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Putins unbequemes Jubiläum

20 Jahre ist es her, dass Wladimir Putin an die Macht kam. Doch Russland ist heute nicht unbedingt in Feierlaune.

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Im Jahr 1999 ernannte Präsident Boris Jelzin den früheren Geheimdienstchef Wladimir Putin zum Ministerpräsidenten. Seitdem regiert der heute 66-Jährige dank einer von ihm initiierten Verfassungsänderung fast durchgängig an der Spitze Russlands.
Im Jahr 1999 ernannte Präsident Boris Jelzin den früheren Geheimdienstchef Wladimir Putin zum Ministerpräsidenten. Seitdem regiert der heute 66-Jährige dank einer von ihm initiierten Verfassungsänderung fast durchgängig an der Spitze Russlands. © EPA/picture alliance/Sputnik

Von Ulf Mauder, Moskau

Wenn Wladimir Putin daran erinnert wird, dass er nun schon seit 20 Jahren an der Macht ist, korrigiert er sein Gegenüber gern. Die Macht in Russland habe der Präsident, sagt der 66-Jährige. Und er habe ja als Regierungschef angefangen – das war vor 20 Jahren, am 9. August 1999. Erst im Jahr 2000 wurde er Präsident und war zwischendurch noch einmal Regierungschef. Feierlaune kommt aber sowieso nicht auf. Vielmehr erinnert sich ganz Russland daran, wie der damals kaum bekannte Putin die politische Bühne betrat – und die Welt veränderte.

Von einem unbequemen Jubiläum ist allenthalben die Rede. Angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Lage im Land fragen sich viele, warum die Probleme in Putins 20. Jahr an der Macht nicht weniger werden. In Moskau prügeln Uniformierte gerade immer wieder auf friedliche Demonstranten ein, die freie Wahlen am 8. September zum Stadtrat fordern. 

Die Bilder der Polizeigewalt sollen Experten zufolge zeigen, dass die Staatsmacht zu allem entschlossen ist. Kritik des Westens an den Gewaltexzessen, an der Verletzung von Menschenrechten, an den Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit prallen seit Langem an den Kreml-Mauern ab. Die zersplitterte Opposition hat seit Langem keinen Zugang zum Fernsehen.

Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, spricht bei seiner Amtseinführung als neuer Präsident iim Mai im Kreml, während er seine Hand auf die Verfassung legt. 
Wladimir Putin (l), Präsident von Russland, spricht bei seiner Amtseinführung als neuer Präsident iim Mai im Kreml, während er seine Hand auf die Verfassung legt.  © Alexei Druzhinin/POOL SPUTNIK KREMLIN/AP/dpa

Fast vergessen sind zudem die Zeiten, in denen der von seinen Jahren als KGB-Offizier in Dresden perfekt Deutsch sprechende Putin sogar im Deutschen Bundestag eine Rede halten durfte.

Die Proteststimmung ist insgesamt groß im Land – egal ob Bauprojekte oder Müllhalden, oft geht es um Willkür von Behörden, die Projekte durchziehen, ohne dass sich Bürger beteiligt fühlen. In Sibirien brennt zum Entsetzen vieler Menschen seit Wochen die Taiga – der für das Weltklima wichtige Waldgürtel –, weil Behörden beim rechtzeitigen Löschen versagten. Vielerorts herrscht offiziell Ausnahmezustand.

Putin zeigt sich der Öffentlichkeit gern als Naturbursche.
Putin zeigt sich der Öffentlichkeit gern als Naturbursche. © Astakhov/Ria Novosti/epa/POOL/dpa

Bei seiner traditionellen Fernsehshow „Direkter Draht“ musste sich Putin zuletzt anhören, dass viele mit den Durchschnittseinkommen von einigen Hundert Euro pro Monat nicht mehr über die Runden kämen. Er selbst reagierte teils ungläubig.

Die von der EU und den USA verhängten Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts lasten zudem schwer auf der stolzen Rohstoffmacht Russland. Zwar behauptete Putin in jener TV-Show auch, der Westen leide deutlich stärker unter den russischen Gegensanktionen, weil EU-Bauern etwa keine Lebensmittel mehr exportieren könnten. Doch die einfachen russischen Bürger schimpfen massiv über steigende Preise. Sie klagen darüber, dass Medikamente wegen der Sanktionen bisweilen nicht zu bekommen seien.

Putin, der Prachtkerl

Zum Jahrestag wird aber auch daran erinnert, dass Putin stets Hoffnungsträger war. Präsident Boris Jelzin hatte den früheren Geheimdienstchef am 9. August 1999 zum dritten Ministerpräsidenten innerhalb eines Jahres ernannt. Am 16. August wurde er von der Staatsduma gewählt. 2000 überließ der wegen des Krieges in Tschetschenien und auffälliger Alkoholprobleme in Ungnade gefallene Jelzin Putin dann das Präsidentenamt.

