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Ein stiller Held, der die Glocken für Hitler nicht läuten ließ

Paul Schneider und andere stille Helden werden in einer Ausstellung gewürdigt. Gedanken von Pfarrer Erich Busse.

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© Kristin Richter

Großenhain. Paul Schneider wird als Märtyrer der evangelischen Kirche gesehen. Er findet Anerkennung weit darüber hinaus. Der anglikanische Bischof von Chichester, Georg Bell, nannte schon im Sommer 1939 in der „Times“ Paul Schneider den ersten evangelischen Märtyrer. Der polnische Papst Johannes Paul II. hat ihn verehrt und dafür gesorgt, dass er in einer den christlichen Märtyrern geweihten Kirche in Italien den zentralen Platz bekommt. Die Kathedrale der rumänisch-orthodoxen Kirche in Nürnberg hat ihm einen Ehrenplatz eingeräumt.

Deutschland hat einen guten Namen in der Welt, wenn es um Kultur, Wissenschaft und Technik geht. Da sind wir stolz drauf. Zu Recht. Aber es gibt nicht nur Goethe, sondern auch Hitler. Es gibt nicht nur Weimar, sondern auch Buchenwald, wo Paul Schneider umgebracht wurde. Dass Deutschland Schwierigkeiten mit den dunklen Kapiteln seiner Vergangenheit hat, ist verständlich. Das geht anderen Völkern genauso. Aber Deutschland hat auch große Schwierigkeiten mit den positiven Kapiteln seiner jüngeren Geschichte. Damit steht Deutschland einzigartig in der Welt da.

Paul Schneider, Dietrich Bonhoeffer und die vielen anderen, die Widerstand geleistet, die Juden oder Deserteure versteckt haben, waren vollkommen anders. Sie haben nicht auf andere geschossen, haben zu keiner Gewalt aufgerufen. Sie sind „stille Helden“.

Die Kirchen haben den sinnlosen Tod der Soldaten auf dem Schlachtfeld mit dem Tod Christi am Kreuz auf eine Stufe gestellt. Das ist die schlimmste Häresie, die es je im Christentum gegeben hat. Die Kirchen heute reden viel vom Frieden. Dieses Reden wird erst glaubwürdig sein, wenn sie die Völker Europas um Vergebung dafür bitten, dass die Kriege der Vergangenheit nicht gegen den Widerstand, sondern unter aktiver Mitwirkung der großen Kirchen stattgefunden haben.

Paul Schneider war kein geborener Staatsfeind. Er wuchs, wie es damals in ganz Europa üblich war, in einem Klima des Untertanengeistes auf. Kirche und Schule predigten, dass Gottestreue, Kaisertreue, Vaterlandsliebe und blinder Obrigkeitsgehorsam ein und dasselbe sind. Schneider ist im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet worden. Er war konservativ, heute würden wir sagen, erzkonservativ. Das musste ihn in Konflikt bringen mit dem Nationalsozialismus. Es fing mit kleinen Sachen an: einem verweigerten Glockenläuten aus politischem Anlass.

Das war der Anfang einer tödlichen Spirale. Schneider wurde verhaftet, zwangsversetzt, wieder verhaftet. Die vorgesetzten kirchlichen Dienststellen haben der Gestapo signalisiert, dass Paul Schneider ihnen unbequem ist und sie sich nicht für seine Freilassung einsetzen werden.

Das ist für uns heute unvorstellbar, aber das war damals keine Ausnahme. Es ist häufig vorgekommen. Kirchliche Dienststellen haben sogar Verhaftungslisten für Gestapo und Sicherheitsdienst geschrieben. Wer das heute benennt, muss immer noch damit rechnen, als „Nestbeschmutzer“ behandelt zu werden.

Der Weg war frei, Paul Schneider nach Buchenwald zu bringen. Dort weigerte er sich, die Hitlerfahne zu grüßen, den Arm zum Hitlergruß zu erheben. Als er dann auch noch aus seiner Zelle den Mitgefangenen auf dem Appellplatz die Botschaft zurief, dass Christus von den Toten erstanden ist, wurde er ermordet: am 18. Juli 1939.