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Flatterband gegen hungrige Wölfe

Auf das Konto des Rosenthaler Wolfsrudels gehen schon zehn Übergriffe auf Schafs- und Ziegenherden. Manche Halter fordern den Abschuss. Andere setzen auf mehr Schutz.

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© Matthias Schumann

Rosenthal. Die sieben Schafe von Martin Domaschke zupfen ruhig das letzte Grün von der Wiese in Horka (Landkreis Bautzen). „Bis Mitte Dezember will ich meine Tiere auf jeden Fall noch draußen lassen. Deshalb sollen sie so gut geschützt sein wie es nur geht“, sagt der 65-Jährige. Schützen muss er seine wolligen Lieblinge gegen den Wolf. Denn Domaschkes Weide liegt im Gebiet des Rosenthaler Rudels (Kreis Bautzen).

Nach Angaben des Kontaktbüros „Wolfregion Lausitz“ haben die hungrigen Raubtiere in dem Territorium 2016 bereits mehr als zehn Mal zugeschlagen. Seit 2014 gehen mindestens 150 Tiere auf ihre Rechnung. Hart hat es in den vergangenen anderthalb Monaten den Cunnewitzer Schäfer Martin Just getroffen. Er verlor in diesem Jahr bei mehreren Wolfsangriffen knapp 40 Tiere.

Wolfsmanager André Klingenberger versucht derzeit, dem umstrittenen Raubtier wieder einen Schritt voraus zu sein. Der Mitarbeiter des Staatsbetriebs Sachsenforst berät Tierhalter über Schutzmaßnahmen und Fördermittel vom Freistaat Sachsen. Der Forstwirt packt auch zu. Er holt mehrere Rollen Flatterband - sogenannte Breitbandlitze - und eine Kiste mit Weidepfählen aus dem Auto. In Kombination mit einem Elektrozaun schreckt das breite weiße Band den grauen Jäger erfolgreich ab, zeigen die Erfahrungen. Strom führt es selbst nicht.

Gemeinsam mit Domaschke setzt Klingenberger den ersten Pfahl in die Erde. In die untere Halterung kommt der Elektrozaun. Durch die oberen Ösen zieht der Tierhalter das Flatterband. Es dreht sich sofort leise sirrend im Wind. „Der Zaun wird optisch höher, auch das Geräusch verwirrt wohl die Wölfe. Ich rate ihnen noch: Spannen Sie den Zaun straff. Jede Ecke ist eine Schwachstelle“, sagt der Wolfsmanager. Nach einer Stunde verabschiedet er sich.

Der nächste Wolfsanrainer in Sollschwitz wartet schon. Zu der ländlichen Gegend gehören Schafe und Ziegen. Sie seien für den Wolf leichte Beute - und im Spätsommer nehme der Nahrungsbedarf der Wolfswelpen aus dem Frühjahr zu, sagt Klingenberger. „Zumal Kitze und Frischlinge, die im Frühling für Wölfe leicht zu jagen waren, inzwischen auch schneller und größer sind“.

Der Wolf - und speziell das Rosenthaler Rudel - findet immer weniger Fürsprecher. Landrat Michael Harig stellte beim Umweltministerium den Antrag, das „Rudel zu entnehmen“. Das heißt Abschuss. Er erhielt eine Absage, kündigte aber nach den jüngsten Übergriffen des Raubtiers Anfang November an, seine Forderung zu wiederholen. Auch die „Aktionsgruppe Wolf“ im Landesjagdverband Sachsen unterstützt dieses Ziel. Und die umweltpolitischen Sprecher von CDU und CSU im Bund und in den Ländern sind sich einig: Für „Problemwölfe“ dürfe die Bejagung kein Tabu sein.

Der Wolf steht in Deutschland unter strengem Artenschutz. Es ist verboten, ihn zu fangen, zu verletzen oder gar zu töten. In bestimmten, streng geregelten Ausnahmefällen können aber Ausnahme-Genehmigungen erteilt werden - zum Abschuss.

So weit will Ziegenhofbesitzer Sebastian Bulang nicht gehen. Seine Herde zupft Gras auf einem Gelände mit mannshohem Zaun. „Nachts hole ich die Tiere rein“, sagt er bei Klingenbergs Beratung über Fördermöglichkeiten.

Schaf- und Ziegenhalter sowie Betreiber von Wildgattern im Freistaat Sachsen haben nach Angaben des Wolfs-Kontaktbüros die Möglichkeit, sich mobile Elektrozäune, Herdenschutzhunde, Flatterband und Unterwühlschutz bei Wildgattern fördern zu lassen. 80 Prozent der Nettokosten können übernommen werden.

Auf den Sachsenforst-Mitarbeiter wartet nun noch Roland Lehmpfuhl in Wartha. Seine Schafsherde steht mitten im Gebiet von drei Wolfsrudeln. Bis jetzt gab es auf seine Tiere noch keine Übergriffe. Aber der Hobbytierhalter nimmt kein Blatt vor den Mund, was passieren würde wenn... „Klick“, sagt er kurz und deutet einen Schuss an. Selbst die Experten vom Kontaktbüro Wolf sagen: Wenn die Schutzmaßnahmen nicht wirken, könne eine „Entfernung“ des Tieres bzw. des Rudels als letztes Mittel ergriffen werden.

Lehmpfuhl steht im Dunkeln an der Weide. Wegen der Videoaufnahmen der Wolfsforscher ist er sich sicher, dass regelmäßig Wölfe hier vorbeiziehen. Deshalb hat er sich drei Herdenschutzhunde auf eigene Kosten zugelegt. Beim winzigsten Laut schlagen die muskulösen Fellnasen an. „Jeder Hund kostet mich jedes Jahr 1 000 Euro. Eigentlich habt ihr doch nun genug Wölfe“, sagt der 53-Jährige zu Klingenberger. In dem Augenblick melden sich die Hunde kurz, aber lautstark. Lehmpfuhl lauscht und geht. Er weiß, die bellenden Aufpasser machen ihre Sache gut. (dpa)