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Eltern ringen um die NUS

Ein Gutachter ist empört, weil seine Beurteilung der Natur- und Umweltschule falsch ausgelegt worden sei. Nun soll der Kultusminister helfen.

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© Sven Ellger

Von Nora Domschke

Es sollte nur eine Anregung sein. In seinem Gutachten zum Konzept der Natur- und Umweltschule Dresden hatte Professor Rainer Winkel lediglich empfohlen, die strikte Aufteilung – eine Hälfte des Unterrichts im Freien, die andere im Klassenzimmer – noch einmal zu überdenken. „So viel im Schulgebäude stattfindender Unterricht wie notwendig und so viel außerschulisches Lehren und Lernen wie sinnvoll und möglich“, schreibt Winkel in seinem Gutachten vom 23. März dieses Jahres.

Bildungsexperte Rainer Winkel wird oft zurate gezogen, wenn es um freie Schulen geht. Über das Gerichtsurteil zur Natur- und Umweltschule sei er entsetzt.
Bildungsexperte Rainer Winkel wird oft zurate gezogen, wenn es um freie Schulen geht. Über das Gerichtsurteil zur Natur- und Umweltschule sei er entsetzt. © privat

Das Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen interpretiert diese Aussage anders: Demnach könne die Konzeption der Schule nicht sinnvoll umgesetzt werden. Weil damit wiederum das besondere pädagogische Interesse fehle, könne die Natur- und Umweltschule nicht genehmigt werden, teilte OVG-Sprecher Thomas Tischer am vergangenen Freitag mit.

Winkel ist empört. „Es entspricht nicht den Tatsachen, dass ich an irgendeiner Stelle des Gutachtens dem pädagogischen Konzept der Schule das besondere pädagogische Interesse abgesprochen hätte. Das Gegenteil ist der Fall.“ Fast 30 Jahre lang leitete der gebürtige Dresdner den Lehrstuhl für Erziehungswissenschaften an der Berliner Universität der Künste, heute ist seine Expertenmeinung insbesondere bei Konzepten von Alternativschulen gefragt. Drei Tage hospitierte Winkel in der Natur- und Umweltschule, befragte Lehrer, Schüler und Eltern. Sein Fazit: „Ich habe dem Konzept in Theorie und Praxis ein Höchstmaß an pädagogischer Bedeutung bescheinigt.“ Das habe er auch vor dem OVG getan, als er in eineinhalb Stunden sein Gutachten erläutern musste.

Genutzt hat das nichts – die Natur- und Umweltschule wird zum Ende des Schuljahres schließen. Bis dahin soll sich für die Kinder dort nichts ändern. Sie werden weiterhin im Wald der Dresdner Heide lernen, wenn es nötig ist, findet der Unterricht in den Räumen am Manfred-von-Ardenne-Ring statt. Nach diesem Konzept betreibt der Verbund Sozialpädagogischer Projekte (VSP) seine Schule im Dresdner Norden bereits seit 2011. Die Eltern von 108 Grundschülern haben sich seitdem vor allem aufgrund des Waldunterrichts für die Natur- und Umweltschule entschieden. Nun verschwindet dieses besondere Angebot aus der Dresdner Schullandschaft.

Seit sieben Jahren ringen Lehrer, Eltern und der Förderverein um die Genehmigung, allerdings ohne Erfolg. Das Landesamt für Schule und Bildung lehnte die Genehmigung ab, denn das Lernen in der Natur sei zu gefährlich. Daran änderte auch das 2015 vom Verwaltungsgericht Dresden gefällte Urteil nichts, dass das Konzept neu bewertet werden soll. Das Landesamt blieb bei seiner Meinung. Der Förderverein bezeichnet den Umgang mit ihrer Schule als Willkür. Die Eltern seien entsetzt, wie die Schulbehörde mit ihren Kindern umgeht – obwohl das Konzept funktioniert. „59 Kinder sind erfolgreich für den Übergang an die weiterführenden Schulen vorbereitet worden. Darauf sind wir sehr stolz“, teilt VSP-Geschäftsführerin Katrin Förster mit. Nun stehe es im Vordergrund, allen Schülern einen guten Abschied von der Natur-und Umweltschule und zugleich einen geordneten Übergang zu einer anderen Schule zu ermöglichen.

Zweite Petition wird vorbereitet

Während der Schulträger keine weiteren Rechtsmittel bemühen will – eine endgültige Entscheidung falle aber erst nach der Urteilsbegründung in sechs Wochen – wollen Eltern und Förderverein in den nächsten Tagen eine Expertenpetition an Kultusminister Christian Piwarz (CDU) übergeben.

Dieser fühlt sich dafür allerdings nicht zuständig. Für die Übergabe einer Petition müssten sich die Eltern an den Landtag wenden, teilt Dirk Reelfs, Sprecher des Kultusministeriums, auf SZ-Anfrage mit. Ähnlich verhalte es sich mit der Genehmigung und Ablehnung freier Schulen. „Das ist Aufgabe des Landesamtes für Schule und Bildung – Standort Dresden“, führt Reelfs aus. Weil die Urteilsbegründung noch aussteht, könne das Ministerium derzeit noch keine Stellung zum Gerichtsurteil nehmen.