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Ein Schiff kommt selten allein

Freitagfrüh trifft das Fahrgastschiff für den Berzdorfer See in Tauchritz ein. Doch die Schiffsanlegestellen im See passen nicht zu diesem Schiff. Was nun?

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© Sven Ellger

Von Sebastian Beutler

Berzdorfer See. Wenn bis Donnerstagmorgen alles gut gegangen ist, so steht der Transporter mit dem Fahrgastschiff momentan an der Autobahn-Raststätte Oberlausitz. Von dort wird sich der Tieflader Donnerstagnacht in Bewegung setzen und zum letzten Teilstück einer langen Reise starten. Bis zur Autobahnabfahrt Bautzen-West, dann über Landstraßen nach Löbau und Bernstadt, ehe das Schiff Freitagfrüh in Tauchritz eintrifft. Die Dresdner Firma Heinrich Schwertransport ist zwar Spezialist für solch schwerwiegende Fracht, aber ein Schiffstransport von diesen Ausmaßen, sagt Andreas Rinke, ist auch für sie ein außergewöhnlicher Auftrag.

Ausgelöst hat ihn Stefan Gläsel. Der Bernstädter Bauingenieur und Stadtrat ist vor allem dadurch bekannt geworden, dass er für den Görlitzer Kaufhaus-Investor Winfried Stöcker alle Bauvorhaben verwirklicht. So plant er das Kaufhaus, ist derzeit auch bei den Erschließungsmaßnahmen in der Blauen Lagune dabei, und versucht, über eine weitere Firma den Ferienpark oberhalb der Blauen Lagune zu errichten. Der 43-Jährige ist also einer der wichtigen Akteure am Berzdorfer See. Seine Rolle könnte durch das Fahrgastschiff noch gewinnen.

Bislang schipperte das Schiff auf dem Rhein, ist nicht ganz neu und hat schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel. Ähnlich große und alte Schiffe vom Rhein werden im Internet für Summen oberhalb von 400000 Euro angeboten. Gläsel selbst äußert sich der SZ gegenüber nicht zum Fahrgastschiff. Zum wirtschaftlichen Risiko Gläsels zählt aber nicht nur die Kaufsumme, die relativ große Besatzung für die künftigen Fahrten, die auch bestimmte Führerscheine vorweisen muss, und die regelmäßigen technischen Durchsichten des Schiffes. Vor allem kämpft Gläsel mit einem anderen Problem: Die Schiffsanlegestellen passen nicht zu seinem Schiff.

Zwar darf er das Fahrgastschiff schon jetzt in den Hafen Tauchritz bringen. Wie Kreis-Sprecherin Gerlind Walter bestätigt, beinhalte die wasserrechtliche Nutzungsgenehmigung für dieses Jahr eine solche Möglichkeit. „Der Betrieb eines Fahrgastschiffes wurde nicht beantragt“, erklärt Frau Walter weiter. Das hätte auch nicht viel Aussichten auf Erfolg gehabt, denn in diesem Jahr sind Motorboote auf dem See nicht zugelassen. Das soll mit der Schiffbarkeitserklärung der Landesdirektion geschehen, die frühestens im Herbst vorliegt und ab kommendem Jahr gelten soll.

Dann bleibt noch das Problem der Schiffsanlegestellen. Die Differenz zwischen Wasserhöhe und Plattform der Stege beträgt 1,80 Meter. Mit anderen Worten, die Passagiere müssten hinauf- und herunterklettern, um in das Schiff zu gelangen. Den Vorwurf eines Baufehlers weist der federführende Bergbausanierer LMBV jedoch zurück. „Die vier Schiffsanleger wurden für ein durchschnittliches Binnenfahrgastschiff errichtet“, sagt Gerd Richter von der LMBV, entsprechend den Vorschriften, finanziert von Bund und Land und abgenommen vom Tüv. Anders gehe es auch gar nicht. Die LMBV könne mit öffentlichen Geldern nicht eine Anlegestelle errichten, die speziell auf das Fahrgastschiff eines privaten Betreibers ausgelegt ist. Die Nachrüstung sei Aufgabe des privaten Investors. Auch sei der See nicht niedriger geflutet worden als zunächst geplant. Das behauptet beispielsweise Schönau-Berzdorfs Bürgermeister Christian Hänel. Gerd Richter von der LMBV dazu: „Der Wasserpegel von 186 bis 186,5 Meter ist genauso hoch, wie es die Planfeststellung vorsah.“

