Von Marcus Scholz
Dort, wo sich eigentlich Löbaus Stadträte in ihren monatlichen Sitzungen die Köpfe heiß reden, muss Michael Pohl dieser Tage einen kühlen Kopf bewahren. Der Bautzener Restaurator ist nämlich damit beauftragt worden, dem Wandgemälde im Löbauer Ratssaal den letzten Feinschliff zu verpassen, finale Pinselstriche zu setzen und das Bild zu reinigen.

Das 95 Jahre alte Wandbild wieder auf Vordermann zu bringen, ist eine der letzten Arbeiten, die im Ratssaal noch gemacht werden müssen. Danach rückt der Tag immer näher, an dem Löbaus Stadtrat endlich wieder im Rathaus tagen kann. Dessen letzte Sitzung im altehrwürdigen Saal ist schon viele Monate her. Während der Sanierung sind Löbaus Räte ins Kulturzentrum der Johanniskirche ausgewichen. Nun rückt die erste Sitzung in neuen Ambiente immer näher. „Am 1. September soll es so weit sein“, sagt Löbaus Haupt- und Ordnungsamtsleiter Guido Storch. Dann muss sich Löbaus Stadtrat an eine völlig neue Sitzordnung gewöhnen. Bisher haben Oberbürgermeister Dietmar Buchholz (parteilos), seine Fachamtsleiter und die Mitglieder der einzelnen Fraktionen aus CDU, FDP, Bürgerliste und Linke wie in der Schule in Reihe gesessen. Das ändert sich nun. „Der Stadtrat sitzt künftig in einem Rund“, so Guido Storch. 32 separate Tischsegmente werden dabei zu einem großen, runden Tisch zusammengefügt. Jedes Stadtratsmitglied bekommt dabei ein eigenes Segment zugesprochen. Davon ausgenommen ist OB Buchholz. Als Stadtoberhaupt stehen ihm zwei Tische zu. Hinter der neuen Sitzordnung steckt derweil eine ganz bestimmte Absicht. Denn im Vergleich zur früher können sich Löbaus Stadträte jetzt auch während ihrer Diskussionen, Abstimmungen und Beschlüsse gegenseitig in die Augen sehen. „Das fördert den Demokratiegedanken“, so Hauptamtsleiter Storch. Und ganz nebenbei würde man außerdem zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Denn nicht nur der demokratische Gedanke wird mit der neuen Ordnung gestärkt, sondern auch die Aufmerksamkeit der Stadträte. „Jetzt sind alle gezwungen, sich auf die Ratssitzungen zu konzentrieren“, sagt Storch. Gelangweiltes Tippen am Laptop, geistige Abwesenheit oder Spielen mit dem Handy sollen nun der Vergangenheit angehören.
Damit sowohl Stadträte als auch Besucher gern zu den monatlichen Tagungen erscheinen, hat die Stadt neben der Restaurierung von Hölzern, Gemälden und Deckenmalereien auch ein Stück weit Moderne in den Raum einziehen lassen: So bekommt zum Beispiel jedes Mitglied des Stadtrates ein eigenes Mikrofon in seinem Tisch verbaut. Mit Hilfe eines Beamers können demnächst außerdem Tagesordnungen oder Beschlussvorlagen von der Zuschauerempore direkt an eine Leinwand, die sich hinter Oberbürgermeister Buchholz ausfahren lässt, geworfen werden. Das hat es bisher nicht gegeben und bietet den Zuschauern nun die Möglichkeit, näher an den Themen der Stadträte dran zu sein. Für sämtliche Technikspielereien sei laut Guido Storch etwa ein Kilometer Datenkabel im Ratssaal verlegt worden. In den Fußboden sind zudem zehn Tanks eingebaut worden, in denen alle notwendigen Kabel und Anschlüsse zusammenlaufen.
Um die Tanks einzulassen, ist aber erst einmal eine Menge Vorarbeit nötig gewesen. So musste an einigen Stellen der komplette Boden abgetragen, ausgeglichen und wieder neu aufgebaut werden. „Teilweise hat der Fußboden bis zu zwölf Zentimeter Höhenunterschied aufgewiesen“, so Storch. Bei den Arbeiten haben vor allem die Stadtmitarbeiter in den sich darunter befindlichen Räumen keinen Spaß gehabt. „Durch die Löcher in der Decke ist einiges an Staub und Dreck nach unten gerieselt“, sagt Stadtsprecherin Eva Mentele.
Mittlerweile ist der Ratssaal kaum noch als Baustelle auszumachen. Einzig das kleine Gerüst von Michael Pohl zeugt noch davon. Aber auch das soll noch in dieser Woche verschwinden. Danach müssen nur noch Technik, Türen und die grünen Fenstervorhänge aus Samt getreu historischem Vorbild eingebaut werden. Letzteres allerdings erweist sich als schwierig. Denn die speziellen Gardinenstangen, die zum Aufhängen der Vorhänge notwendig sind, werden kaum noch hergestellt. In Deutschland sind sie nirgends mehr zu finden. „Die für die Vorhänge zuständige Firma hat die Gardinenstangen schließlich in Frankreich entdeckt“, so Guido Storch. Die Komplettsanierung des Ratssaals kostet insgesamt mehr als 230 000 Euro. Ein Großteil davon finanziert die Stadt über Fördermittel. Nur eine kleine Summe muss aus der Stadtkasse abgezweigt werden.
Im Jahr 1891 ist der Saal für etwa 20 000 Mark gebaut worden. Das entspräche heute rund 128 000 Euro. Nur ein Jahr danach haben Löbaus Stadträte zum ersten Mal in dem Raum getagt. Diese lange Tradition soll nun in ein paar Wochen weitergeführt werden.