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Eine Liebeserklärung an den Weesenstein

Carlo Böttger fotografierte das Schloss im Müglitztal für einen Bildband. Damit endet ein großes EU-Projekt.

Von Thomas Morgenroth
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Farbenpracht mit Sternenhimmel: Die katholische Hauskapelle auf Schloss Weesenstein ließ Prinz Johann von Sachsen Mitte des 19. Jahrhunderts im ehemaligen Waschhaus einrichten. 2001 wurde sie aufwendig restauriert.
Farbenpracht mit Sternenhimmel: Die katholische Hauskapelle auf Schloss Weesenstein ließ Prinz Johann von Sachsen Mitte des 19. Jahrhunderts im ehemaligen Waschhaus einrichten. 2001 wurde sie aufwendig restauriert. © Foto: Carlo Böttger

Weesenstein ist eine „Perle aus Sachsens Krone“. So wirbt das Schloss im Müglitztal für sich, ohne damit zu übertreiben, Diese Schlagzeile ist auch der Titel eines neuen Bildbandes, der die Schönheit des vor 700 Jahren erstmals erwähnten Anwesens und seine Sammlungen ins wohlverdiente rechte Licht rückt. Das großformatige Buch lebt vor allem von den mehr als einhundertzwanzig qualitätsvollen Farbfotografien, die Carlo Böttger aus Sachsen-Anhalt mit wachem Blick und Sinn für schöne Details aufgenommen hat.

Zwei Jahre lang ist der Fotograf aus Tröglitz im Burgenlandkreis immer wieder ins Müglitztal gekommen, hat Schloss und Park, die er zuvor nur von Bildern kannte, zu allen Jahreszeiten erkundet. Carlo Böttger, Jahrgang 1955, arbeitete nicht im Verborgenen: In seinem roten Overall war er stets gut auszumachen. Den „Strampelanzug“, wie ihn seine Frau scherzhaft nennt, trägt Böttger aus praktischen Gründen. Da rutschte eben kein Hemd aus der Hose, als er sich auf den Marmorfußboden legte, um die bemalte Decke im Salettchen ins Bild zu bekommen, und er musste nicht aufs feine Tuch Rücksicht nehmen, als er hinter dem Café Kaiserstüb’l den Berg bestieg, um eine malerische Winterlandschaft mit Schloss Weesenstein aufzunehmen.

Carlo Böttger, ursprünglich Diplomingenieur für Elektrotechnik und als Fotograf Autodidakt, hatte sich unter anderem mit großen Ansichten barocker Schlösser und Gärten, die den Sommer über in der Oberen Orangerie im Barockgarten Großsedlitz zu besichtigen sind, für den Auftrag in Weesenstein empfohlen. Aber auch mit Bildbänden wie zur Dom- und Residenzstadt Zeitz hat er sich mittlerweile einen Namen gemacht. Und jetzt kommt nicht weniger als eine Liebeserklärung an das Lieblingsschloss König Johanns hinzu, ergänzt um fotografische Exkurse nach Großsedlitz, Lauenstein und Dečin.

Böttger fotografiert meistens mit der digitalen Mittelformatkamera Phase One und einem schwingungsdämpfenden Berlebach-Stativ aus Eschenholz. Das sorgt nicht nur für brillante Schärfen im Bild, sondern ermöglicht auch Aufnahmen mit langen Belichtungszeiten. Das war im mitunter dusterem Schloss von unschätzbarem Vorteil: „Ich fotografiere grundsätzlich mit dem vorhandenen Licht, ohne zusätzliche Lampen oder Blitze.“ Der wärmeren Stimmung wegen hat er manchmal lediglich ein paar Kerzen angezündet und durfte das sogar am Kronleuchter im Wohngemach der Königin Amalie, in dem offenes Licht sonst verboten ist.

Der Fotograf Carlo Böttger trägt bei der Arbeit aus praktischen Gründen meistens einen roten Overall, daran war er auch auf dem Weesenstein immer gut zu erkennen. 
Der Fotograf Carlo Böttger trägt bei der Arbeit aus praktischen Gründen meistens einen roten Overall, daran war er auch auf dem Weesenstein immer gut zu erkennen.  © Foto: Carlo Böttger

Böttgers Stillleben, auf die Anwesenheit von Menschen in seinen Bildern hat er bewusst verzichtet, setzte Gestalterin Simone Antonia Deutsch vom Dresdner Sandstein Verlag so in Szene, dass es eine Lust ist, in die bildgewaltige Welt des Weesensteins einzutauchen. Selbst internationale Liebhaber des Schlosses finden sich in dem Buch zurecht: Die Texte von Schlossleiterin Andrea Dietrich und Kustodin Birgit Finger wurden ins Tschechische und Englische übersetzt. Druck und Verarbeitung sind tadellos, beides übernahm die Firma Finidr in Český Těšín in Mähren.

Das Buch setzt den Schlusspunkt unter das von der Europäischen Union mit insgesamt 1,4 Millionen Euro geförderte grenzüberschreitende Projekt „Adelsschätze – Die Lust am Sammeln in Sachsen und Böhmen“, das die Schlösser Weesenstein und Dečin von 2016 an drei Jahre lang mit Leben erfüllt haben. Das öffentliche Interesse war groß: Projektleiterin Andrea Dietrich spricht von mehr als 110000 Besuchern auf dem Weesenstein und rund 45000 im Schloss Dečin, die sich die „Adelsschätze“ nicht entgehen lassen wollten.

Publikumsträchtig waren naturgemäß die Sonderausstellungen. Der Weesenstein widmete sich zum Beispiel den sächsischen Staatsgeschenken, Festen und Bräuchen in Sachsen und Böhmen, den Reisen Prinz Johanns von Sachsen in den Orient und in diesem Jahr dem Kunstversteck Weesenstein im Jahre 1945. Dečin indes befasste sich mit dem Interieur der Schlossräume, der Geschichte der Bierflasche und der Schlossbibliothek, die neu eröffnet wurde. Hinzu kamen ein Symposium, Vorträge zur Geschichte, Konzerte, Filmvorführungen und eine Wanderausstellung.

Im Rahmen des Projektes standen nicht unerhebliche Mittel für Restaurierungen von notleidenden Adelsschätzen zur Verfügung, die, sagt Andrea Dietrich, sonst nicht möglich gewesen wären. Schloss Weesenstein konnte unter anderem zwanzig Ölgemälde, zwei Panoramatapeten, zwölf Lampen und Leuchter, mehr als fünfzig Möbelstücke wie Tische, Stühle, Spiegel und Sessel sowie ein Album mit Visitenkarten der königlichen Familie aufarbeiten lassen.

Von bleibendem Wert sind zudem die Publikationen, wie der Tagungsband „Adelsschätze“, die Broschüren zu den Ausstellungen „Ein Prinz im Orient“ und „Bombensicher!“ sowie, als Krönung, der Prachtband „Perle aus Sachsens Krone“.

„Perle aus Sachsens Krone“, Hg. Schloss Weesenstein, Sandstein-Verlag Dresden, 168 Seiten, 170 Abb., im Museumsshop 19,90 Euro, im Buchhandel 24,90 Euro.
„Perle aus Sachsens Krone“, Hg. Schloss Weesenstein, Sandstein-Verlag Dresden, 168 Seiten, 170 Abb., im Museumsshop 19,90 Euro, im Buchhandel 24,90 Euro. © Repro: SZ