Doch Stefan Gläsel und die Gemeinde Schönau-Berzdorf versuchen auch weiterhin, Steuergelder für die Nachrüstung einzuwerben. Zunächst dachten sie an die Paragraf-4-Mittel, mit denen Bund und Land Investitionen in die Bergbaufolgelandschaften finanzieren. Da Schönau-Berzdorf bereits zahlreiche solcher Anträge gestellt hatte, sollte Markersdorf einspringen. Doch wie dessen Bürgermeister Thomas Knack gegenüber der SZ erklärt, lehnte der Gemeinderat die „Beantragung der Erweiterung der Stege ab“. So viel er wisse, werden diese auch nicht über Paragraf 4 gefördert. Deswegen versucht nun die Gemeinde Schönau-Berzdorf, einen Förderantrag für das „Gemeinschaftswerk Aufbau Ost“ zu stellen. Grundsätzlich ist es möglich aus diesem Aufbau-Förderprogramm von Bund und Land, Mittel zur Förderung des Tourismus einzuwerben.

Neben Eigenmittel der betroffenen Kommunen muss auch der Investor einen Teil der Kosten tragen. Damit es aber nicht so aussieht, als wenn für ein nicht ganz passendes Fahrgastschiff die Stege umgebaut werden sollen, gilt als Zweck des Vorhabens, die „Bootsstege zum Anlegen von Sport- und Segelbooten nachzurüsten“. So könnten künftig alle Segler und Motorboote auf dem See beispielsweise bei Rundfahrten oder kurzen Landgängen an den Schiffsanlegestellen anlegen. Dafür aber waren sie nie vorgesehen. Das bestätigt Gerd Richter von der LMBV. Manfred Dahms von den Lausitzer Wasserfreunden kann sich ebenso nicht erinnern, dass beim Bau der Schiffsanlegestellen die Segler je gefragt worden waren. „Die Planung ist glatt an uns vorbeigegangen“, erinnert sich der erfahrene Segler. „Über Arndt Gundlach gelang es uns wenigstens, ein paar Ringe zu installieren, damit man mal mit dem Seil festmachen kann.“ Ganz von der Hand zu weisen sei allerdings die Argumentation von Schönau-Berzdorf nicht, räumt Dahms ein: „Wünschenswert wäre es schon, wenn die Schiffsanleger auch für kleinere Boote ausgebaut werden würden. So könnten sich die Segler bei plötzlich auftretendem schlechten Wetter in Sicherheit begeben. „Aber aus Sicht der Segler ist die Initiative nicht zwingend notwendig“, sagt Dahms. Zumal Sportboote sicher nicht längere Zeit an den Schiffsanlegestellen liegen dürfen, schließlich habe ja das Fahrgastschiff Vorfahrt. Die Anlegestellen der Weißen Flotte auf der Elbe sind beispielsweise für Sportboote tabu.

Auch Christian Hänel sprach vor dem Gemeinderat Schönau-Berzdorf im Winter davon, dass es um das Fahrgastschiff ginge. Nun sagt er gegenüber der SZ: „Das Fahrgastschiff ist nicht der Grund der Maßnahme, obwohl Fahrgastschiffe jeglicher Art davon profitieren. Vor allem aber geht es darum, dass Paddler, Angler, Sportboote und Segler an den vier Schiffsanlegestellen anlegen und gefahrfrei aussteigen können.“ Darin sei er sich auch mit dem Görlitzer OB Siegfried Deinege einig. Immerhin geht es um erhebliche Summen für die Nachrüstung der Schiffsanlegestellen. Anfangs war von 400000 Euro für alle vier die Rede, jetzt gehen manche schon von einer Million Euro aus.