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Elkes Wunderland

An der Bautzener Siebergasse gelang, was sich viele für die Bürgerhäuser wünschen: Aus einer Ruine wurde ein Traumhaus.

Von Marleen Hollenbach
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Die Hausbesitzerin an ihrem Lieblingsplatz: Im Hinterhof fühlt sich Elke Burkhardt besonders wohl. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie das Haus an der Siebergasse 5 in Bautzen gerettet.
Die Hausbesitzerin an ihrem Lieblingsplatz: Im Hinterhof fühlt sich Elke Burkhardt besonders wohl. Gemeinsam mit ihrem Mann hat sie das Haus an der Siebergasse 5 in Bautzen gerettet. © SZ/Uwe Soeder

Einfache Leute umranden ihre Grundstücke mit Holzzäunen. Die Gärten gehobener Menschen sind von Mauern umgeben. Mit diesen Worten betritt Elke Burkhardt ihren Hinterhof. Der Spruch stammt nicht von ihr, sondern von einem Bekannten. Doch weil sie ihn so witzig fand, hat sie sich die Sätze gemerkt. Und irgendwie passen sie auch zu ihr und ihrer Geschichte. Die Bautzenerin formuliert mit diesen Worten augenzwinkernd, wie stolz sie auf ihr neues altes Traumhaus ist, ohne prahlen zu müssen.

Als sie sich im Jahr 2012 mit ihrem Mann für das Haus an der Siebergasse 5 entschied, da war das Gebäude reif für den Abriss. Eine Ruine, ein Schandfleck mitten in der Altstadt. Seit Jahren unbewohnt, dem eigenen Schicksal überlassen. Löcher in den Wänden, Putz, der von der Fassade bröckelt, eingeschlagene Fenster: viele Fotos, die die neue Hausbesitzerin in dicke Alben geklebt hat, zeigen das Stadthaus in einem erbärmlichen Zustand. Jeder andere hätte bei einem Besichtigungstermin schnell das Weite ergriffen. Warum sie nicht auf dem Absatz kehrtmachte? Elke Burkhardt überlegt eine Weile. Sie habe sofort ein Bild davon gehabt, wie das Gebäude einmal aussehen kann, erklärt sie und ergänzt: „Wir waren beide blauäugig. Richtig darüber nachgedacht haben wir eigentlich nicht.“

Kräuter im Innenhof

Hätte sie gewusst, was da in den nächsten Jahren auf sie zukommt, sie hätte vielleicht die Finger davon gelassen. Dann würde das Haus heute gemeinsam mit den Bürgerhäusern und weiteren Gebäuden auf der Liste der gefährdeten Objekte stehen. Doch das Schicksal wollte es anders. Aus der Ruine von damals ist ein kleines Schmuckstück geworden. Schon der Flur ist etwas besonders. Der Steinfußboden, die alten Gewölbedecken – all das trägt zum Charme des Hauses bei. Den Empfangsraum hat die Künstlerin in eine Galerie verwandelt. Unzählige Bilder hängen dort. Die angrenzende Küche wird zur kleinen Malstube, wenn die Kursteilnehmer bei ihr zu Besuch sind. Schnell steigt die Bautzenerin die Treppe hinauf, Stufe für Stufe bis ganz nach oben. Ihr Wohnzimmer, ein großer Raum mit Holzbalken, könnte kaum gemütlicher sein. Fragt man sie nach einem Lieblingsort im mehr als 200 Quadratmeter großen Haus, dann nennt sie aber einen anderen Platz. Der Hinterhof mit seinen Mauern aus Stein hat es ihr angetan. Im Sommer wachsen in ihrem kleinen Paradis Efeu und Kräuter.

Doch so schön das Leben im Traumhaus auch ist, Elke Burkhardt wird die Bauzeit nie vergessen. Zweifel an der Entscheidung kamen ihr und ihrem Mann bereits im ersten Jahr. Denn der Beginn der Sanierung verlief völlig anders, als die beiden es sich vorgestellt hatten. Statt mit ansehen zu können, wie es mit dem Gebäude Schritt für Schritt vorangeht, wälzten Burkhardts Akten, schrieben Anträge, verhandelten mit der Denkmalschutzbehörde. Eine riesige Liste mit Aufgaben arbeiteten sie ab – ohne, dass sich nur ein Stein im Haus bewegte. Als die Bauarbeiten endlich begannen, dachten beide, sie hätten das Schlimmste hinter sich gebracht.

Von der Geschichte fasziniert

Dabei warteten noch einige böse Überraschungen auf sie. Zuerst fiel ein Gewölbe im Erdgeschoss des Hauses in sich zusammen, dann der alte Schornstein. Zuletzt brach der Tischler auf der alten Holztreppe ein. Verletzt wurde zum Glück niemand. Doch mit den schlechten Nachrichten stiegen auch die Kosten. „Zweimal mussten wir unser Budget aufstocken“, sagt Burkhardt. Gelohnt hat es sich dennoch, meint die Hausbesitzerin und berichtet von einer besonderen Begegnung. Einmal stand ein Mann vor der Tür und fotografierte das Haus. Elke Burkhardt sprach ihn an. „Das Haus steht nicht zum Verkauf“, erklärte sie ihm. Sie erfuhr, dass der Mann drei Jahre alt war, als er mit seiner Mutter in dem Haus lebte. Die junge Frau hatte das Gebäude geerbt, war mit dem baufälligen Haus aber überfordert. Als sie eine Neubauwohnung erhielt, verkaufte sie das Haus.

Später traf sich Elke Burkhardt mit der Frau, hörte sich ihre Geschichte an. Begeistert von diesem Treffen wollte die Bautzenerin mehr über das Haus erfahren. Entstanden ist eine Liste mit allen Bewohnern der Siebergasse 5, die sogar bis ins 17. Jahrhundert reicht.

Impressionen aus dem Haus an der Siebergasse 5.
Impressionen aus dem Haus an der Siebergasse 5.