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Einsamer Job an geschlossener Grenze

Tschechien grenzt sich gegen das Coronavirus ab. Fast niemand darf mehr rein oder raus. In Zinnwald und Schmilka spüren die Menschen die Auswirkungen.

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Tschechische Soldaten kontrollieren eine Straße an der Grenze in Zinnwald.
Tschechische Soldaten kontrollieren eine Straße an der Grenze in Zinnwald. © Sebastian Kahnert/dpa

Von Martin Kloth

Zinnwald/Schmilka. "Es ist komplett geschlossen!" Der Soldat mit dem weißen Mundschutz und der dunklen Sonnenbrille meint es ernst. Die Straße vom sächsischen Wintersportort Zinnwald-Georgenfeld ins benachbarte Cinovec (Böhmisch Zinnwald) ist gesperrt. Betonelemente blockieren den Weg. In einem Armeejeep wachen am Donnerstagfrüh zwei Soldaten darüber, dass die Grenze zwischen Tschechien zu Deutschland nicht übertreten wird. In 830 Metern Höhe rüttelt ein böiger und kalter Südostwind am Europaschild mit der Aufschrift "Ceská republika".

Wenige Stunden zuvor hatte das Nachbarland wegen der Coronavirus-Pandemie die Grenzen zu Deutschland und zu Österreich auch für die meisten Berufspendler dicht gemacht. Nur Tschechen, die im Gesundheits- und Rettungswesen oder in sozialen Diensten arbeiten, dürfen mit einer am Mittwochabend kurzfristig erteilten Sondergenehmigung die Grenze weiter täglich überschreiten. Diesen Berufen komme eine Schlüsselaufgabe bei der Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie zu, hieß es zur Begründung.

Nach Angaben der Bundespolizei hat die fast komplette Grenzschließung keine größeren Verkehrsprobleme verursacht. Das Verkehrsaufkommen auf der deutschen Seite der Grenze sei überschaubar, sagt ein Sprecher des Lagezentrums der Bundespolizei in Pirna.

Ein tschechischer Soldat mit Mundschutz verhindert auch für Berufspendler den Grenzübertritt.
Ein tschechischer Soldat mit Mundschutz verhindert auch für Berufspendler den Grenzübertritt. © Sebastian Kahnert/dpa

Während auf der Autobahn A17 der Lastverkehr zwischen Deutschland und Tschechien rollt, ist die Bundesstraße 170 in Zinnwald (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) leer. Die einzigen Autos sind Fahrzeuge der tschechischen Polizei neben einem gelben Container. Daneben ist die Straße mit Warnbaken und Verkehrskegeln zugestellt. Nach einer Kontrolle wäre hier das Passieren möglich. Eine Ausnahmeregelung gestattet es Deutschen, noch bis zu diesem Freitag ihre am Flughafen Prag geparkten Autos abzuholen, wenn sie von dort aus in den Urlaub geflogen sind.

Im Landmarkt in Zinnwald, einem Ortsteil der Stadt Altenberg, spürt Ilona Wenzel die Auswirkungen der geschlossenen Grenze. Leute, die sonst zum Beispiel zum Zigaretten kaufen nach Cinovec gefahren seien, hätten die kleine Kaffeeecke im Markt besucht, während sie auf den Bus warteten. "Das fällt jetzt weg", sagt die Verkäuferin. Es seien keine großen Umsätze gewesen, aber es habe geholfen, gerade bei einem so kleinen Markt. Einen unerwarteten Nebeneffekt hat die Abschottung Tschechiens aber auch: Es gehen mehr Zigaretten über den Ladentisch. "Da kommen Kunden, die sonst nie welche kaufen", sagt Ilona Wenzel mit einem Schmunzeln.

Eine gute Autostunde entfernt wälzt sich die Elbe aus Tschechien nach Deutschland. Auf der Bundesstraße 172 daneben ist es so still, dass das Glucksen der Wasserwirbel zu hören ist. Ein paar Schritte hinter den Grenzsteinen zwischen Schmilka (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) und Hrensko verbietet das Verkehrsschild "Verbot für Fahrzeuge aller Art" die Weiterfahrt. Noch einmal einige hundert Meter weiter - unmittelbar vor dem Travel Free Shop - steht ein Polizeiwagen quer und versperrt die Straße.

Ein Vollsperrscheibe steht auf der Straße auch an der tschechischen Grenze zwischen Schmilka und Hrensko.
Ein Vollsperrscheibe steht auf der Straße auch an der tschechischen Grenze zwischen Schmilka und Hrensko. © Sebastian Kahnert/dpa

Wo sonst auf dem Weg nach Decín (Tetschen) reger Grenzverkehr herrscht, ist kein Mensch unterwegs. In der Ferne sieht man die verwaisten Läden, in denen sonst Handel mit Zigaretten, Alkohol oder Klamotten getrieben wird. Die Elbfähre vom deutschen Bahnhof Schöna nach Hrensko fährt nicht mehr. Auch die Wanderfähre, die Hrensko über Zwischenstopps mit Bad Schandau verbindet, hat den Betrieb eingestellt.

In Schmilka setzt die "Lena" noch zum S-Bahnhof Schmilka-Hirschmühle über - bei Bedarf, wie das Haltestellenschild informiert. Seit 6.20 Uhr wartet Fährmann Michael Gottschling auf Fahrgäste. Erst kurz vor 11.30 Uhr bringt er drei Männer mit großen Rucksäcken auf die andere Seite und kehrt wenige Minuten später mit einem Wanderer-Paar zurück. Dies seien seine ersten fünf Fährgäste an diesem Tag gewesen, berichtet er.

Die drei Männer halten auf dem kleinen Schiff keinen Abstand zueinander. Sie seien wahrscheinlich boofen gewesen, vermutet Gottschling. Das Boofen ist ein in der Sächsischen Schweiz beliebtes Übernachten im Freien. "Die wussten von nichts", gibt der Fährmann aus seiner Unterhaltung mit dem Trio wieder. Er hat derzeit einen einsamen Job. Weil die Restaurants, Hotels, Pensionen und Läden zu haben, müssen auch keine Angestellten übergesetzt werden. "Das ist eine Situation, die wir so noch nicht erlebt haben", sagt er und wünscht sich, "dass alles bald wieder normal läuft". (dpa)

Die Schließung der Grenze zwischen Tschechien und Deutschland hat nach Angaben der Polizei in Sachsen zumindest keine größeren Verkehrsprobleme ausgelöst.
Die Schließung der Grenze zwischen Tschechien und Deutschland hat nach Angaben der Polizei in Sachsen zumindest keine größeren Verkehrsprobleme ausgelöst. © Sebastian Kahnert/dpa