Seit 20 Jahren versteht es Putin, die einzelnen Kraftzentren – das Militär, die Geheimdienste und die Oligarchen – in einer Balance, unter Kontrolle und sich so im Amt zu halten. Zweimal gewann er die Präsidentenwahl, wechselte 2008 vorübergehend ins Amt des Regierungschefs – der heutige Ministerpräsident Dmitri Medwedew regierte damals vier Jahre im Kreml –, um dann nach einer Verfassungsänderung zweimal für sechs Jahre zurückzukehren. 2024 endet die jetzige, gemäß Verfassung vorläufig letzte Amtszeit.

Die mächtigen Männer: Putin im Gespräch mit US-Präsident Donald Trum auf dem G20-Gipfel 2017.
Die mächtigen Männer: Putin im Gespräch mit US-Präsident Donald Trum auf dem G20-Gipfel 2017. © Evan Vucci/AP/dpa

„20 Jahre können Monarchen oder Herrscher regieren, aber für einen gewählten Staatschef ist das eine unglaublich lange Zeit an der Macht“, schrieb der Politologe Fjodor Krascheninnikow in der Zeitung Wedomosti. Es häufen sich Zweifel, ob Putin das Land wirklich noch in eine bessere Zukunft führen kann. Der Eishockey-Superstar Artemi Panarin, lange Fan von Putin, meinte in einem Interview, dass der Präsident wohl nicht mehr begreife, was in seinem Land los sei. „Wenn dir alle 20 Jahre lang sagen, dass du ein Prachtkerl bist und alles richtig machst, denkst du etwa, dass du dann noch deine eigenen Fehler siehst?“, sagte der 27-jährige Profi. „Unser Fehler ist, dass wir ihn als einen Supermenschen sehen.“

Putin selbst lässt seine Zukunft über das Jahr 2024 hinaus offen. „Es stehen noch fünf Jahre anstrengender Arbeit bevor. Und in einer solchen stürmischen Dynamik, wie wir sie jetzt in der Welt beobachten, ist es schwer, Vorhersagen zu treffen“, meinte er. Vor allem jene, die Putins Machtbasis bilden – der Sicherheitsapparat und die Kirche etwa– dürften schon aus Eigeninteresse auf seinen Verbleib setzen. Ein Nachfolger ist jedenfalls nicht in Sicht. (dpa)

Putin und seine Ehefrau Ludmila kommen zu einem gemeinsamen Abendessen mit den Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten im Juni 2007.
Putin und seine Ehefrau Ludmila kommen zu einem gemeinsamen Abendessen mit den Staats- und Regierungschefs der G8-Staaten im Juni 2007. © Bernd Settnik/dpa
Papst Franziskus (r) empfängt Wladimir Putin im Juli 2019 in Rom
Papst Franziskus (r) empfängt Wladimir Putin im Juli 2019 in Rom © Alessandro Di Meo/ANSA/dpa
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt Putin im August 2018 vor dem Gästehaus der Bundesregierung.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt Putin im August 2018 vor dem Gästehaus der Bundesregierung. © Ralf Hirschberger/dpa
Putin taucht mit dem Forschungs-U-Boot C-Explorer 3.11 zu einem im Zweiten Weltkrieg nahe Hogland gesunkenen U-Boot ab. 
Putin taucht mit dem Forschungs-U-Boot C-Explorer 3.11 zu einem im Zweiten Weltkrieg nahe Hogland gesunkenen U-Boot ab.  © Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Oliver Stone (r), US-Regisseur, interviewt Putin im Juni 2019 für seine Dokumentation über die Ereignisse in der Ex-Sowjetrepublik nach den Protesten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew vor fünf Jahren. 
Oliver Stone (r), US-Regisseur, interviewt Putin im Juni 2019 für seine Dokumentation über die Ereignisse in der Ex-Sowjetrepublik nach den Protesten auf dem Unabhängigkeitsplatz in Kiew vor fünf Jahren.  © Alexei Druzhinin/Pool Sputnik Kremlin/dpa
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (l-r), seine damalige Frau Doris Schröder-Köpf, Ljudmila Putina und der russische Präsident gehen im Juni 2000  durch das Brandenburger Tor in Berlin.
Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (l-r), seine damalige Frau Doris Schröder-Köpf, Ljudmila Putina und der russische Präsident gehen im Juni 2000  durch das Brandenburger Tor in Berlin. © Stephanie Pilick/dpa
Putin testet im November 2006 den Schießstand im neuen Hauptsitz des russischen Geheimdienstes.
Putin testet im November 2006 den Schießstand im neuen Hauptsitz des russischen Geheimdienstes. © -/ITAR-TASS_POOL/epa/dpa
Das Foto von Putin oberkörperfrei auf dem Rücken eines Pferdes in Südsibirien, ging 2009 um die Welt.
Das Foto von Putin oberkörperfrei auf dem Rücken eines Pferdes in Südsibirien, ging 2009 um die Welt. © EPA/picture alliance/Sputnik