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Einmal Spieler, immer Spieler

Günter Rätz war der jüngste Trickfilm-Regisseur der Defa. Auch 60 Jahre später lässt er noch die Puppen tanzen.

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© Christian Juppe

Von Henry Berndt

Ein Apple-Monitor inmitten antiker Möbel. Dank seines Enkels ist Günter Rätz computertechnisch bestens ausgerüstet. Hier in seinem kleinen Arbeitszimmer im Häuschen in Omsewitz bastelt der 82-Jährige noch immer an neuen Trickfilmen. „Da quatscht mir keiner rein“, sagt er. „Ich mach das so, wie ich das haben will.“ Entstehen sollen der abendfüllende Film „Pole Poppenspäler“ und vorher noch ein Kurzfilm zu Tucholskys „Ein älterer aber leicht besoffener Herr“. Erste Sequenzen sind schon fertig. Den Kopf und die Hände seiner Hauptfigur hat er dafür unten in seiner Werkstatt ganz nach alter Trickfilmschule in Szene gesetzt.

Gelernt ist eben gelernt – und Günter Rätz war viele Jahrzehnte lang einer der besten seines Fachs. Von ihm stammen Klassiker des DDR-Fernsehens wie „Die fliegende Windmühle“ (1981) und „Die Weihnachtsgans Auguste“ (1985).

Dabei sollte der gebürtige Berliner eigentlich Maurer werden, so wie sein Vater. Er zog auch eine Ausbildung durch, doch bald schon machten seine Handgelenke schlapp. Eine neue Berufung musste her. Schon als Kind hatte Rätz von seinem Großvater die ersten Handpuppen geschenkt bekommen. Mit zwölf trat er einem Puppenzirkel bei und sammelte Erfahrungen, die ihn später dazu bewegen sollten, alles auf diese Karte und diese Leidenschaft zu setzen. In Babelsberg wurde er zunächst Puppenführeranlernling – für 350 Mark im Monat. Sein Talent blieb den Trickfilmproduzenten nicht lange verborgen. Ab 1954 wurde er als Puppenbauer und -spieler in Filmen eingebunden. Bald zog er nach Dresden, in die Hochburg des Puppenspiels. 1959 wurde er hier zum jüngsten Regisseur der Defa.

Sein erster eigener Film hieß „Teddy Brumm“. Er handelt von einem kleinen Teddy, der von seinem Besitzer Klaus weggeworfen wird, der im Wald auf andere Bären trifft und am Ende doch zurück zu Klaus findet.

In seinen Animationen erweckte Günter Rätz winzige Küken zum Leben, kaum so groß wie Erbsen, bewegte aber auch 2,60 Meter hohe Riesen wie in „Der Trommler“. Einige seiner Produktionen wurden in der DDR auf Eis gelegt, weil manch einer darin womöglich politische Anspielungen hätte erkennen können. „Erledigt, Kühlschrank!“, sagt Rätz dazu.

Wenn er heute am Küchentisch sitzt und in den alten Fotoordnern blättert, dann kennt Günter Rätz noch die Namen aller Wegbegleiter, jeden Film, jede Figur und jede Szene. Fein säuberlich hat er sein ganzes Berufsleben dokumentiert. Gesundheitlich hat Günter Rätz schon bessere Tage erlebt. Jeden zweiten Tag muss er zur Dialyse. Doch Jammern ist nicht sein Ding. Er schaut nach vorn und zurück gleichermaßen gern. Und auch die Gegenwart mit seiner Partnerin Ilse und Hund Jule wärmt sein Herz, mal abgesehen von den ständigen Arztbesuchen.

Nach der Wende wurde das Trickfilmstudio in Dresden dichtgemacht. Die Fähigkeiten und die Kreativität von Günter Rätz blieben dennoch gefragt. Nun wurde er Dozent für Mediadesign und gab bis zu seinem Ruhestand Kurse.

Stets hielt er seit seinem Umzug nach Dresden engen Kontakt zur Puppentheatersammlung in Dresden -- einer der bedeutendsten und größten ihrer Art auf der Welt. In diesen Tagen feiert die Sammlung ihr 65-jähriges Bestehen und würdigt dabei auch Günter Rätz. Lange war er selbst im Vorstand des Vereins und natürlich Puppenspieler. 2003 gründete er die Laienspielgruppe „Die Turmspieler“, führte Regie bei den Stücken und baute in seinem Garten zum großen Teil selbst die Puppen, indem er Styroporköpfe auf Flaschen steckte. Die Gruppe gibt es bis heute, auch wenn er sich zurückgezogen hat.

An seinen neusten Eigenproduktionen arbeitet Günter Rätz vor allem mitten in der Nacht, wenn er mal wieder nicht schlafen kann. Gern drei bis vier Stunden am Stück. Er schläft dann auch gleich im Arbeitszimmer, um seine Ilse nicht zu stören. Die Aufnahmen für die Animation macht er noch immer unten in der Werkstatt.

Wann er mit den Filmen fertig wird, und ob überhaupt jemals, das ist für ihn nicht mehr wichtig. Er will einfach Trickfilme machen, solange es geht. „Das ist mein Leben“, sagt er. „Und der Weg ist das Ziel.“

Alles zum Programm anlässlich des Jubiläums der Puppentheatersammlung am Freitag und Sonnabend hier: www.puppentheaterfreunde.de