der Wahl seiner Frisur. „Außer Dreadlocks hab ich schon alles versucht“, sagt er und lacht. Inzwischen ist er nach Glatze, Iro, Undercuts und Palme beim Modell Maximal angekommen. Sein Haar lässt er seit fünf Jahren wachsen. Offen reicht es ihm schon weit den Rücken hinunter. Meist trägt er aber Zopf. Der Bart wächst seit einem „Rasierunfall“ vor drei Jahren. Damals war er kurzzeitig ganz kahl. Kein Zustand für ihn. Jetzt fühlt er sich deutlich wohler, zumal auch seine Freundin auf viel Haar abfährt.

Wenn abends das letzte Paprikamus püriert ist, schaltet Thomas Adam wieder in den kulinarischen Hardcoremodus. Für ihn selbst kann es dann nicht deftig genug sein: Burger, Schnitzel, Krustenbraten. Wenn daheim seine Freundin kocht, dann muss er die Küche verlassen. Und sonst gibt es ja immer noch den Laden an der Ecke. „Ich bin chronisch unterdönert“, sagt er. Zwei in der Woche sollten es schon sein.

Was gibt es Schöneres, als einen Superdöner in der Hand und Metallica mit „One“ auf den Ohren? „Das ist so göttlich, da wird auch heute noch alles bunt.“ Während er den Rocker in sich weiter auslebt, sei er in seinen politischen Ansichten gemäßigter als früher. „Im Herzen aber“, so sagt er, „bin ich immer noch der Punk.“