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Eine Vision für den Neptunbrunnen

Das Kunstwerk liegt versteckt an einer Parkmauer des Friedrichstädter Klinikums. Eine Dresdner Gruppe will das ändern.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Es ist ein unsäglicher Ort für ein wunderbares Kunstwerk – darin sind sich die Autoren des Buches „Dresdens Neptunbrunnen“ einig. Den Grund liefert der Untertitel gleich mit: das verborgene Meisterwerk. Das barocke Bauwerk versteckt sich an einer Mauer, die das Klinikum in der Friedrichstadt umgibt. Oder besser: Es wurde dort versteckt, als Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Bau der chirurgischen Klinik die ungestörte Sicht auf einen der bedeutendsten Brunnen aus dem 18. Jahrhundert verstellt wurde. Versuche, das Bauwerk aus dem Schatten dieses Hinterhofs herauszuholen, gab es seitdem etliche. Baumeister wie Peter Joseph Lenné und Hans Erlwein haben sich schon damals darüber Gedanken gemacht. Mit ihrem Buch, das im letzten Jahr im Dresdner Verlag Schumacher-Gebler erschien, wagt eine Dresdner Gruppe jetzt einen neuen Vorstoß.

So könnte es aussehen, wenn der Neptunbrunnen im Park des Japanischen Palais einen Platz bekommt. Dafür könnte auch eine Replik angefertigt werden.
So könnte es aussehen, wenn der Neptunbrunnen im Park des Japanischen Palais einen Platz bekommt. Dafür könnte auch eine Replik angefertigt werden. © Visualisierung: Buch Dresdens Neptunbrunnen
1898 hatte der Brunnen noch eine andere Kulisse
1898 hatte der Brunnen noch eine andere Kulisse © Buch Dresdens Neptunbrunnen

Friedrich Dieckmann, einer der Hauptautoren des Buches und zugleich Lektor, bezeichnet das Buch als Weckruf. Nicht nur an die Dresdner Bevölkerung und die Politiker, sondern auch an die Denkmalpfleger, „deren Versäumnisse in Bezug auf dieses enorme Bildwerk nicht zu übersehen sind“. Eine zentrale Rolle spielt auch Heidemarie Dreßel, eine freischaffende Plastikerin, die selbst 15 Brunnen gebaut hat und zuletzt 2008 mit einer Panzerkette auf dem Postplatz auf sich aufmerksam machte – ein umstrittenes Denkmal für den Volksaufstand am 17. Juni 1953. Seit 2011 macht sich die Dresdnerin für den Neptunbrunnen stark, brachte damals Menschen zusammen, die an der sehr aufwendigen und teuren Sanierung des Bauwerks beteiligt waren.

Italien für das Japanische Palais

Etwa zehn Mitstreiter aus Kunst und Kultur engagieren sich bis heute dafür, einen geeigneten Ort für den Brunnen zu finden. Aus ihrer Sicht scheint dieser inzwischen auch gefunden zu sein – im Park des Japanischen Palais. „Das Kunstwerk gehört einfach in die Öffentlichkeit“, sagt Heidemarie Dreßel. In dem Park auf Neustädter Seite würde der Brunnen gut mit den barocken Figuren der Hofkirche auf der Altstädter Seite korrespondieren. Und die Künstlerin geht sogar noch weiter: Das Replikat, also die Kopie des Brunnens, sollte Aspekte der heutigen Zeit wiedergeben. Etwa im Material. Denkbar wäre ein Zementguss, also ein künstlicher Stein, erklärt die Expertin.

Der Neptunbrunnen im Park des Japanischen Palais – darin sieht die Gruppe nicht nur eine große Chance für die Neustadt, sondern für ganz Dresden. Insbesondere auch für die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2025. Die Replikat würde mehrere Millionen Euro kosten, schätzt Heidemarie Dreßel. Allerdings spielt dabei nicht nur das Geld eine Rolle. Auch die Denkmalpfleger stünden als Bewahrer des Alten dem Projekt wohl eher skeptisch gegenüber. Heinrich Magirius, Kunsthistoriker und ebenfalls einer der Buchautoren, räumt ein, dass es Ideen gibt, die ungewöhnlich sind, für die man aber offen sein sollte. Er bezeichnet den 1744 von Lorenzo Mattielli errichteten Neptunbrunnen als meisterliches Bauwerk, Heidemarie Dreßel sogar als ebenbürtig dem Trevi-Brunnen in Rom. Was vor allem in der künstlerischen Ausführung begründet liegt. Auf dem rund 40 Meter breiten Wasserspiel im ehemaligen Französischen Garten des Palais Brühl-Marcolini in der Friedrichstadt thront das antike Götterpaar Poseidon und Amphitride, rechts und links liegen die figürlichen Darstellungen der beiden Flüsse Nil und Tiber. Wasser als lebenspendendes Element für den Menschen – das soll jene verborgene Kaskade andeuten.

Noch bleibt die Rückkehr des Neptunbrunnens an einen Ort, an dem das Kunstwerk von Dresdnern und Besuchern wahrgenommen werden kann, eine Vision. Die Gruppe um Heidemarie Dreßel hofft, dass sich weitere Mitstreiter dafür engagieren, sich stark machen, offene Ohren für eine unerhörte Idee zu finden.

Das Buch „Dresdens Neptunbrunnen – Das verborgene Meisterwerk“ ist im Buchhandel erhältlich oder kann auf der Internetseite des Verlags bestellt werden.

www.schumachergebler.de