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„Ein Schlag ins Gesicht“

Laut Stadtspitze sind Tagesmütter teure Kita-Konkurrenz – dabei kosten sie die Stadt Löbau deutlich weniger als Krippenplätze.

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© Rafael Sampedro

Von Markus van Appeldorn

Löbau. Die Löbauer Tagesmütter sind wütend. Sie können es nicht fassen, wie die Stadtspitze über ihre Arbeit denkt. „Wir empfinden es als Schlag ins Gesicht, was der Oberbürgermeister sagt“, fasst Katja Meyer ihre Empörung in Worte, „das tut extrem weh, weil unser ganzes Herzblut in unserer Arbeit mit den Kindern steckt.“

Die Wut der Frauen richtet sich gegen das Urteil, das Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos) in der letzten Stadtratssitzung über sie fällte. Als Reaktion auf die Forderung der Löbauer Tagesmütter nach einer besseren Bezahlung hatte er gesagt: „Wenn wir in unserer eigenen Stadt eine Konkurrenz aufbauen zu unseren eigenen Kitas, die wir teuer saniert haben, ist das der falsche Weg. Die qualifizierten Erzieherinnen sind in unseren Kitas.“ Damit sage der Oberbürgermeister im Grunde, dass er in Löbau am liebsten gar keine Kinder-Betreuung durch Tagesmütter hätte, interpretiert Katja Meyer die Worte.

Die Tagesmütter wollen sich wehren gegen den Vorwurf, unqualifiziert zu sein. Sie trafen sich mit der SZ und schilderten ihre Situation. „Wir müssen unsere Qualifikation durch ein Zertifikat eines anerkannten Ausbildungsträgers nachweisen“, sagt Peggy Kriesch. Genau wie die Angestellten in den städtischen Kitas müssten sie außerdem das Curriculum zur Umsetzung des Sächsischen Bildungsplanes durchlaufen. „Für uns sind jährlich 20 Stunden Fortbildung Pflicht“, sagt Peggy Kriesch, „dabei absolvieren wir die gleiche Weiterbildung wie die Erzieher in den Krippen und Kitas“ – mit einem Unterschied: „Wir Tagesmütter müssen diese Fortbildung teilweise selbst bezahlen.“

Dazu unterlägen sie einer engmaschigen Aufsicht der Behörden. „Zweimal im Jahr kommt das Jugendamt und wir müssen einen Lebensmittelhygiene-Pass haben“, sagt Katja Meyer. Alle fünf Jahre müssten die Tagesmütter ihre Betriebserlaubnis erneuern und in diesem Rahmen sogar für eigene Kinder ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen.

Tagesmütter erfüllen einen gesetzlichen Auftrag. Nach Paragraf 24 des Sozialgesetzbuches VIII haben Eltern nämlich die freie Wahl, ob sie ein Kind bis zum Alter von drei Jahren in eine Krippe oder zu einer Tagesmutter geben. Die Kosten für Eltern sind in beiden Fällen gleich – eine Tagesmutter hat allerdings wesentlich weniger Kinder zu betreuen. Die fünf Löbauer Tagesmütter bieten jeweils vier Plätze an. Ein fünfter Platz steht stets als Reserve bereit, wenn von einer Tagesmutter etwa wegen Krankheit oder Urlaub Kinder übernommen werden müssen. „Studien haben ergeben, dass ein Betreuungsschlüssel von 1 zu 3 den kleinen Kindern am besten gerecht wird“, sagt Katja Meyer. Eltern würden die Betreuung durch Tagesmütter besonders deswegen schätzen, weil es bei Tagesmüttern weniger Krankheiten, kleinere Gruppen und mehr Ruhe für die Kinder gebe als in der städtischen Kinderkrippe.

Die Löbauer Tagesmütter bekommen pro Kind und Monat 485 Euro von der Stadt. Sie haben eine bessere Bezahlung beantragt. „Im Vergleich zu den Nachbarstädten Bautzen, Zittau und Görlitz bekommen wir pro Kind bis zu 193 Euro weniger“, sagt Annett Gnieser. Bei vier betreuten Vollzeitkindern (9 Stunden täglich) errechne sich abzüglich der Sachkostenpauschale damit bei 45 Wochenstunden ein Stundenlohn von 8,08 Euro. „Das ist weniger als der gesetzliche Mindestlohn“, sagt Gnieser.

Statt einer Antwort der Stadt auf ihren Antrag habe es dann die verletzenden Worte des Oberbürgermeisters im Stadtrat gegeben. „Dabei sind wir Tagesmütter für die Stadt eine günstige Lösung“, sagt Katja Meyer, „für ein Krippenkind wendet die Stadt abzüglich Elternbeitrag und Landeszuschuss 491 Euro monatlich auf, für ein Kind in der Tagespflege nur 205 Euro.“ So steht‘s in einer Bekanntmachung der Stadt vom Juli 2017, erschienen im Stadtjournal Löbau.