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Eine bissige Tragödie

Dreimal greift ein Labrador aus Bobersen an. Das kostet einem Hund das Leben – und einem Jungen seinen besten Freund.

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Von Antje Steglich

Zeithain. Diesen Tag wird die junge Familie nie vergessen. Hochschwanger geht Katrin Haase im November mit ihrem dreijährigen Sohn und den zwei Yorkshireterriern Savannah und Puccini spazieren. In dem kleinen Dörfchen Bobersen, nicht weit von ihrem Einfamilienhaus entfernt. Auf der anderen Straßenseite führt eine Frau ihren Labrador aus. „Er war angeleint, ich habe mich sicher gefühlt“, sagt die junge Physiotherapeutin.

Besonders leidet nun der dreijährige Paul darunter. Denn Mini, wie er den Terrier nannte, war sein bester Freund.
Besonders leidet nun der dreijährige Paul darunter. Denn Mini, wie er den Terrier nannte, war sein bester Freund. © wikimedia.org

Doch innerhalb von Sekunden herrscht das blanke Chaos: Der Labrador reißt sich los, rennt zu der Familie, verbeißt sich in Puccini und schüttelt ihn kräftig. Nicht nur der kleine Hund winselt um sein Leben, auch der dreijährige Paul schreit in dem Gerangel immer wieder: „Mami, Mami!“. Schwer verletzt wird der Hund in die Dresdner Tierklinik gebracht. Neben einer großen Fleischwunde ist sein rechtes Vorderbein durchgebissen und die Kniescheibe am rechten Hinterbein verschoben. Das Tier übersteht die Not-Operation. Doch vier Tage später stirbt Puccini durch eine Infektion der Wunde.

Familie Haase trauert seitdem nicht nur um ein Tier, das für sie ein Familienmitglied war. Vater, Mutter und Sohn sind traumatisiert, hat eine Ärztin attestiert. Vor allem der Dreijährige leidet unter Angstzuständen. Nun erhebt die Familie schwere Vorwürfe gegen die Behörden und gegen die Besitzer des Labradors. Denn der große Hund biss nicht das erste Mal zu: Schon 2014 hat er Puccini angefallen. Damals ist der Sohn der Labrador-Besitzer mit dem Fahrrad und dem angeleinten Hund auf dem Elberadweg unterwegs – der führt durch das Grundstück der Familie Haase. Puccini rennt auf den großen Hund zu – und der beißt zu. Der Terrier trägt eine Fleischwunde sowie durchgebissene Schien- und Wadenbeinknochen am linken Hinterbein davon. Er wird in der Dresdner Tierklinik operiert.

Anzeige gegen die Hundebesitzer

Im Juni 2015 gibt es einen weiteren Fall. Damals geht die Familie mit dem Labrador auf einem nahen Feld spazieren und lässt ihn frei laufen. Dabei beißt er den Mischlingshund einer anderen Nachbarin. Auch die Frau selbst soll eine Bisswunde am Bein davongetragen haben, sagen die Haases. Danach landet die Geschichte erstmals bei der Gemeindeverwaltung. „Uns wurde gesagt, dass man sich darum kümmert“, erklärt Katrin Haase. Doch es passierte nichts. Deshalb habe man nun, nach dem Tod von Puccini, nicht nur eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Zeithainer Ordnungsamtsleiter, sondern auch Anzeige gegen die Besitzer des Labradors erstattet – auch wenn durch sie die Behandlungskosten bereits beglichen wurden.

„Ich habe Angst, dass noch einmal was passiert. Der Hund hat sich einmal losgerissen, wer kann garantieren, dass das nicht noch einmal geschieht“, sagt Katrin Haase. Weil der Hund nichts für seine Erziehung könne, sei Einschläfern keine Lösung: Sie will, dass der Labrador in andere Hände kommt, in einen anderen Ort. Denn mittlerweile habe die ganze Familie Angst, vor die eigene Haustür zu treten: „Nicht auszudenken, wenn ein Kind gebissen wird.“

Noch im November hat die Gemeindeverwaltung allerdings veranlasst, dass der Labrador nur noch angeleint und mit Maulkorb spazieren geführt werden darf, erklärt Zeithains Bürgermeister Ralf Hänsel (parteilos). Dazu gibt es mittlerweile auch einen offiziellen Bescheid, der nun erst einmal so lange gilt, bis das Landratsamt seine Untersuchungen beendet hat. Die Dienstaufsichtsbeschwerde wurde intern geklärt, so Ralf Hänsel. Die Familie habe bereits eine schriftliche Antwort erhalten.

Landratsamt lässt Hund prüfen

Das Landratsamt hat zudem die ordnungsgemäße Unterbringung des Hundes überprüft und will nun feststellen, ob der Hund tatsächlich als gefährlich im Sinne des Gesetzes einzustufen ist, so Landkreissprecherin Helena Musall. Dazu soll es Anfang Februar ein Treffen zur Prüfung des Hundes mit Sachverständigen – also einem unabhängigen Hundetrainer und Mitgliedern des Hundesportvereins – geben. Sollte die Einstufung tatsächlich erfolgen, würde der Besitzer dann eine Haltungserlaubnis benötigen, eine sichere Unterbringung nachweisen und sich an Maulkorb- und Leinenzwang halten müssen.

Parallel dazu ermittelt die Polizei bereits in zwei Fällen wegen fahrlässiger Körperverletzung im Zusammenhang mit diesen Hundebissen, so eine Sprecherin. Ergebnisse wolle man derzeit nicht bekannt geben, da es sich um ein laufendes Verfahren handele.

Die Besitzer des Labradors bestätigten indes gegenüber der SZ alle drei Vorfälle, obwohl sie von einem Biss der Nachbarin nichts wüssten. Sie versprachen zudem, sich an die Vorgaben der Gemeinde zu halten. „Uns tun die Vorfälle sehr leid und vor allem der Ausgang des Letzten.“