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Ein Stolperstein für die Frau des Phänomen-Gründers

Bertha Freund heiratete Gustav Hiller mit 21 Jahren und erlebte nach dessen Tod schwere Zeiten. Daran wird nun dauerhaft erinnert.

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Von Jan Lange

Auf dem Beistelltisch steht eine Kanne Tee samt Tasse, daneben liegt ein aufgeschlagenes Buch. Sie stehen für das Leben von Bertha Hiller während des Hausarrests. Von 1939 bis zu ihrem Tod am 16. September 1942 durfte die Ehefrau des Gründers der Phänomen-Werke ihr Wohnhaus, die heutige Hillersche Villa am Klienebergerplatz, nicht mehr verlassen und lebte isoliert von der Außenwelt. Die Familie, Kinder und Enkel, waren ihr einziger Kontakt. Ihr Ehemann, Gustav Hiller, starb bereits 1913 an einem Herzleiden. Den größten Teil des vierjährigen Hausarrests verbrachte Bertha Hiller im Wintergarten. Es ist der Lieblingsort von ihr gewesen.

Auch deshalb wählten die Schüler des Christian-Weise-Gymnasiums am Freitag den Wintergarten als den Raum aus, in dem an das Schicksal von Bertha Hiller erinnert wurde. Während die Fotos, Briefe und anderen Dokumente nur für einige Zeit im Wintergarten und den sich anschließenden Räumen hängen, gibt es jetzt auch eine dauerhafte Erinnerung an die Frau des Phänomen-Gründers: Vor dem Eingang zur Hillerschen Villa ist ein Stolperstein verlegt worden.

Mit den Stolpersteinen soll sowohl an jüdische Mitbürger wie auch an Sinti und Roma, religiös und politisch Verfolgte, Behinderte, Deserteure, Zwangsarbeiter oder Homosexuelle gedacht werden. Die Opfer müssen dabei nicht zwangsläufig während der Nazi-Diktatur ums Leben gekommen sein – sie können auch nach Kriegsende gestorben sein. In der Stadt Zittau sind bislang 22 Stolpersteine verlegt worden. Die kleinen Gedenksteine für Bertha Hiller und Josef Freund sind nun Nummer 23 und 24.

Bertha Hiller starb zwar 1942, aber nicht in einem Vernichtungslager der Nazi. Zwei Schwestern von ihr, Margarete und Jenny, fanden dort allerdings den Tod, Jenny vermutlich 1942 in Treblinka, Margarete wohl 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt. Berthas Brüder Josef und Emil Freund konnten rechtzeitig nach Chile beziehungsweise Kuba fliehen und kehrten nie wieder zurück nach Zittau.

Auch an Josef Freund erinnert nun ein Stolperstein. Er ist am Freitag unweit der Hillerschen Villa, vor der Theodor-Korselt-Straße 24, seinem einstigen Wohnhaus verlegt worden. Zahlreiche Zuschauer, darunter mehrere Mitarbeiter der Zittauer Stadtverwaltung sowie Winfried Bruns als einziger Vertreter des Stadtrates, verfolgten den Akt. Das Interesse ist größer gewesen als bei der letzten Verlegung von Stolpersteinen im November 2017.

Anne Frommann und Claudia Siede-Hiller, beide Enkelinnen von Bertha Hiller, konnten nicht persönlich nach Zittau kommen. Sie hatten aber einen Brief an Franziska Pohl von der Netzwerkstatt der Hillerschen Villa, die das Stolperstein-Projekt betreut, geschickt, in dem sie sich an ihre Großmutter erinnern.

Bertha Hiller und ihr Bruder Josef Freund wohnten in unmittelbarer Nachbarschaft, aber ihr Lebensstil sei sehr verschieden gewesen. Während bei Bertha ein strenges Regiment geführt wurde mit anständigem Benehmen bei Tisch und gesellschaftlichen Formen, herrschte bei Josef ein lockerer und ungezwungener Ton. „Unser Onkel Josef Freund ist ein eher zurückhaltender Mensch gewesen, der sich mehr für Kunst als für Geld interessierte, bei dem man sich als Kind wohlfühlte, weil man nicht dauernd erzogen wurde“, erinnern sich Berthas Enkelinnen. Für ein Kind waren nach ihren Worten diese beiden verschiedenen Welten bei Hillers und Freunds sehr spannend: hier Ordnung und Strenge und dort Freiheit und Fantasie.