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Einspruch gegen Steinspruch

Die geforderte Umgestaltung der Inschrift am Nickerner Obelisken erhitzt die Gemüter. Rot-Rot-Grün reibt sich an einer angeblich unzureichenden geschichtlichen Einordnung.

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© René Meinig

Von Nora Domschke

So viel Aufmerksamkeit wurde dem steinernen Denkmal im beschaulichen Nickerner Dorfkern wohl noch nie zuteil. Seit 1920 erinnert der Obelisk am Dorfplatz an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bekam der Stein zur Erinnerung an die Bombennacht vom 13./14. Februar 1945 eine weitere Inschrift: „Wir gedenken der Opfer des angloamerikanischen Bombenterrors.“

An diesem einen Satz scheiden sich derzeit die Geister. Dass überhaupt so intensiv darüber diskutiert wird, liegt an einem Antrag von Rot-Rot-Grün. Die Stadtratsfraktionen von Linken, SPD und Grünen fordern, dass die Inschrift so umgestaltet wird, dass „sie sowohl die Erinnerung an die Toten des Zweiten Weltkrieges als auch die kritische Auseinandersetzung mit den Ursachen für Krieg und Vernichtung ermöglicht“. Für eine neue Beschriftung sollen Vorschläge gesammelt werden, die dem Ortsbeirat Prohlis, dem Kulturausschuss und dem Stadtrat vorgelegt werden.

Linken-Stadträtin Margot Gaitzsch nutzt die Sitzung des Prohliser Ortsbeirates an diesem Montagabend, um den Antrag zu erläutern. Ihr Argument: „Es fehlt eine geschichtliche Einordnung.“ So werde völlig ignoriert, dass die Ursache des Krieges vom faschistischen Deutschland ausging. Der Gedenkstein sei zum Pilgerort rechtsradikaler Gruppen und Parteien geworden. Tatsächlich war der Obelisk in diesem Jahr am Vorabend des 13. Februar Ziel eines Gedenkmarsches von Neonazis. Als ein Mann aus dem Publikum im Ortsbeirat von der Versammlung am Gedenkstein berichtet, wird er ausgebuht. Um zu verhindern, dass der Obelisk zur Pilgerstätte wird, plädiert er auch für eine Umgestaltung des Steins.

Doch damit stößt er – wie auch Margot Gaitzsch – auf großen Widerstand, sowohl bei Politikern im Ortsbeirat als auch bei den Zuhörern, die sich zahlreich im Prohliser Bürgersaal des Ortsamtes eingefunden haben. Immer wieder gibt es Zwischenrufe, Applaus vor allem für diejenigen, die den Antrag ablehnen, stattdessen den Erhalt des Obelisken fordern. Ortsamtsleiter Jörg Lämmerhirt fordert die Besucher mehrfach dazu auf, sich ruhig zu verhalten, auf Zustimmungsbekundungen und Buhrufe zu verzichten. Längst nicht jeder hält sich daran, die Diskussion ist emotional aufgeladen. Zuletzt ertönt aus den Besucherreihen der Satz „Merkel muss weg“.

Wie gespalten die Menschen aufgrund der Forderung von Rot-Rot-Grün sind, zeigt sich auch an den Äußerungen von vier Bürgern, für die der Ortsbeirat Rederecht erteilt. Während ein Besucher die Gefahr des ideologischen Missbrauchs wittert, sollte die Inschrift auf dem Gedenkstein kommentarlos stehen bleiben, wirft ein Nickerner den Antragstellern vor, dass es bei der geforderten Umgestaltung nicht um historische, sondern um politische Korrektheit gehe. Angesichts anderer wichtiger Themen in Dresden sei der Antrag für ihn vollkommen sinnfrei, eine Umgestaltung der Inschrift Geldverschwendung.

Ähnlich klare Worte finden auch einige der Politiker. FDP-Ortsbeirat Gerhard Staudinger berichtet etwa, er habe in der Bombennacht selbst im Luftschutzkeller gesessen. Für ihn handle es sich um einen ideologischen Antrag, der für so einen Anlass schäbig sei. Kritik erntet Margot Gaitzsch an diesem Abend vor allem an der Begründung für die Umgestaltung. Sie räumt ein, dass es nie darum ging, den Gedenkstein abzureißen. Vielmehr wolle man eine Diskussion zur Erinnerungskultur anstoßen. Ihr Antrag wird im Prohliser Ortsbeirat letztlich aber abgelehnt.