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Eine Warnung an uns alle

Heute wird Donald Trump US-Präsident. Alle reden über die Risiken. Aber kann das nicht auch eine Chance für unsere Demokratie sein? Gedanken des Dresdner Cellisten Jan Vogler, zu Hause in Sachsen und den USA.

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© Reuters

Jan Vogler

Über Donald Trump schreiben? Oh, Mann! Aber, Moment mal, das müsste doch eigentlich Spaß machen? Endlich mal – wie ein Kritiker über ein vermeintlich misslungenes Konzert – richtig unbeschwert negativ formulieren, und das kommt sicher am Ende auch noch gut an, Trump kann sowieso keiner leiden.

Jan Vogler ist weltweit gefragter Cellist und Intendant der Dresdner Musikfestspiele.
Jan Vogler ist weltweit gefragter Cellist und Intendant der Dresdner Musikfestspiele. © Ronald Bonß

Aber ich kann es nicht leugnen: Ich bin hoffnungslos positiv und tue mich gar nicht leicht mit dem Aufzählen der vielen Schwächen, die der nächste Präsident der USA unzweifelhaft in sich vereint. Das wäre irgendwie auch zu einfach, denn sowieso sind alle Künstler und Intellektuellen gegen Trump, das weiß ja jedes Kind.

Mit Obama war das noch anders, da kamen wir alle ins Schwärmen: Er ist sensibel, intelligent, verantwortlich, gebildet, beherrscht, hat Geschmack, Stil und Humor ... Nur mein Freund James Downey, er schreibt Satire für die TV-Show „Saturday Night Life“, hat sich mit dem letzten Präsidenten beruflich arg gequält: „Er ist wie eine 100 Meter hohe Stahlwand, gründlich glattpoliert und geölt. Der Mann hat einfach keine Schwächen, ein Alptraum für jeden Kabarettisten“, sagt er.

Mit Donald Trump verhält es sich genau umgekehrt: Da kann jeder mitmachen, mitlachen, Witze reißen, ein Festmahl für Satiriker. Apropos Humor: Haben Sie Trump schon einmal lachen sehen? Irgendwie gespenstisch, er lacht nie, schon gar nicht über sich selbst.

Da fällt mir endlich das richtige Zitat zum Anlass ein, der schöne Vers, den auch Bulgakow meinem Lieblingsroman „Der Meister und Magarita“ voranstellt: „Wer bist Du denn?“ – „(Ich bin) Ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ – aus Goethes „Faust“.

Damit wären wir nun endlich auch in dem Fahrwasser, das zur Amtseinführung eines amerikanischen Präsidenten passt. Diabolisch ist Trump schon irgendwie und auch sein skurriles Kabinett aus Milliardären. Das sind alles nicht gerade Lichtgestalten, eher Kobolde, die sich offensichtlich im Gewand eines Samariters wenig wohlfühlen würden. Sie wollen als stark und dynamisch, mächtig und clever gelten. Das vereint sie und macht sie gleichzeitig schwach in einem politischen Amt.

Womit wir beim wichtigsten Thema wären: Was passiert eigentlich, wenn jemand wie Trump und seine Gesellen so unerhört viel Macht in die Hand bekommen? Mein Freund, der Schauspieler Bill Murray formuliert das ungefähr so: „Das sind Zeiten, in denen Charaktere heranwachsen und in denen niemand den Kopf in den Sand stecken sollte, gerade weil wieder einmal klar wird, dass nichts wirklich gesetzt ist in einer lebendigen Welt, in der Menschen – mit all ihren völlig unvorhersehbaren Stimmungen und Gefühlen – die Geschicke anderer Menschen lenken.“ Klingt fast wie eine wichtige Erfahrung.

Ich komme zurück auf das Faust-Zitat und behaupte: Wir brauchen diese Herausforderung. Zu lange haben wir uns auf unseren demokratischen Errungenschaften ausgeruht, gedacht, dass unsere Welt ganz von allein immer toleranter, harmonischer und friedlicher wird. Wir waren überzeugt, dass die von unseren Vorvätern erkämpften Werte ganz automatisch auch für die Zukunft festgeschrieben sind. Dass es reicht, wenn wir ab und zu auf Facebook etwas über Umweltzerstörung oder Menschen in Not posten. Das ist natürlich falsch. Und jeder, der sich für Geschichte interessiert, weiß, dass es immer wieder Rückschläge und Bedrohungen für Fortschritt und Demokratie gab und geben wird.

In diesem Sinne ist Trump vor allem eine Warnung an uns alle und an unsere Passivität, denn ein kleines Stück der Ignoranz mit der „The Donald“ die Welt sieht, steckt auch in uns. Es wäre zu leicht, ihn einfach auf die andere Seite zu stellen. Er hätte schließlich nie Erfolg haben können, wenn wir die frühen Warnungen nicht übersehen und unterschätzt hätten.

Und hier liegt auch die Chance seiner Präsidentschaft: Wir müssen endlich verstehen, dass wir alle Verantwortung für diese gefährdete Welt tragen, dass wir ständig an uns selbst arbeiten und unsere Positionen klar formulieren müssen. Unser Ziel sollte es sein, unsere Mitmenschen mit unseren Ideen und Idealen zu erreichen, unsere Kinder für die vitale Bedeutung unserer Demokratie und die akute Gefährdung unserer Umwelt zu sensibilisieren.

Trump führt uns gleichzeitig mit seinen eigenen Schwächen auch die Schwächen unseres Zeitalters drastisch vor und verschärft die Widersprüche. Helfen, eine bessere Welt zu bauen, wird er nicht. Das müssen wir schon alleine schaffen.

Unser Autor: Jan Vogler, geboren 1964, ist weltweit gefragter Cellist und Intendant der Dresdner Musikfestspiele. Er lebt in Dresden und New York.