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Ein Tag ohne Elbe, ist ein verschenkter Tag

Der Meißener Lehrer Emil Zöllner schrieb übers Elbvolk und zählte sich selbst dazu.

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© Stadtmuseum Meißen

Von Udo Lemke

Meißen. Steffen Förster vom Stadtmuseum Meißen geht ans Regal und zieht fünf schmale Hefte heraus. Es sind Werke mit Titeln wie „Mein Elbebuch“, 1936 in Dresden erschienen und „Sonne und Wolken über dem Strom“(1937). Geschrieben hat sie Emil Zöllner. Der war Lehrer an der Höheren Mädchenschule und dann am Gymnasium in Meißen. Und dann zitiert Förster einen Ausspruch von Zöllner, der für sich spricht: „Wenn man einen Tag mal nicht an der Elbe war, dann fehlt einem was.“

Emil Zöllner , 1879 in Dresden geboren, starb 1948 in Meißen. Er hat sich verdient um die Erforschung des „Elbvolkes“ gemacht.
Emil Zöllner , 1879 in Dresden geboren, starb 1948 in Meißen. Er hat sich verdient um die Erforschung des „Elbvolkes“ gemacht. © Stadtmuseum Meißen

Seine innige Verbundenheit mit dem Fluss brachte ihm den Spitznamen Elb-Zöllner ein. „Im Grunde genommen, hat er eine eigene Disziplin der Volkskunde begründet, die Elbforschung“, erklärt Förster. „Die Elbe ist eine Fahrstraße“, schrieb Zöllner im Elbebuch. „Sie ist eine schöne Straße. Sanft gleiten die Fahrzeuge auf ihr hin; sie schweben fast. Sie schwingt sich dahin zwischen bunten Wiesen, wogenden Feldern und dunklen Wäldern. Bei Sonnenuntergang glüht und leuchtet sie wie flüssiges Gold.“

Es sind weniger die poetischen Beschreibungen, die Zöllner bis heute von Interesse sein lassen. Es sind vor allem seine Schilderungen von Arbeit und Leben am Fluss. Selbst aus einer Fischerfamilie stammend, beschreibt er Berufe, die heute fast durchgängig ausgestorben sind. Die Elbfischer, -flößer und -schiffer. Sie sind das „Elbvolk“, so lautet der Titel seines 1934 in Leipzig erschienen Buches.

Zu Zöllners Verdiensten zählt also die Darstellung von Tätigkeiten, Dingen und Situationen, die es heute nicht mehr gibt. So etwa des Aal- und Störfangs in der Elbe. Oder der Arbeit eines Vermalers. „Er arbeitet nicht mit dem Pinsel, sondern mit der Pfeilstange und dem Maleisen. Mit der Pfeilstange misst er die Tiefe des Wassers. Mit dem Maleisen – einer eisernen Stange von einem Meter Länge, die an einer langen Stange befestigt ist – sticht und bohrt er Löcher in den Grund des Stromes, worein er die Malstäbe steckt, die den Schiffern anzeigen, wo sie fahren müssen.“ Die Malstäbe an der rechten Seite des Flusses erhalten Strohwische, die an der linken Seite bleiben bloß. Zöllners Fazit: „Der Vermaler ist der sichere Wegweiser für die Wasserfahrzeuge.“

Zu Zöllners Verdiensten zählt aber auch die Darstellung des Niedergangs der Flusswirtschaft durch die zunehmende Verschmutzung der Elbe und damit auch des Niedergangs der Kultur des Elbvolkes, wie Museologe Förster erklärt.

Zöllner hat ein warmes Verhältnis zum Elbvolk, dem er ja selbst entstammt. Er habe gefunden, dass die armen Leute innerlich viel reicher sind, als viele denken, schreibt er. Und: „Ich glaube an die Volksgemeinschaft der guten Menschen aller Schichten.“ Den Glauben an die Volksgemeinschaft teilt er mit den Nazis, deren Partei er beitritt. Nach dem Krieg wird er zur Zwangsarbeit beim Wiederaufbau der Meißner Altstadtbrücke befohlen. Dabei erkrankt er und stirbt schon 1948 im Alter von 69 Jahren, wie Förster berichtet.

Hören wir noch einmal den Elb-Zöllner. „Mich rufen die Stimmen der Elblandschaft: Mich ruft das Rauschen des Stromes, mich rufen die Pfiffe der Dampfschiffe und das Rasseln der Dampferketten und vor allem das Lachen und Erzählen der Menschen auf dem Strom. Ich bin einer vom Elbvolk.“