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Eine Stimme gegen den Judenhass

Die Linke fordert einen Antisemitismus-Beauftragten für Sachsen. Wie realistisch ist eine Umsetzung der Idee?

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© Robert Michael

Von Thilo Alexe

Antisemitismus hat viele Facetten. Nimmt man die juristisch fassbaren, zählt Volksverhetzung zu den häufigen. 19mal registrierte die sächsische Polizei im vergangenen November gebrüllte und gegen Juden gerichtete Parolen oder im Netz veröffentlichten Hass. Dazu kommen noch eine Körperverletzung, das Verwenden verbotener Neonazi-Kennzeichen sowie mehrere Fälle von Sachbeschädigung. Meist geht es dabei um antisemitische Sprüche, die an Häuser geschmiert werden.

Monat für Monat fragt die Linkenabgeordnete Kerstin Köditz diese Delikte von der Staatsregierung ab. 2016 zählte die Polizei mehr als 100 solcher Straftaten im Freistaat. Das ist ein Grund, warum die Fraktion von Köditz sich für einen sächsischen Antisemitismusbeauftragten stark macht.

Er soll, so heißt es in dem von Fraktionschef Rico Gebhardt unterzeichneten Antrag, den von antisemitischen Angriffen Betroffenen „eine Stimme geben“. Angesiedelt wird der Beauftragte nach Vorstellung der Linken in der Staatskanzlei, um die Bekämpfung des Antisemitismus aber auch Präventionsarbeit innerhalb der Regierung zu koordinieren. Geplant ist die Beratung von Lehrern, Vereinstrainern und Polizisten – jenen, die mit Judenfeindlichkeit im Alltag konfrontiert sind. Vorgesehen ist zudem ein beratender Beirat. Jährlich soll der Beauftragte einen Bericht vorlegen, der Erfolge und Schwerpunkte benennt.

Die sächsische Linksfraktion bezieht sich mit der Forderung auf eine Entscheidung des Bundestages. Dieser hatte Mitte Januar die Schaffung des Amtes des Antisemitismusbeauftragten im Bund beschlossen. Er soll unter anderem Ansprechpartner für jüdische Organisationen, aber auch für Bundesländer sein, die sich im Kampf gegen Judenhass engagieren wollen.

Die Forderung der Linken erzeugt ein zurückhaltendes Echo – auch wenn alle Landtagsfraktionen einhellig Antisemitismus verurteilen. Die Grünen finden die Einsetzung eines Beauftragten auf Landesebene folgerichtig und loben, dass Rheinland-Pfalz das bereits beschlossen hat. Allerdings sieht die Abgeordnete Petra Zais „deutlichen Diskussionsbedarf“, was die Details angeht. Sie plädiert dafür, den Experten wie etwa die Landesbeauftragten für Ausländer und Datenschutz beim Landtag, nicht in der Regierung anzusiedeln.

Die AfD beklagt Antisemitismus, der nach ihrer Auffassung „durch die CDU-Führung“ importiert wurde. Fraktionschef Jörg Urban ergänzt: „Antisemitismus muss in jeder Form bekämpft werden. Es würde bereits deutlich helfen, den Zuzug fanatischer Judenhasser aus dem Nahen Osten zu stoppen, statt neue Bürokratie zu schaffen.“ Den Linkenantrag sieht er skeptisch, vermutet darin „die Instrumentalisierung einer neuen Planstelle für den ominösen Kampf gegen rechts“.

Judenhass jedenfalls kommt von Rechtsextremisten sowie von in Deutschland lebenden Islamisten. Der sächsische Verfassungsschutz weist in seinem Jahresbericht darauf hin, dass in der Neonazi-Szene Holocaustleugnung zentrales Element sei. Auch Islamisten nähmen Juden als „Erzfeinde des Islams und der Muslime“ wahr, schreiben die Verfassungsschützer in einem Kapitel zu aktuellen Entwicklungen in den Extremismusbereichen.

Der CDU-Rechtsexperte Martin Modschiedler betont: „Vor dem Hintergrund der Shoah, der Entrechtung und der Ermordung von sechs Millionen europäischen Juden, tragen wir auch in Sachsen eine besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus.“ Diese nähme Sachsen dadurch wahr, dass es Polizei und Justiz im Kampf gegen Extremismus stärke. Modschiedler kritisiert zudem, dass sich die Bundestagslinke bei der Abstimmung im vorigen Monat enthalten habe.

Ein Grund: Die Fraktion lehnt den Passus ab, der die Länder zur raschen Ausweisung von Ausländern auffordert, wenn diese antisemitisch auffallen. Das sei Sonderrecht. Der Dresdner CDU-Abgeordnete empfindet es als scheinheilig, wenn die Linke in Sachsens Landtag nun einen solchen Beauftragten fordert.

Der SPD-Politiker Henning Homann wünscht sich eine enge Zusammenarbeit mit dem Beauftragten des Bundes, der noch nicht benannt ist. Sachsen engagiere sich unter anderem mit dem Programm weltoffenes Sachsen gegen Antisemitismus. All diese Statements machen klar: Der Landesbeauftragte kommt nicht. Die Mehrzahl der im Landtag vertretenen Parteien bevorzugt andere Maßnahmen, um Judenhass entgegenzutreten.