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Eine Kapelle für Rathmannsdorf

Ein Verein möchte 2011 den Neubau eines Gotteshauses finanzieren. Gründe dafür gibt es einige.

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Von Lars Kühl

Noch ist der Platz neben dem Getränkemarkt gegenüber dem Rathmannsdorfer Bahnhof im Ortsteil Wendischfähre ein tristes Fleckchen, mit dem Taubenhaus und dem Eiskeller, die beide demnächst abgerissen werden sollen. Doch Bürgermeister Reiner Hähnel (CDU) will dort jetzt allen Ernstes eine Kapelle hinbauen lassen.

Das Gebetshaus soll 6,34 Meter hoch, 5 Meter lang und 3,60 Meter breit werden. Die Pläne liegen Hähnel bereits vor, genau wie ein Modell, das er zum 70. Geburtstag geschenkt bekam. Als Vorbild dient eine Kapelle im Pitztal in Tirol. Der Bürgermeister der Partnergemeinde Hergensweiler am Bodensee, Georg Betz, hatte ihm den Tipp gegeben. Im Sommer 2009 machte sich Hähnel selbst ein Bild davon.

Im Januar soll nun der Verein „Freundeskreis der Gedächtniskapelle Rathmannsdorf“ gegründet werden. Die veranschlagten Kosten von 10000 bis 15000Euro sollen über Spenden finanziert werden. 3000Euro sind bereits da. Genau wie das Weihwasser – ein Obstler – und ein Fenster, beides Gaben vom Bodensee. Da die realen Kosten höher sind, soll viel in Eigenleistung gemacht werden. Hähnels ehrgeiziges Ziel: Die Kapelle soll nächstes Jahr fertig sein, am besten bis zum Tag der Einheit am 3.Oktober. Die Kapelle soll konfessionslos sein, sowohl der evangelische als auch der katholische Bischof Sachsens wollen das Gotteshaus weihen.

Ein Bauantrag wurde beim Landratsamt gestellt, alle Fristen verstrichen, deshalb ist laut Hähnel keine Genehmigung mehr notwendig.

Da der Gemeinde der Titel „Anerkannter Erholungsort“ in diesem Jahr – unter anderem wegen des miserablen Zustandes der Staatsstraße163 – aberkannt wurde, versucht Rathmannsdorf sich neu zu positionieren. Das Sächsische Wirtschaftsministerium hat empfohlen, sich mit der Landesdirektion in Verbindung zu setzen, um ins Verzeichnis „Ausflugs- und Wallfahrtsorte“ aufgenommen zu werden. Allerdings besteht da laut Hähnel noch Gesprächsbedarf, um die Bedingungen abzuklopfen.

„Die Idee der Kapelle schlummert schon lange in mir“, erzählt der umtriebige Ortschef. Dabei ist die nicht einfach sein persönlicher Spleen. Gründe, warum ein Gotteshaus gerade in Rathmannsdorf errichtet werden soll, gebe es genug.

Hähnel zählt auf: Am Rathmannsdorfer Bahnhof endete in den letzten Zügen des Zweiten Weltkrieges für viele Vertriebene die Flucht, weil die Brücke über die Elbe vermint war und nicht überquert werden durfte.

Außerdem soll die Kapelle auch der Häftlinge des Konzentrationslagers Flossenbürg, das im Rathmannsdorfer Ortsteil Gluto eines seiner 94Außenlager hatte, gedenken. Die mussten auf ihrem Todesmarsch am angedachten Kapellenstandort vorbei.

Ein Hauptanliegen ist für Hähnel aber auch, „an die graue Vorzeit zu erinnern“. So sollen, erzählt er, bereits im 14.Jahrhundert Katholiken aus dem Zittauer Raum als Wallfahrer über Rathmannsdorf/Wendischfähre, weiter durch den Rietzschgrund, nach Graupen, dem heutigen Krupka in der Tschechischen Republik, zur Kirche Maria-Schein gepilgert sein.

Rathmannsdorf erwies sich in der Vergangenheit zudem immer wieder als Knotenpunkt. Hähnel erinnert an die Wegsäule von 1833 in der Ortslage Höhe, wo unter anderem die Fußwege nach Bad Schandau und Wendischfähre abzweigten und die Fahrstraße nach Porschdorf vorbei führte.

Selbst zu DDR-Zeiten ging der internationale Wanderweg „Eisenach–Budapest“ durch, vom Kurort Rathen über Porschdorf nach Rathmannsdorf und weiter nach Bad Schandau, Schmilka und Hrensko.

„Wenn die Kapelle errichtet ist, ist es ein markanter Meilenstein“, sagt Hähnel und behauptet sogar: „Meines Wissens wäre das nach der Einheit Deutschlands in Sachsen der erste sakrale Neubau.“