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Ein unmoralischer Vertrag?

Über ein Jahr liegen ein Rentner und das Fitnessstudio Injoy miteinander im Rechtsstreit. Nun ging es vors Kamenzer Amtsgericht.

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© Matthias Schumann

Von Ina Förster

Kamenz. Verträge sind grundlegend nicht herzlos. Sie bestehen. Spätestens, wenn zwei Parteien sie unterschrieben haben. Und es zwischen ihnen Vereinbarungen gibt, die eingehalten werden müssen. Rentner Hellmuth Röhl aus dem Haselbachtal schloss einen solchen am 3. Juli 2014 mit dem Fitnessstudio Injoy in Kamenz ab. Am 4. Juli widerrief er. Nachdem er sich noch einmal durch den Kopf gehen ließ, was man ihm da als damals 77-Jährigen mit langer Krankengeschichte angeboten hatte.

Gebracht hat es nichts. Denn anderthalb Jahre später flatterte ihm die Rechnung der Mitgliedschaft über 2074,78 Euro auf den Tisch. Um genau diese Summe ging es am Donnerstagvormittag in einer ersten Verhandlung vor dem Kamenzer Amtsgericht. Das Studio will sein Geld sehen. Der Haselbachtaler hingegen sah lange nicht ein, dass er überhaupt etwas schuldet. Denn die Hintergründe des Vertragsabschlusses sind verworren. Amtsrichter Dr. Böttner hatte beide Parteien geladen. Hellmuth Röhl erschien mit Anwalt als Beklagter. Die Klägerseite, das Fitnessstudio, ließ sich durch ihren Anwalt vertreten.

Beiträge nicht erwähnt?

Zur Vorgeschichte: Im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt hatte der Senior 2014 im 1. Reha-Sportverein Kamenz vorgesprochen. Der befindet sich im Fitnessstudio, ist diesem angegliedert. Sein Hausarzt hatte ihm eine Reha-Maßnahme von 50 Übungseinheiten verordnet. „Die Krankengymnastik sollte die neurologische und orthopädische Behandlung meiner Wirbelsäulendefizite unterstützen“, so Röhl. Anstelle des Reha-Sportvereines sei er aber von einer Mitarbeiterin des Injoy-Fitnessstudios empfangen worden, die sich für beide Einheiten zuständig erklärte, so Röhl. „Im anschließenden Gespräch ging es ausschließlich darum, mich für das Fitnesstraining zu gewinnen. Beiträge wurden nicht erwähnt. Das erfolgte erst zwei Tage später mit der Übergabe einer Vereinbarung. Bedenkzeit? Keine!“ Hellmuth Röhl plagt seitdem die Frage, warum er unterschrieben hat. Leidensdruck? Ja! Falsche Beratung? In seinen Augen: Ebenfalls ja! Noch am gleichen Tag musste der Rentner erkennen, dass Dauerübungen an den Geräten die Schmerzen vergrößern. Und so rief er am nächsten Tag die Mitarbeiterin an, dass der Vertrag in seinen Augen als nicht abgeschlossen gilt. „Meine gekündigten Unterlagen wurden ohne Widerspruch zurückgenommen und ich wie vorher vorgesehen in die Reha-Gruppe eingegliedert“, erzählte Hellmuth Röhl im Vorgang der SZ. Bis Oktober trainierte er dort 43-mal. Am Fitnessstudio-Programm habe er niemals teilgenommen.

Offene Fragen

Genau diese 43 Besuche wurden dem Rentner bei der Verhandlung vom Injoy- Anwalt vorgerechnet. Und dass der Vertrag rechtskräftig sei. Dies bestätigte Amtsrichter Dr. Böttner. Im Zivilrecht sei es so, dass man mit seiner Unterschrift bekräftigt, den geschlossenen Vertrag zu erfüllen. Egal, ob man sich am nächsten Tag umentscheidet. Ein Widerrufsrecht gebe es nicht. „Man muss sich so etwas vorher überlegen“, so der Richter. Böttner, der erst einmal Ordnung in die teilweise nicht aussagekräftigen Unterlagen beider Parteien bringen wollte, fragte sich durch die Verhandlung. Ausstehend war die Zeugenaussage der Injoy-Mitarbeiterin, die aber abrufbereit vor dem Verhandlungssaal saß. Sie bestritt laut Anwalt, die Kündigung akzeptierend entgegengenommen zu haben. Auch ein Sachverständigengutachten, ob Röhl gesundheitsmäßig in der Lage gewesen wäre, das Training durchzuführen, fehlte. „Warum wurde die entgegengenommene Kündigung nie bestätigt? Warum kam die Rechnung erst nach anderthalb Jahren? Sollte der Sachstand einer Verwirkung provoziert werden?“ fragte Dr. Böttner. Fragen über Fragen. Das Zusammentragen von Antworten könne dauern, wies er hin und lenkte die Parteien in Richtung eines 50:50-Vergleiches, wonach der Rentner noch 1073,39 Euro zu zahlen hätte. Während der Injoy-Anwalt den Vorschlag mitnahm und bis 7. Dezember in Widerspruch gehen kann, stimmte Hellmuth Röhl zu. „Ich habe mich ein Jahr mit dieser Sache herumgeplagt und will einfach Ruhe.“ Seitdem er von 14 Anwälten aus Gießen Post bekam, ist ihm einiges vergangen. Für ihn sei die Art, Verträge zu schließen, bedenklich: „Wo bleiben hier Ethik und Moral?“, fragt Hellmuth Röhl gegenüber der SZ.