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Eine Straße mit Geschichte

Unvergessen: Die SZ erinnert an Orte, die in Zittau jeder kannte und noch heute kennt. Heute: Die Äußere Weberstraße.

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© Heike Schwalbe

Von Heike Schwalbe

Zittau. Früher war die Äußere Weberstraße die belebteste Vorortstraße Zittaus und auch eine der beliebtesten dank ihrer Restaurants, des Kinos und der Vielfalt der Läden. Vieles ist heute kaum wiederzuerkennen oder in gleicher oder abgewandelter Form zu finden.

Diese säumten noch 1905 die Äußere Weberstraße.
Diese säumten noch 1905 die Äußere Weberstraße. © privat
Zeugen der Vergangenheit: Ein Kartenschalter im Kronenkino...
Zeugen der Vergangenheit: Ein Kartenschalter im Kronenkino... © Heike Schwalbe
sowie eine Entfernungssäule zwischen Äußerer Weberstraße und Neusalzaer Straße.
sowie eine Entfernungssäule zwischen Äußerer Weberstraße und Neusalzaer Straße. © Heike Schwalbe

Bis 1919 war entlang der Äußeren Weberstraße bis zur Haltestelle an der Hartigstraße die „Blaue Linie“ der Zittauer Straßenbahn unterwegs. In früheren Zeiten gehörte ein Teil davon zur legendären, bis nach Saßnitz führenden Fernverkehrsstraße 96 (heute B 96). Seit 1965 galt das jedoch nur noch stadteinwärts, da dieser Straßenabschnitt Einbahnstraße wurde.

Gegenüber der Kirche befand sich Anfang der 60er Jahre an dieser Kreuzung kurze Zeit Zittaus erste Verkehrsampel mit einem sechseckigen Holzpavillon für einen Verkehrspolizisten. Später folgte die bis heute andauernde Zeit der Linienbusse: Allein die Stadtbusse haben an der Äußeren Weberstraße vier Haltestellen. Früher war diese Straße zum größten Teil gepflastert, heute ist sie durchgehend asphaltiert. Auch Alleebäume säumten einst die Fahrbahn. Diese verschwanden jedoch mit jeder Baumaßnahme mehr.

An der Weberkreuzung steht ein markantes, um 1900 erbautes, Eckhaus mit einem goldenen Hirsch hoch oben im Giebel. Hier wurden zu DDR-Zeiten Pullover und Wäsche im Konsum-Geschäft parterre gekauft. Heute ist hier die Geschäftsstelle einer großen Partei. Im Haus gegenüber befand sich früher die Kaffeerösterei Knothe, woran sich nur noch wenige erinnern werden. An der Ecke Neue Straße gab es einst eine Eisdiele, in der nicht nur unten, sondern auch oben in einer Galerie Sitzplätze vorhanden waren. Und gegenüber befand sich das größte Hotel Zittaus, das „Volkshaus“. Im früheren „Drei Kronen“, mit Restaurant, Barstube und einem großen Saal, fanden einst viele Tanzveranstaltungen, Bälle und Feiern, Ausstellungen, Modenschauen und sogar Boxkämpfe statt. Heute bietet hier ein Verein wieder Veranstaltungen an. Auf der anderen Straßenseite steht ein um 1910 erbautes hohes Gebäude, in dem sich der Eingang zur „Filmbühne“ der DDR-Zeit, heute wieder „Kronenkino“, befindet, das von einem soziokulturellen Zentrum betrieben wird. Etwas weiter stadtauswärts stand das Etablissement „Stadt Rumburg“, welche Hotel, Gaststätte, Ställe, Garagen und Kegelbahnen beheimatete. 2006 musste es einem Parkplatz weichen.

Die Rathenaustraße ist erreicht, wo früher einmal das Weberendtor stand, und im Eckgeschäft des Gründerzeitgebäudes fand man ein umfangreiches Sanitärangebot. Gleich daneben entstand in den 1960er Jahren ein Hausneubau mit HO-Geschäften, der heute wieder leer steht. Zudem stand hier einmal ein kleines, spitzgiebliges, grün verputztes Haus, wo in einem kleinen Lädchen mit Schaufenster Seilereiwaren angeboten wurden. Im Haus 26 gegenüber befindet sich seit 1903 die Marien-Apotheke und daneben war einst die Versuchsabteilung der Robur-Werke. Das Haus 39 sucht man heute vergeblich: Hier befand sich die „Hanemann-Drogerie“ mit schön gestalteten Vitrinen und Schaufenstern. Daneben waren Auto-Böhm und Tankstelle, hier ist noch immer ein Fahrzeughandel. Das Küchenmöbelgeschäft gegenüber zeigte sein Angebot in den großen Schaufenstern. Und in der 43 hat die Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungsgesellschaft (Sowag) ihren Sitz. Auf diesem Areal wurde 1858 das städtische Gaswerk erbaut. Noch zu DDR-Zeiten gab es hier einige Gärtnereien, und auch Tiere wurden gehalten. Darauf deutet ein Podest zur Abholung für Milchkannen hin, welches am Straßenrand stand. Gegenüber an der Tongasse stand früher ein Werk für Karosserie- und Fahrzeugbau. Im Kreuzungsbereich an der Goldbachstraße, in welchem sich heute eine Autowerkstatt und ein Großhandel befinden, wurden viele betagte Häuser abgerissen. Darunter das grüne Eckhaus 46 mit Friseurgeschäft. Hier entstand 1996 das Hotel „Weberhof“. Weiter in Richtung Westen finden sich zwei um 1890 erbauten Villen, zudem fanden sich hier ein längst geschlossenes HO-Lebensmittel-Eckgeschäft, sowie die Konsum-Kaufhalle zwischen Gabelsberger- und Pescheckstraße, an derer statt heute eine Pension steht.

An der Kreuzung Freudenhöhe fließen fünf Straßen zusammen. An der Ecke zur Neusalzaer Straße steht die Kopie eines alten Entfernungssteines der Verkehrsgeschichte. Stadteinwärts beginnt hier die Bundesstraße 96, ein Fußweg führt in den Westpark – eine Grünfläche, an der das 1998 abgerissene Eckhaus mit der Gaststätte „Freudenhöhe“ stand. Hier wird die Äußere Weberstraße zur Nebenstraße. Wo früher Gartenland, eine Spinnerei und ein großes Lebensmittellager waren, steht heute ein bekanntes Restaurant. Ein großes Einkaufszentrum im einstigen Lagerhaus folgt, eine kleine Kaufhalle daneben verschwand dagegen restlos. Gegenüber an der Graf-Yorck-Straße befindet sich Zittaus erstes Neubaugebiet der DDR-Zeit, daneben baute man ein Wohnheim, heute Sitz des DRK-Kreisverbandes. Daran angrenzend stand das Federnwerk, seit Langem stillgelegt und zum größten Teil zurückgebaut. Viele der früheren Häuser sind verschwunden, ebenso die Drogerien, Fleischereien, Spirituosen- und Blumenhandlungen, doch dieser Verlust wird durch die große Kaufhalle aufgefangen.

Alles in allem ist es eine Straße mit Geschichte und Geschichten, denn ganz in der Nähe der Straße, die Peschecks Namen erhalten hatte, lagen die von ihm einst beschriebenen Ursprünge der Stadt Zittau. Die „alte Sitte“ eben.