Sie sagten kürzlich, lange wollen Sie nicht mehr über die Felsenbühne Rathen reiten. Haben Sie jetzt genauere Vorstellungen vom Zeitpunkt Ihres Abschieds als Old Shatterhand?


Den richtigen Zeitpunkt für ein Ende zu finden, ist immer schwierig. Dieses Jahr bietet sich dafür aber an. Es kommen drei Jubiläen zusammen: 80 Jahre Karl May auf der Felsenbühne, 30 Spielzeiten Karly May mit Jürgen Haase auf der Felsenbühne und mein 60. Geburtstag im Mai. Der eigentliche Grund ist aber, dass es mir zunehmend schwerer fällt, die hohen körperlichen Anforderungen zu stemmen. 35 Jahre Rauferei auf der Bühne sind jetzt genug. Das ist schon fast Leistungssport, was wir dort leisten müssen.
Können Sie das genauer erklären? Was sind die besonderen Herausforderungen, um Old Shatterhand spielen zu können?
Winnetou-Fest
Die Bühne in Rathen ist sehr breit und sehr tief, hat vier Ebenen und steile Treppen. Es sind sehr weite Wege zurückzulegen. Ich muss rauf aufs Pferd und runter vom Pferd, um mich zu prügeln. Pro Spielzeit nehme ich zwei bis drei Kilo ab. Das hält einerseits natürlich fit, belastet andererseits die Gelenke aber sehr. Zwar gibt es keine genauen Altersangaben bei Karl May, aber die etwa gleichaltrigen Winnetous und Old Shatterhands werden auf Mitte/Ende 20 geschätzt. So alt wie meine Söhne.
Wie populär sind die Geschichten von Karl May aus Ihrer Sicht heute noch? Was kann man aus ihnen lernen?
Die neuen Comic-Helden auf Netflix haben die Helden von Karl May zurückgedrängt. Was Karl May damals ausmacht, die Neugier auf ferne Länder und Kulturen, ist heute natürlich kein Thema mehr. Das Smartphone bringt heute die ganze Welt schnell zusammen. Doch der ewige Kampf von Gut und Böse bleibt natürlich auch heute noch bestehen. Das macht Karl May aus und wird immer bleiben.
Haben Sie besondere Erinnerungen an Episoden in der langen Zeit als Winnetou oder Old Shatterhand?
Ich erinnere mich besonders an die Premiere „Schatz im Silbersee“ im Jahr 1984, als Karl May in der DDR erstmalig verlegt wurde und wieder gespielt werden durfte. Das war ein großartiges Erlebnis. Der Zuschauerraum war krachend voll. Die Leute saßen auf Treppen und Felsvorsprüngen. Ich war Winnetou und saß sogar ohne Sattel auf dem Pferd. Es gab so viel Beifall, wie ich es noch nie erlebt hatte. Ein paar Jahre später ist mal ein Pferd in den Orchestergraben gestürzt. Es krachte gefährlich, das Pferd hatte sich aber nur ein paar Kratzer geholt. Unvergesslich für mich war der Privatbesuch von Pierre Brice im Sommer 1988. Sehr zum Unwillen der Kulturoberen der DDR. Da er aber privat kam, konnten sie es nicht verhindern. Es war emotional ergreifend, als er nach der Vorstellung auf der Bühne für den Frieden geworben hat. Er schenkte mir seine Friedenspfeife. Ein Jahr später, noch vor dem Mauerfall, besuchte ich ihn in Bad Segeberg. Ein Fotograf lichtete uns beide ab. Die Bild-Zeitung titelte dann: Winnetou traf seinen ganz roten Bruder.
In der DDR spielte Gojko Mitic die großen Indianerhäuptlinge, vor allem im Fernsehen. Was halten Sie von ihm?
An Gojko schätze ich, dass er immer noch super fit ist. Er ist sehr sportlich, trinkt kaum Alkohol. Er war das Idol meiner Kindheit, und es war etwas ganz Besonderes, ihn als Kollegen zu treffen. Gojko war der Nachfolger von Pierre Brice als Winnetou auf der Bühne in Segeberg. Obwohl er im Westen kaum bekannt war, kam er großartig beim Publikum an.
Wie schätzen Sie aktuell die Situation auf den deutschen Open-Air-Bühnen ein? Sie waren ja selbst einige Jahre bei den Störtebecker-Festspielen auf Rügen engagiert.
Die Herangehensweise ist unterschiedlich. Auf der einen Seite gibt es die Privattheater, die in einer Saison ein einziges Stück spielen, auf der anderen die staatlichen Bühnen, die einen richtigen Spielplan anbieten. Auf der Felsenbühnen Rathen sind es in dieser Saison, glaube ich, acht Inszenierungen. Die privaten können mit nur einem Stück effizienter arbeiten und auch mehr in die Opulenz der Ausstattung investieren.
Hatten Sie schon mal eine größere Verletzung?
Da gab es einige. Ich bin ein guter Kunde bei den Orthopäden. Die folgenschwerste Verletzung war in den 90er-Jahren, als Old Shatterhand und Winnetou den ersten großen Kampf hatten. Bei einer Probe hat mich der damalige Winnetou Olaf Hais mit einem Fußtritt an der Schläfe erwischt. Ich hatte mich nicht tief genug geduckt. Das gab eine schwere Gehirnerschütterung. Ich wurde erst am nächsten Morgen im Krankenhaus Pirna richtig wach. Positiver Nebeneffekt: Dieser Unfall schaffte es deutschlandweit in die Zeitungen. Das gab einen gehörigen Werbeschub für die Inszenierung. Die Verletzungsgefahr ist auch ein Grund für mich, jetzt kürzerzutreten.
Sie bleiben aber der Felsenbühne verbunden?
Ja. Am 8. Juni hat das neue Stück „Das Geheimnis der Hebamme“ nach dem Roman von Sabine Ebert Premiere. Darin spiele ich mal nicht den Guten, sondern einen schlimmen Fiesling, den mordlustigen Raubritter Randolf. Das Stück wird fulminant. Am Ende muss ich zum Abschlusskampf mit dem Haupthelden auch noch mal ran. Aber es ist kein Vergleich mit Old Shatterhand, wo ich ja nur am Rennen bin.
Was ist eigentlich aus der Friedenspfeife von Pierre Brice geworden?
Sie liegt jetzt, und darauf bin ich sehr stolz, in einer Vitrine im Karl-May-Museum Radebeul. Anlass ist das 80. Jubiläum von Karl-May-Stücken auf der Felsenbühne. Zusammen mit meinem ersten Winnetou-Kostüm und der dazu gehörigen Perücke. Sie sind Bestandteile einer Sonderausstellung.
Sie läuft noch bis 1. September.
Mit welchen Gefühlen werden Sie in die letzte Vorstellung als Old Shatterhand am 1. September gehen?
Sicher mit sehr gemischten. Auf der einen Seite bin ich froh, aber auf der anderen wehmütig. Die Figuren Karl Mays waren ja ein sehr wichtiger Teil meines Lebens. Einmal Indianer, immer Indianer.
Das Gespräch führte Ulf Mallek.