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Eisenfresser am Tagebaurand

Eine Lautaer Firma macht mit rotbraunen Bergbau-Rückständen gute Geschäfte. Jetzt kommt sie dem Schlamm noch näher.

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© dpa

Von Tilo Berger

Bis 1979 war Tzschelln ein 279-Seelen-Dorf südwestlich von Weißwasser. Dann ging der Braunkohletagebau Nochten über den Ort hinweg. Längst stehen die Bagger woanders, die von ihnen hinterlassene Mondlandschaft wurde zu neuer Heide saniert. Inmitten junger Wälder, im Rücken einer Motocross-Strecke, strecken sich unvermittelt flache Hallen und drei große runde Wasserbecken – eine von sechs Grubenwasser-Reinigungsanlagen des Vattenfall-Konzerns im Lausitzer Revier. Und die 2005 eröffnete Anlage hier heißt so, wie das einstige Dorf: Tzschelln.

Mehr als 420 Millionen Kubikmeter Grundwasser pumpt der Bergbau- und Energiekonzern jedes Jahr aus dem Umfeld der Lausitzer Tagebaue ab, um trockenen Fußes an die Kohle zu kommen. Diese Zahl nennt Thomas Koch, Leiter Geohydrologie und Wasserwirtschaft bei Vattenfall. In den sechs Reinigungsanlagen durchläuft das Wasser mehrere Filter und wird dann sauber in Spree, Neiße und ihre Zuflüsse eingeleitet. Zurück bleibt alles, was in den Flüssen niemand haben will – zum Beispiel Eisen. Davon gibt es im Umfeld des Tagebaus Nochten besonders viel. Aus der Zeit, in der das Eisenerz aus dem Boden industriell verwertet wurde, blieben nur Ortsnamen wie Burghammer.

Helfer in Biogasanlagen

Der rotbraune Schlamm in der Reinigungsanlage Tzschelln ist für die einen eine lästige Hinterlassenschaft, für die anderen aber ein wertvolles bergbauliches Nebenprodukt. Die P.U.S Produktions- und Umweltservice GmbH in Lauta bei Hoyerswerda macht damit gute Geschäfte.

Eigentlich wurde das Unternehmen 1998 gegründet, um Rückstände des früheren Aluminiumwerkes Lauta zu verwerten. Doch ein paar Jahre später suchte Vattenfall nach Abnehmern für den eisenhaltigen Schlamm, und genau so etwas verarbeitet die Lautaer Firma. In ihren Hallen rattern Laufbänder. Darauf liegen viele rotbraune Kügelchen. Wenn die Eisenschlammberge angeliefert worden sind, sorgt ein Trocknungsverfahren dafür, dass aus den Schlämmen Eisen-Granulat entsteht. Noch mehr Nachfrage gibt es für Eisen-Pulver.

Etwa 15 000 Tonnen davon würden jährlich verkauft, sagt P.U.S.-Geschäftsführer Matthias Leiker. Vor allem die Betreiber von Biogasanlagen brauchen solches Pulver. Das Eisen ziehe aus dem Gas Schwefelwasserstoff, der ein Störfaktor sei, erklärt Leiker. Aber auch in Filtern für Aquarien könne das Granulat eingesetzt werden, um sie sauber zu halten.

Aus Regenwasser- und Abwasserkanälen zieht das Pulver Schwermetalle und Nährstoffe heraus. Rund 2 000 Biogas-Anlagen in Deutschland beliefere die Lautaer Firma mit derzeit 55 Mitarbeitern. „Vor allem im Ausland wächst der Markt“, sagt Leiker. Kunden gebe es unter anderem in den USA, Spanien, Polen, Großbritannien und Italien, aber auch in Japan und Argentinien.

Allein im vergangenen Jahr verarbeitete das Unternehmen rund 55 000 Tonnen Eisenschlamm aus der Reinigungsanlage Tzschelln. Große Lkw brachten den Wertstoff zur Verarbeitung ins rund 50 Kilometer entfernte Lauta.

Teure Fuhren fallen weg

In Zukunft kann das Unternehmen den Diesel für die Schlamm-Fuhren sparen. Auf dem Gelände der Tzschellner Anlage unterhält P.U.S. jetzt eine eigene Betriebsstätte. Hier können die Lautaer ab diesem Jahr gleich vor Ort erstmals alles verwerten, was das Grubenwasser an rotbrauner Fracht zurücklässt.

Allerdings nur das Wasser aus dem Umfeld und Untergrund des Tagebaus. Den Eisenschlamm, der Abschnitte der Spree und kleinerer Flüsse rotbraun färbt, kann P.U.S. nicht verwerten. Denn dieses Wasser wurde nicht nach oben gepumpt, sondern steigt von selbst aus dem Untergrund auf und bringt außer Eisen auch Sand, Ton und andere Bestandteile mit. Im Unterschied zur Reinigungsanlage kann das Wasser im Fluss nicht ruhen und somit auch nichts Schweres nach unten sinken.

Leikers Angaben zufolge gibt es keine weitere Firma in Deutschland, die aus Abfallprodukten Eisen-Granulate herstellt. Vattenfall bestätigte, dass es im Bereich Aufbereitung von Eisenschlämmen aus dem Bergbau kein weiteres Unternehmengebe. Konkurrenz habe er trotzdem, ergänzt Leiker. Es gebe nämlich Unternehmen, die solche Produkte künstlich herstellen. (mit dpa)