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Ein Wissenschaftler im Unruhestand

Jörg Steinbach war Institutsdirektor in Rossendorf. Auch jetzt verbindet ihn noch viel mit dem Forschungsstandort.

Von Ingolf Reinsch
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Prof. Dr. Jörg Steinbach ist weitgereist, weltgewandt und trotzdem bodenständig. „Bischofswerda ist meine Heimatstadt“, sagt der Wissenschaftler.
Prof. Dr. Jörg Steinbach ist weitgereist, weltgewandt und trotzdem bodenständig. „Bischofswerda ist meine Heimatstadt“, sagt der Wissenschaftler. © Steffen Unger

Bischofswerda. Der Start in den Ruhestand hätte für Jörg Steinbach nicht besser sein können. Er war mit seiner Frau für ein paar Tage in Venedig. Seit dem 1. Oktober führt der 66-Jährige den Zusatz „em.“ hinterm Professorengrad. Das heißt, er ist emeritiert. 

Doch was bedeutet schon Ruhestand für einen Menschen, der über 40 Jahre wissenschaftlich hart gearbeitet hat, darunter 13 Jahre als Institutsdirektor am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf? So einer kann nicht von heute auf morgen seinen Zwölf-Stunden-Arbeitstag auf Null herunterfahren.

Er möchte die Bindungen nicht abreißen lassen, sagt Prof. Jörg Steinbach mit Blick auf die Doktoranden, die er in den nächsten zwei Jahren noch auf dem Weg zu ihrem Abschluss begleiten wird. Er berät Firmen, erstellt Gutachten, hält einmal in der Woche eine Vorlesung an der Technischen Universität Dresden. 

Fürs Jahr 2019 steht noch eine weite Reise an: Der Bischofswerdaer wird zu einem Kongress nach Peking und danach zu einem Kooperationspartner nach Shanghai fliegen. 

Auf Radiopharmazie spezialisiert

Jörg Steinbach ist weltgewandt und bodenständig. Er wurde in Annaberg-Buchholz geboren, kam als Kind mit seinen Eltern nach Bischofswerda, ging hier zur Schule, machte 1971 sein Abi an der Goetheschule, studierte Chemie an der TU Dresden. Seine Promotion schloss er 1982 mit dem bestmöglichen Prädikat summa cum laude ab.

Im selben Jahr wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentralinstitut für Kernforschung in Rossendorf, in der DDR die größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Er spezialisierte sich auf die Radiopharmazie, entwickelte mit seinem Team wichtige Grundlagen für die Positronen-Emmissions-Tomografie (PET). Ein Gebiet, das ihn ein Leben lang fesseln sollte und das wichtige Erkenntnisse zum Beispiel für die Diagnose von Krebs brachte. 

Mithilfe der auch in Rossendorf entwickelten schwach radioaktiven Medikamente – die Strahlenbelastung ist vergleichbar mit der beim Röntgen – ist es möglich, Tumore sichtbar zu machen, die Aggressivität von Krebszellen zu bestimmen und Metastasen zu lokalisieren.

Neugründung nach der Wende

Nach der Wende am 1992 neu gegründeten Forschungszentrum Rossendorf bestimmte Jörg Steinbach die Entwicklung des heutigen Instituts für Radiopharmazeutische Tumorforschung maßgeblich mit – zunächst als Abteilungsleiter, mit einer Zwischenstation als Institutsdirektor in Leipzig, seit dem Jahr 2005 als Institutsdirektor in Rossendorf. Er betreute das PET-Zentrum, einen Zusammenschluss von Forschungszentrum, Universitätsklinikum und TU Dresden. 

In den Jahren 1995 bis 2015 wurden mittels der von ihm entwickelten Methode im PET-Zentrum Rossendorf 18.000 Patienten untersucht. Seitdem läuft die PET-Diagnostik an der Uni-Klinik. Die dafür notwendigen radioaktiven Sonden werden weiterhin vom Helmholtz-Zentrum geliefert. 

Vier Wochen vor seinem Eintritt in den Ruhestand wurde für sein Institut ein 35 Millionen Euro teurer Neubau eröffnet, der beste Forschungsbedingungen bietet. „Wir sind europaweit das größte und modernste Zentrum dieser Art“, sagt er. Seit einigen Jahren widmen sich seine Mitarbeiter der Theranostik. Deren Ziel ist es, auch therapeutisch einsetzbare Radiopharmaka zu entwickeln.

Chancen für junge Menschen

Für einige Jahre lebte Jörg Steinbach mit seiner Familie in Dresden. 1997 kehrte er zurück nach Bischofswerda, zog auf das elterliche Grundstück, baute das Haus dort um. „Bischofswerda ist meine Heimatstadt“, sagt er. Der Vater von zwei erwachsenen Kindern und zweifache Großvater schätzt an der Stadt die Ruhe und das Grün. In den Jahren am Institut sei zu Hause viel liegengeblieben, das nun aufzuarbeiten sei, sagt er zu seinen Plänen für den Ruhestand. Er möchte die Zeit mit seiner Frau Petra genießen. Auch sie promovierte, war Wissenschaftlerin in Rossendorf und hielt ihm all die Jahre den Rücken frei.

Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf liegt 150 Meter hinter der Landkreisgrenze und rund 20 Autominuten von Bischofswerda entfernt. Jörg Steinbach ist stolz auf seine Arbeitsstätte, nicht nur der wissenschaftlichen Leistungen wegen. Der Standort ist auch ein Wirtschaftsfaktor, der auf den Landkreis Bautzen ausstrahlt, sagt er. Allein das Helmholz-Zentrum hat 1.100 Mitarbeiter. Zählt man die Nachbareinrichtungen hinzu, kommt man leicht auf anderthalbtausend Arbeitsplätze. „Das sind Chancen für junge Menschen“, betont er.