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„Eine Ausnahme-Persönlichkeit“

Kanzlerin Angela Merkel erhält die Ehrendoktorwürde einer Leipziger Hochschule. Und hat eine Botschaft im Gepäck.

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Christine Lagarde, Rektor Stephan Stubner, Angela Merkel und Michael Kretschmer in Leipzig. Mit der Ehrendoktorwürde will die Privathochschule in erster Linie Merkels Führungsstil würdigen.
Christine Lagarde, Rektor Stephan Stubner, Angela Merkel und Michael Kretschmer in Leipzig. Mit der Ehrendoktorwürde will die Privathochschule in erster Linie Merkels Führungsstil würdigen. © Jan Woitas/dpa

Von Sven Heitkamp

Leipzig. Als die Ouvertüre der „Meistersinger“ von Richard Wagner verklungen ist, wird es einen Moment still in der Leipziger Oper. Christine Lagarde, die künftige Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), geht im leuchtend blauen Kleid auf die Bühne, um ihre Freundin Angela Merkel zu ehren: „my dear friend“. Die beiden gehören zu den mächtigsten Frauen der Welt, sie kennen und schätzen sich seit Jahren – auch wenn sie bei Themen wie Sparpolitik und Euro-Rettung nicht immer einer Meinung waren.

An diesem Wochenende aber ist die frühere Chefin des Internationalen Währungsfonds voll des Lobes und guter Laune. Merkel sei „eine Ausnahme-Persönlichkeit“ und eine Inspiration für viele Politiker auf internationaler Bühne. „Sie weiß es nicht, aber so ist es“, sagt Lagrade unter Gelächter im Opernsaal. „Indem sie alte Muster aufbricht und die gesellschaftliche Modernisierung vorantreibt, schafft Angela Merkel neue Sichtweisen, neue Gewissheiten – vor allem für Frauen.“ Der Merkelsche Führungsstil sei ausgewogen, methodisch und wohltemperiert: „Sie weiß, wie man den richtigen Ton trifft“, sagt Lagarde. 

Eine neue Führungskultur

Mehr noch: Die Kanzlerin aus einem Pfarrhaus in der Uckermark, die seit 2005 an der Macht ist, habe eine besondere Begabung für Diplomatie, Sorgfalt, Entschlossenheit und Pflichtbewusstsein. „Angela Merkel ist immer die am besten vorbereitete Person im Raum und kennt sämtliche Briefingunterlagen.“ Egal ob Klimawandel, Migrationsdruck, Handelsspannung en oder Datenschutz: Sie wisse, dass Politik nicht allein spielen könne, sondern Teil eines modernen, „internationalen Orchesters“ sein müsse - gerade weil Populismus und Nationalismus zunehmen. „Sie spielt niemals alleine. Und wir alle spielen mit ihr und lassen uns von ihr führen.“ 

Merkel, Lagarde und Kretschmer beglückwünschen die Absolventen der Leipziger Handelshochschule.
Merkel, Lagarde und Kretschmer beglückwünschen die Absolventen der Leipziger Handelshochschule. © Jan Woitas/dpa

Mit der Ehrendoktorwürde will die Leipziger Privathochschule in erster Linie Merkels Führungsstil würdigen. Denn die HHL hat vor drei Jahren damit begonnen, ein eigenes Führungsmodell zu entwickeln. Es soll die angehenden Manager und Unternehmen aus mehr als 60 Nationen, die die Hochschule absolvieren, zu einem besonderen Geist anleiten: Nicht nur auf Gewinn und Profit, Status und Macht zu schauen - sondern sich an Werten zu orientieren und Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen. Gute Führung bedeute eine ganzheitliche Sicht auf die Welt, die den einzelnen im Blick behält. Merkel habe über Jahrzehnte wichtige Impulse für diese Art Führungskultur gegeben, betont HHL-Rektor Stephan Stubner. Vier Gutachter hätten dies bestätigt, der Senat der Hochschule sei dem Vorschlag gefolgt.

Man wird noch von ihr hören

Mit ihrem norddeutschen Sinn für Humor nimmt Merkel in ihren Dankesworten an die „liebe Christine“ die Steilvorlage des Rektors auf - und die Hochschulführung auf die Schippe: „Schön, dass Ihre Gutachter den Senat überzeugen konnten und das einstimmig“, scherzt Merkel. Danach appelliert die CDU-Spitzenpolitikerin vor allem an die 220 Absolventen, die am gleichen Tag ihren Hochschulabschluss verliehen bekommen. „Nur wer sich auf Neues einlässt, kann auch Neues entdecken“, sagt Merkel. „Seien Sie mutig - die Älteren brauchen das.“ Werte-Orientierung in der Führung bedeute vor allem, die Würde des Menschen zu erhalten und in der Verantwortung nachhaltig zu denken. „Führung ist nie Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck: Finden Sie einen Raum für den Interessenausgleich.“

Zugleich verwandelt die Kanzlerin das Zitat aus Wagners Meistersingern „Verachtet mir die Meister“ in eine neue Bedeutung: „Verachtet mir die Kompromisse nicht!“ Für Merkel ist die Leipziger Ehrung bereits der 17. Ehrendoktortitel weltweit. Große Universitäten in Jerusalem, Haifa und Tel Aviv, Cambridge New York und Peking und auch die Leipziger Universität haben die promovierte Physikerin seit 2007 ausgezeichnet. Auf den Lorbeeren will sich Merkel aber nicht ausruhen - denn es gebe noch viel zu tun. Wenn sie nicht mehr Bundeskanzlerin ist, sagt Merkel zum Abschied, „werden alle Hochschulen noch von mir hören.“