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Eine ganz besondere Gemeinschaft

Die Wohngemeinschaft 6plus4 ist nicht nur außergewöhnlich groß, sondern auch die einzige WG, in der behinderte und nicht behinderte junge Leute leben.

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© Christian Juppe

Von Nadja Laske

Der Schokobrunnen sprudelt schon. Obst häuft sich üppig auf dem Teller daneben. Salate stehen bereit, bald wird das Buffet eröffnet. Die zehn WG-Mitglieder der Wohngemeinschaft „6plus4“ haben etwas Großes zu feiern: den Einzug in ihr neues Heim, das ein ganz besonderes ist.

WGs gibt es viele in Dresden. Aber in keiner sonst wohnen behinderte und nicht behinderte junge Leute zusammen. Die Idee dazu wuchs aus dem Wunsch, trotz Handicaps ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. In der Lebenshilfe Dresden fanden die beiden WG-Gründer einen wichtigen Begleiter, ebenso im Verein Cerebrio, in Sponsoren und vor allem in den rührigen Eltern. Rasch fanden sich weitere Interessenten, sodass am Sonntag sechs Bewohner mit körperlichen oder geistigen Schwierigkeiten und vier Studenten ihre WG-Einweihung feierten.

Bis es so weit war, überlegten, diskutierten, planten alle Beteiligten viele Monate lang. Es galt, passende Räumlichkeiten zu finden, die Finanzierung zu sichern, die Einrichtung zu planen. Inzwischen sind die vier Frauen und sechs Männer im Alltag angekommen.

An den Fronten der großen Gemeinschaftsküche hängen mit Kreide beschriebene Tafeln. Dort steht der Speiseplan gemeinsamer Kochabende: Eierkuchen und Grießbrei. Gemeinsam zu essen, ist kein Zwang, liegt aber allen am Herzen. Auch der regelmäßige Austausch ist wichtig: Wer kauft was ein? Was unternehmen wir bei unserem nächsten WG-Ausflug? Gibt es Sorgen und Nöte? An der Küchenwand erinnern Magnettafeln an Pflichten: Treppe kehren, Bad putzen, Staub saugen. Smileys und Fotos zeigen, welche Betreuer wann Dienst haben. Denn im Alltag und auch nachts erhalten die behinderten Bewohner professionelle Hilfe. Trotzdem haben sich die Studierenden verpflichtet, ebenfalls Ansprechpartner für sie zu sein.

Stephan begrüßt die ersten Gäste. In seiner Freizeit gibt er Führungen im Hygienemuseum, deshalb haben ihn seine Freunde auch damit betraut, Neugierigen die rund 300 Quadratmeter große Wohngemeinschaft zu zeigen. Die Türen zu picobello aufgeräumten Zimmern stehen offen. Dass die Ordnung nicht bei jedem immer so vorzeigbar ist, gibt Stephan mit verschmitztem Lachen zu. Doch heute ist ja auch ein besonderer Tag.

Es war ein weiter Weg mit hitzigen Debatten und reichlich Kampf. Doch der Plan ist aufgegangen, das Konzept funktioniert. „Wir fühlen uns alle sehr wohl“, sagt Stephan und reicht Christian Stoebe von der Lebenshilfe Dresden feierlich die Hand: „Es ist toll, dass du uns so geholfen hast.“