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Eiskalt und frivol

Vier Hobbykünstler aus Sachsen verwandeln in Neuhermsdorf Schnee zu „Legenden der Geschichte“.

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© Egbert Kamprath

Von Stephan Klingbeil

Neuhermsdorf. Die Badewanne ist eingelassen. Cäsar sitzt auf dem Wannenrand. Der Imperator aus Ton schaut der Ton-Cleopatra mit der Knubbelnase tief in die Augen, prostet der Badenden mit seinem weingefüllten Becher zu. Keinen Meter daneben steht Matthias Meißner aus Dresden. Ab und zu wirft der 66-Jährige einen Blick auf das Modell. Es dient ihm als Vorlage, während er einen großen Eiswürfel mit seinem selbstgebastelten Schneeschleifer bearbeitet.

Die Skulpturenbauer haben sich vor dem Hotel platziert.
Die Skulpturenbauer haben sich vor dem Hotel platziert. © Egbert Kamprath

Dann greift der Produktdesigner zum Grog, macht Pause. Sein Tagwerk ist noch nicht vollbracht. Bis die Dunkelheit einsetzt, wollen er und sein Helfer fürs Grobe, Ralph Schmidt, noch weitermachen. Seit Montag werkeln sie an dem Block aus Schnee. Bis Freitag soll das Kunstwerk fertig sein – so wie die anderen drei Skulpturen aus Schnee vor dem Landhotel Altes Zollhaus in Neuhermsdorf. Dort, unweit der deutsch-tschechischen Grenze, werden nach fast fünf Jahren Pause wieder Schneeskulpturen an der Altenberger Straße gezeigt. Die Kälte macht das möglich.

Das Konzept ist in diesem Jahr etwas anders gestaltet. Der 1995 ins Leben gerufene Wettbewerb fiel in den vergangenen Wintern wetterbedingt aus. Der sonst übliche Aufwand für zehn Kunstwerke ist laut Hotelmitarbeiterin Elke Fromm zu groß. Die Wetterlage im Osterzgebirge war im Hinblick auf längerfristige Vorplanungen zu unsicher. Diesmal werden somit nur 20 statt 50 Tonnen sauberen Schnees verbaut.

Nur vier Skulpturen werden errichtet, dafür aber direkt vor dem Eingang des Zollhauses statt auf dem bisherigen Areal auf der anderen Hotelseite. Ferner gibt es erstmals keinen Wettstreit der Künstler. Hotelinhaber Gerrit Curcio verwandelte das Alte Zollhaus im vergangenen in ein Kunsthotel. Dort stellen in jedem der 37 Zimmer verschiedene Künstler aus 15 Nationen aus. „Unser Ansinnen ist es, den Gästen die eiskalte Kunst draußen mit der Kunst im Hotel nahe zu bringen“, sagt Elke Fromm. Die Gäste können sich die Schneeskulpturen anschauen und bezahlen anders als in den Vorjahren dieses Mal keinen Eintritt.

Am Dienstag kamen bereits mehrere Besucher, um sich die Kunstwerke in der Entstehung anzuschauen. Nachdem am vergangenen Freitag die Schneewürfel mit einer Kantenlänge von jeweils 2,50 Metern fertiggestellt wurden, waren die Künstler und ihre Teams am Sonntag angereist. Sie essen und wohnen während ihres Schaffensprozesses kostenlos im Alten Zollhaus.

Barbarossa vor dem Alten Zollhaus

Seine Skier hat Matthias Meißner mitgebracht. „Zeit zum Langlauf habe ich aber erst ab Sonnabend“, so der Hobbykünstler, der seine Brötchen unter anderem mit Werbung und der Gestaltung von Logos verdient. In seiner Freizeit greift er zum Ton, bearbeitet ihn. Der Dresdner ist zum dritten Mal dabei, gewann 2012 mit seiner Skulptur „Das Bad auf der Tanne“ Bronze und nahm wie die anderen hier schon bei ähnlichen Aktionen teil, wie in Italien.

Auch diesmal sollte es „ein erotisch-frivoles Motiv“ sein, sagt Meißner. Das Konzept passe zu der Saunalandschaft des Hotels und sei zudem dem Motto der Skulpturenschau geschuldet: „Legenden der Geschichte“. Die Konzeptumsetzung musste indes vier Jahre warten. Nun nimmt sein eiskaltes Szenario mit Cleopatra und Cäsar langsam Konturen an. Während Compagnon Ralph Schmidt für das Grobe zuständig ist, den Schneewürfel mit Spaten beackert, sorgt Meißner für den Feinschliff.

Der Dresdner tauscht sich dann hin und wieder mit den anderen Schneekünstlern aus. Von Bärbel Niesner aus Schwepnitz, die mit ihrem Mann Bernd ganz ohne Vorlage den Schneeblock in zwei Kreuzritter mit Pferden verwandelt, leiht er sich eine Leiter. Man hilft sich, trifft sich nach getaner achtstündiger Arbeit beim Abendessen.

Unerfahren ist keiner von ihnen. Der frühere Berufsschullehrer Lutz Punte ist zum 15. Mal dabei, der 70-Jährige gewann den Wettstreit bereits. Nun ist er mit Tochter Annett, einer Ergotherapeutin, und Enkel Leonard aus Weinböhla angereist. Sie feilen an ihrem „Kaiser Barbarossa“. „Der Schnee ist spitze“, sagt Punte. Das findet auch der 80-jährige Siegfried Heischkel aus Dresden. Der Ex-Architekt und sein gleichaltriger Kollege Siegfried Schuhmann aus Schirgiswalde schleifen an „Christoph Kolumbus“. Die Skulptur sei bald fertig – und auch bis zur Schneeschmelze zu sehen.