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Eltern fordern bessere Betreuung

Wenn die Tagesmutter Urlaub hat, müssen auch die Eltern frei machen. Nun formiert sich Protest.

Von Peggy Zill
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Guillaume Simler (rechts) und weitere Eltern haben sich zu einer IG zusammengeschlossen und wollen gemeinsam durchsetzen, dass es für ihre Tagesmütter einen Ersatz gibt, wenn diese Urlaub haben. Bisher werden nur Krankheitstage vertreten.
Guillaume Simler (rechts) und weitere Eltern haben sich zu einer IG zusammengeschlossen und wollen gemeinsam durchsetzen, dass es für ihre Tagesmütter einen Ersatz gibt, wenn diese Urlaub haben. Bisher werden nur Krankheitstage vertreten. © Arvid Müller

Morgens bringt Guillaume Simler erst seine einjährige Tochter zur Tagesmutter in Radebeul. Danach gibt er die Ältere bei einer anderen ab. Beide Kinder bei der gleichen unterzubringen, war leider nicht möglich. Einen Kitaplatz haben sie nicht bekommen. Und so steht die Familie vor einem weiteren Problem. Wenn die Tagesmütter Urlaub haben, müssen auch Guillaume Simler und seine Freundin Anne-Kathrin Wirsig freinehmen. Ab 2019 sind das mindestens 60 Tage. Hinzu kommen Tage für Weiterbildungen. „Und die Kinder sind oft krank. Unterm Strich wird das zu viel, wenn man arbeiten möchte“, sagt der Selbstständige. Mit einem Kind sei es noch irgendwie händelbar gewesen. „Mit dem Zweiten geht es nicht mehr.“ Der gemeinsame Familienurlaub stehe auf dem Spiel. „Die Kommunen wissen, dass es für uns schwierig ist, einen Betreuungsplatz zu finden und nutzen das aus.“

Doch nun formiert sich Protest. Eltern aus Radebeul, Coswig und Moritzburg haben sich zusammengetan und wollen die Kommunen dazu bringen, auch für die Urlaubstage eine Ersatzbetreuung zu organisieren. Denn die Situation wird im kommenden Jahr noch schwieriger. Die Tagesmütter haben dann 30 statt bisher 26 Tage Urlaub. Das gönnen die Eltern ihnen auch. Dennoch muss eine Lösung her. „Es gibt Städte, in denen es funktioniert“, sagt Christiane Böttger.

Das Argument, dass sie vorher wissen, auf was sie sich einlassen, lassen die Eltern nicht gelten. „Ich habe mich bewusst für eine Tagesmutter entschieden, weil mir das Private und Gemütliche dort gefällt“, sagt die Radebeulerin Anni Kreißel. Es sei schade, dass Tagesmütter zum Luxus werden, weil es sich nicht jeder leisten kann, den eigenen Urlaub nach dem der Tagesmutter einzurichten.

Die Eltern glauben, das Gesetz auf ihrer Seite zu haben. Darin ist geregelt, dass Tagespflegepersonen und Kindertagesstätten gleichgestellt sind. Die Eltern zahlen auch die gleichen Beiträge, bekommen aber nicht die gleiche Leistung, wie der Coswiger Stadtrat Sven Böttger bemängelt. „Wir zahlen zwölf Monate, die Kinder sind aber nur zehneinhalb Monate betreut.“ Bisher gibt es nur Ersatz, wenn eine Tagesmutter krank wird. „Im Gesetz steht aber, dass für Ausfallzeiten rechtzeitig eine andere Betreuungsmöglichkeit sicherzustellen ist“, ergänzt seine Frau Christiane Böttger. Was Ausfallzeiten sind, wird nicht definiert.

In den Stadtverwaltungen von Radebeul und Coswig geht man davon aus, dass damit vor allem Krankheit gemeint ist. „Urlaub dagegen ist geplant und wird den Eltern mitgeteilt, sodass sie sich darauf einstellen können.“

In Radebeul gibt es 22 Tagesmütter und fünf Vertretungen. Sollte der Urlaub abgedeckt werden, könnte eine Lücke bei Krankheitsfällen entstehen, befürchtet die Stadt und rechnet vor: Eine Ersatztagespflegeperson betreut fünf Tagesmütter. Bei 30 Tagen Urlaub und zehn angenommen Krankheitstagen wären pro Jahr 200 Tage von etwa 245 Arbeitstagen zu vertreten. Um das System zu ändern, müssten weitere Tageseltern eingesetzt werden. „Was dann allerdings auch zu Bindungsproblemen bei den Kleinkindern führen könnte“, heißt es aus beiden Rathäusern. Und natürlich steigen die Kosten für die Kommunen.

Bei fünf Kindern bekommen die Tagesmütter in Radebeul und Coswig rund 3 230 Euro pro Monat. „Zusätzlich fallen noch weitere Kosten für Ersatzbetreuung, Fachberatung, Fortbildung, Investitionen von 75 Euro pro Kind an“, erklärt die Coswiger Stadtsprecherin Ulrike Tranberg. Sach- und Personalkosten für Verwaltungsmitarbeiter seien da noch nicht enthalten.

In Coswig gibt es derzeit vier Tagesmütter und eine Ersatzpflegeperson. Für die Ersatzbetreuung hat die Stadt extra Räume angemietet. „Die sind voll ausgestattet“, weiß Sven Böttger, obwohl sie kaum genutzt werden, weil die Ersatztagesmutter nur wenige Stunden im Monat arbeitet.

Laut Jugendamt ist für jegliche Ausfallzeit, also auch Urlaub, eine Betreuungsmöglichkeit für das Kind sicherzustellen. Die Verantwortung für die Bereitstellung und Finanzierung trägt die Kommune. Da die Tagesmütter selbstständig sind, haben sie keinen Anspruch auf Fortzahlung der Geldleistungen, wenn sie krank oder im Urlaub sind. „Grundsätzlich gilt, dass die Absicherung der Vertretung eine große Herausforderung für Kommunen darstellt und an organisatorische wie finanzielle Grenzen stößt“, so Thomas Bätz vom Kreisjugendamt. Entscheidend sei die Bereitschaft der Kommunen, die hohen Kosten für eine Ersatzbetreuung basierend auf dem gesetzlichen Auftrag zu übernehmen.

Um diese Bereitschaft zu schaffen, bekommen Bürgermeister und Stadträte demnächst Post von den Eltern. In den Briefen wollen sie ihre Forderungen zusammenfassen. „Wir wissen, dass wir nicht die Schlagkraft haben, wie die Kita-Eltern, weil wir weniger sind“, sagt Sven Böttger. Schnell aufgeben wollen sie deshalb trotzdem nicht.

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