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Eine Sirene für alle Jahreszeiten

Die Pirnaerin Katharina Spaniel ist an der Staatsoperette Madame Dindon. Die Sängerin tritt damit aus dem Chorschatten heraus.

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© Daniel Förster

Von Daniel Förster

Pirna. Katharina Spaniel bleiben hinter der Bühne nicht einmal anderthalb Minuten Zeit. Dann ist die Operettensängerin aus Pirna wie ausgewechselt. Nicht nur optisch, sondern auch vom Wesen her gibt sie einen völlig anderen Menschen. „Dann breche ich aus und lasse die Hüllen fallen“, sagt sie. Im weißen, glitzernden Korsagenkleid, mit einem schwarzen Federpuschel auf dem Kopf stolziert sie elegant in High Heels die Showtreppe hinab. Durch eine großmaschige Strumpfhose zeigt sie viel Bein. Im blauen Scheinwerferlicht flippt sie aus, räkelt sich grazil. Der Conférencier kündigt sie dem Publikum als Star der Zukunft an. Die „Sirene für alle Jahreszeiten“ bekommt vom Publikum Applaus.

Am Freitagabend, 29. Januar, feierte Katharina Spaniel im „La Cage aux Folles“ (Ein Käfig voller Narren) an der Staatsoperette Dresden Premiere. Im Welterfolgs-Musical spielt die Sopranistin Madame Marie Dindon, die spießbürgerliche Ehefrau an der Seite des erzkonservativen Politikers und Sittenwächters Edouard Dindon. Zum Schluss – man staunt – ist sie im Travestie-Club ein Showgirl außer Rand und Band.

„Es ist eine grandiose Rolle, die mir liegt und mit der ich gut zurecht komme“, sagt die Künstlerin. „Als mir die Intendanz sie angeboten hatte, war ich sofort Feuer und Flamme.“ Für die klassische Sängerin ist es nach einiger Zeit auch „mal wieder eine größere Rolle“, die vor allem ihr schauspielerisches Talent fordert. „Mir gefällt es, aus dem Schatten des Chores herauszutreten.“

Zunächst erscheint die 42-Jährige aus Copitz als doch sehr unterdrückte Politiker-Gattin mit devoten Zügen, die unter ihrem ziemlich groben Ehemann leidet, aber in der Öffentlichkeit Haltung bewahrt und so den Schein aufrechterhält. Durch eine gewisse Aufmüpfigkeit blitzen schnell Risse in der bürgerlichen Fassade auf. Später ist sie eine Frohnatur, die als Nachtclub-Girl verkleidet die Puppen tanzen lässt. „Wer mich kennt, weiß, dass ich privat auch eher ein fröhlicher Mensch bin und zur Ulknudel neige.“ Ein Punkt, der ihr wahrscheinlich auch zu der Rolle verhalf.

Styling ganz nebenbei

Und doch musste sich die Mutter zweier Kinder erst daran gewöhnen, eine Showdiva zu sein. „Die Attitüde musste ich mir erst einmal erarbeiten.“ Eine Herausforderung war auch die Kleidung. „Ich bin eher ein sportlicher Typ. Zu Hause trage ich weder eine Korsage noch High Heels. Gerade mit den Schuhen und den sehr hohen Absätzen habe ich oft das Laufen geübt. Um nicht zu stürzen, muss ich meine Füße ganz anders belasten.“ Zwei Ankleiderinnen und eine Maskenbildnerin helfen ihr in Sekundenschnelle, sich zu verwandeln. „Ganz nebenbei bekomme ich die Haare gestylt und neues Make-up.“ Auch das wurde geübt, bis jeder Handgriff sitzt. Inzwischen ist das Routine.

„La Cage aux Folles“ (Ein Käfig voller Narren) ist „hübsch inszeniert“, sagt Spaniel. In einer bunten Show mit viel Witz und Charme rund um den glitzernden Travestie-Show-Star Albin alias Zaza und seinen homosexuellen Lebenspartner Georges werden zwei Liebesbeziehungen auf die Probe gestellt. Die beiden betreiben in Saint Tropez einen Travestie-Nachtclub. Georges, der sich früher für Damen interessierte, hat einen Sohn. Der ist bei den Männern groß geworden. Nun erwachsen, will er heiraten – ausgerechnet in ein erzkonservatives Elternhaus. Als der strenge, bürgerlich-konservative Vater und die Mutter der Verlobten die Eltern des zukünftigen Schwiegersohnes kennenlernen wollen, sollen die Patchwork-Verhältnisse verheimlicht werden. Nach großen Wirren und viel Komik kündigt sich jedoch ein Happy End an.

Hoffnung auf Pirnaer Auftritt

Auch als Darstellerin ist Katharina Spaniel von der Rolle fasziniert. Biete das optische Feuerwerk doch nicht nur ein Rausch an Farben und Kostümen zu mitreisender Musik, sondern gebe es auch Anstöße zum Nachdenken. „Mich berührt vor allem der Mascara Song, den Albin (Zaza) singt, als er allein ist und sich schminkt, und eine Gefühlswelt über ihn hereinbricht, die zeigt, wie es Künstlern abseits der Show geht.“

Nachdem jetzt der Premierenstress so langsam verflogen ist, kehrt sie zurück in die Chorreihe, denkt aber schon an neue Projekte. „Ich würde gern mal bei Tom Pauls in seinem Theater auftreten – einen Soloabend geben oder vielleicht auch mit ihm gemeinsam“, wünscht sie sich. Und das dürfte nicht ganz aussichtslos sein. Beide haben bei „My Fair Lady“ zusammen in der Staatsoperette auf der Bühne gestanden. „Wir kennen uns gut.“ Vielleicht klappt es ja mal. „Das wäre schön.“