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Eine Chance für Schrott-Immobilien

Mit einem neuen Programm will Sachsen etwas gegen Bauruinen tun. Meißens OB-Kandidaten sehen das kritisch.

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© Claudia Hübschmann

Von Stephan Hönigschmid

Meißen. Es ist ein Trauerspiel. Ehemals prächtige Häuser wie das alte Meißner Landkrankenhaus am Robert-Koch-Platz, der Hamburger Hof in der Dresdner Straße oder das Wohnhaus in der Görnischen Gasse 32 verfallen Jahr für Jahr immer mehr. Gerade bei letzterem Gebäude verhindert nur eine Notsicherung den Einsturz.

Hamburger Hof: Nach Sturm Friederike musste der Hamburger Hof gesichert werden.
Hamburger Hof: Nach Sturm Friederike musste der Hamburger Hof gesichert werden. © Claudia Hübschmann
Landkrankenhaus. Auch das alte Krankenhaus verfällt immer mehr.
Landkrankenhaus. Auch das alte Krankenhaus verfällt immer mehr. © Claudia Hübschmann

Weil es nicht nur Meißen so geht, sondern auch andere sächsische Städte und Gemeinden, wie zum Beispiel Görlitz, mit ihren baufälligen Häusern überfordert sind, hat Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) kürzlich bei einem Termin im Erzgebirge unter dem Arbeitstitel „Dach und Fach“ ein neues Programm ins Spiel gebracht.

Wie die Freie Presse zuerst berichtete, sollen die Städte Gelder erhalten, um baufällige Gebäude zu sichern und instand zu setzen. Laut Innenministerium soll das Programm mit dem Doppelhaushalt 2019/2020 starten und „auch dann greifen, wenn der Eigentümer zwar bekannt, jedoch nicht leistungsfähig, nicht handlungsfähig oder handlungsunwillig ist“. Die Denkmalförderung soll von fünf auf zehn Millionen Euro aufgestockt werden – wenn der Landtag zustimmt.

Obwohl Meißens Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt es prinzipiell gutheißen, dass etwas für alte Häuser getan werden soll, sehen sie den Vorschlag kritisch. Martin Bahrmann von der FDP sagt dazu: „Wir dürfen nicht verkennen, dass im nächsten Jahr die Landtagswahlen ins Haus stehen und die CDU sich hier in Stellung bringen will, um Wohltaten an die Bürger zu verteilen, die ihnen vorher in Form von Steuermitteln abgenommen wurden. Am Ende kommt dann meist ein über alle Maßen bürokratisches Konstrukt heraus, das nur wenige nutzen können.“

Die Regeln des Denkmalschutzes sorgten bereits jetzt dafür, dass Mittel nicht abgerufen würden und Hauseigentümer lieber darauf warteten, dass Gebäude von allein einfielen, um neu bauen zu können. „Besser wäre eine Anpassung der Regeln des Denkmalschutzes“, sagt Bahrmann.

Der unabhängige Kandidat Frank Richter befürchtet, dass die Kosten von Privatleuten auf die Allgemeinheit abgewälzt werden. „Ich finde es zwar gut, dass die Landesregierung Maßnahmen gegen Schrott-Immobilien ergreifen will. Es darf aber nicht so sein, dass Eigentümer aus ihrer Verantwortung entlassen werden und stattdessen der Steuerzahler belastet wird.“ Auch weiteren Spekulationen mit Immobilien dürfe kein Vorschub geleistet werden, so Richter.

Sachsens Innenministerium weist auf SZ-Anfrage in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hin, dass das Programm nur für „besonders problematische Fälle“ gedacht sei und die Mittel zurückfließen müssten, wenn der Eigentümer wieder über Geld verfüge.

„Es soll ja nicht allein der Eigentümer, der sich der gesetzlichen Aufgabe nicht stellt, am Ende von einer Wertsteigerung seiner Immobilie auf Kosten der öffentlichen Hand profitieren“, stellt Mitarbeiter Alexander Bertram klar.

Juristisch problematisch findet die Idee des Ministerpräsidenten der OB-Kandidat der AfD, Joachim Keiler: „Grundsätzlich begrüße ich, dass etwas für den Erhalt der Altbauten getan werden soll. Allerdings muss man beachten, dass der Eingriff in das Eigentum eines anderen ein gewichtiger Eingriff ist. Die bloße Tatsache, dass es sich um einen Schandfleck handelt, reicht dafür nicht aus. Nur wenn Gefahr im Verzug ist, ist dies möglich.“

Besser als Fördermittel und einen Eingriff durch die Stadt fände er, wenn Anreize für Investitionen geschaffen werden würden. „Fördermittel, die zurückverlangt werden, bringen nichts. Dies haben wir bei der Fluthilfe erlebt“, sagt Keiler.

Dass es bei solch einem Programm bestimmte Stolpersteine geben könnte, vermutet auch Heiko Lorenz von der Sächsischen Volkspartei: „Ich persönlich bin der Meinung, dass jeder Eigentümer diese Förderung gerne annimmt. Die Frage ist nur, werden die Eigentümer sich finanziell beteiligen und gegebenenfalls verschulden müssen? Einer Enteignung bei Unwilligen stehe ich sehr skeptisch gegenüber und ob die gesetzliche Lage dafür ausreicht, ist sicherlich noch zu klären.“

Generell sei der Vorschlag des Ministerpräsidenten aber zu begrüßen. So ein Förderprogramm könne, wenn es richtig eingesetzt werde, das Stadtbild zum Positiven verändern. „Sicherlich wird der Großteil der Eigentümer nicht die nötigen Mittel für die Sanierung haben und da ist ein solches Förderprogramm sicherlich genau richtig.“

Abgesehen davon sei in jedem Fall die Bausicherung der sogenannten Schrott-Immobilien sehr wichtig. „Wenn auch hier das Programm greift, ist erst mal die Gefahr für Leib und Leben gebannt“, so Lorenz.