Von Ralph Schermann
Görlitz. Negativ. Absolut negativ. „Mein Gott, wie hässlich“, entfährt es Betti Eichhorn. Für Eveline Menzel ist es „furchtbar anzusehen“, für Katrin Schütz „passt das ohnehin nicht dran“. Görlitz habe „wohl keine anderen Sorgen oder was?“, fragt Stefan Seifert, und Detlef Lehmann ist überzeugt: „So kann man auch sein historisches Erbe verunstalten.“ Die Rede ist vom geplanten Anbau an die Görlitzer Stadthalle.

Die Rederei findet sich auf Facebook und anderen anonymen Weiten virtueller Stammtische. Zum städtischen Angebot für Informationen zu diesem Thema aus erster Hand im Kulturforum Görlitzer Synagoge verirrt sich am Montagabend indes offensichtlich keiner der Netz-Jünger. Nur jeder zweite der reichlich 200 Stühle ist besetzt. In der Diskussion geht es zwar auch um so manche Kritik am Sanierungsgeschehen der Stadthalle insgesamt, zum Anbau jedoch waren sich fast alle einig: Nützlich. Funktionell. Durchdacht. Her damit.
Nur darum sollte es gehen, ein Info-Abend ausschließlich zu fachlichen Details des Anbaus werden. Dass dann in knapp zwei Stunden doch wieder Finanzierung und nostalgischer Rückblick laut werden, ist dennoch zu erwarten. „Denn zum Anbau selbst ist ja nicht wirklich Neues zu erfahren“, stellt ein Besucher schon nach der ersten halben Stunde fest. Bis dahin hat Bürgermeister Michael Wieler daran erinnert, dass der Anbau für drei Millionen Euro bereits 2012 in seinen Grundzügen ebenso beschlossen wurde wie die Basis-Sanierung der Kulturhalle selbst, eine Studie über das künftige Nutzungskonzept längst vorliegt, alles aber wegen fehlender Fördermittel auf Eis gelegt werden musste.
In der ersten halben Stunde hat Manuel Auster, der für das Projekt verantwortliche Planer, den Anbau auch noch einmal erklärt. Bis auf den Zugang im Obergeschoss werde er fünf Meter von der Stadthalle abgerückt, so dass zur Freude der Denkmalpfleger die Hallen-Fassade erhalten bleibt. Wegen möglicher Hochwasser werde der Anbau auf zwei Ständer gesetzt, in denen Treppenhäuser verlaufen. Dadurch sei er auch unterfahrbar, womit Lkw künftig eine respektable Anlieferzone bekämen. Ein Lift werde in den Anbau integriert, durch den die Stadthalle barrierefreier werde als durch eine aufwendige, teurere Inneneinordnung von Aufzügen. Und der Anbau selbst werte mit einer Nutzfläche von rund 800 Quadratmetern die Stadthalle enorm auf: Endlich gäbe es dann ausreichend Wandelfläche für die Gäste von Großveranstaltungen, erhielte das Haus zudem annehmbare Garderoben und ausreichend Toiletten. Was dabei dann im Haupthaus frei werde, führe zu dringend benötigten Künstlergarderoben, wie sie heute als Standard erwartet werden. Unabhängig von der Nutzung als Wandelfläche sind Abtrennungen für Konferenzen möglich.
Genau aus diesem Grund lehnt Michael Wieler allerdings Vorschläge aus der Görlitzer Hochschule ab, im Anbau die studentische Bibliothek oder gar ein soziokulturelles Zentrum unterzubringen, um eine tägliche Nutzung zu garantieren. „Das würde die eigentliche Nutzung blockieren und die Stadthalle für manche Tagung oder manches Event eher ausschließen“, ist er überzeugt. Ebenso überzeugt winkt er bei allen Fragen ab, ob man sich den Anbau überhaupt leisten könne: „Erstens kostet er nicht mal zehn Prozent der gesamten Investition, zweitens ist davon auszugehen, dass künftige Einnahmen mit dem Anbau schon allein durch die Seminarmöglichkeiten höher liegen als ohne Anbau.“
Die Meinungen im Publikum geben Wieler überwiegend recht. „Man muss investieren, um erhalten zu wollen“, bringt es eine Besucherin auf den Punkt. Richtig sei zudem, dass der nüchterne Anbau als Funktionsarchitektur erkennbar bleibt, also nicht das historische Original nachahmt. Wolle die Stadt die Halle betreiben? Auf keinen Fall – aber man müsse sie soweit ertüchtigen, bis sie interessant für Investoren wird. Nimmt der Anbau nicht weitere Parkplätze weg? Ja, aber man brauche sowieso mehr davon. Möglicherweise auf dem nahen Gelände der ehemaligen Wäscherei. Und wie könnte sich Zgorzelec einbringen? Michael Wieler winkt ab: „Es gibt auf der polnischen Seite keinerlei Interesse.“
Letztlich bleibt aber auch weiterhin alles eine reine Vision. Fragen nach zeitlicher Planung? Schulterzucken. „Es liegt am Geld“, sagt Wieler: „Wir haben keins.“ Es ist kein Fördertopf in Sicht, man sei für laufende Arbeiten angewiesen auf Zuwendungen von Bund und Land, auf Spenden an Stadthallenverein und -stiftung. Das ist nicht neu, aber weithin vergessen: Schon 1979 plante Görlitz einen Anbau mit ähnlichen Begründungen wie heute – auch damals scheiterte die Umsetzung am Geld.
Alfred Theisen von Senfkorn-Reisen setzt da mit der Übergabe einer Spende von 1 600 Euro ein Achtungszeichen. Und Thomas Leder, Vorsitzender des Stadthallenvereins, setzt für 2018 zumindest zwei kleine Pluspunkte: Drei Monate lang soll dann täglich der große Saal mit einer Fotoausstellung zu besichtigen sein. Und im kleinen Saal der Stadthalle werde es bereits eine Veranstaltungsnutzung geben, zunächst allerdings nur als Sommerangebot. Der Grund dafür ist einfach: Eine Heizung fehlt noch. Und wie es sich anfühlt, wenn die Kälte nach den Zuschauern greift, konnte am Montagabend in der Synagoge jeder schonmal erleben.