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Empörung über Arzneimitteltests

Klinische Studien in der DDR von Pharma-Konzernen waren im Westen nicht anzeigepflichtig. Dennoch besteht Klärungsbedarf.

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© dpa

Von Peter Heimann, Berlin

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Bergner (CDU), hat eine lückenlose Aufklärung westdeutscher Arzneimitteltests an offenbar teilweise ahnungslosen Patienten in der DDR gefordert. „Es wäre ein schwerer Skandal, wenn Tausende DDR-Bürger – vermutlich sogar unter Verletzung von Rechtsvorschriften der DDR – zu billigen und wohlfeilen Versuchskaninchen gemacht worden wären“, so Bergner. Besonders erschütternd seien die Hinweise auf die offenbar konspirativen Verhandlungen zwischen DDR-Funktionären und Konzernmanagern.

Der „Spiegel“ hatte am Wochenende berichtet, das Ausmaß der bereits lange bekannten Arzneimittel-Tests sei vermutlich größer als bisher angenommen. Dabei geht es um den Vorwurf, West-Pharma-Firmen hätten die Tests in DDR-Kliniken ohne Wissen der möglicherweise bis zu 50.000 Betroffenen ausführen lassen und dafür Geld gezahlt.

Eine Sprecherin des Bundesgesundheitsministeriums sagte, ihrem Haus lägen keine Zahlen und Daten über die Tests vor. „Klinische Studien in der DDR“ seien „nicht in der Bundesrepublik genehmigungs- oder anzeigepflichtig“ gewesen. Das Thema sei allerdings nicht neu. Kurz nach der deutschen Einheit seien die damals zugänglichen Aktenbestände der DDR von einer Kommission im Auftrag des Berliner Senats untersucht und keine Hinweise auf Rechtsverstöße gefunden worden.

Der Leiter des Instituts für Geschichte der Medizin der Charité, Volker Hess, warnte unterdessen vor voreiliger Skandalisierung: „Ich würde nie von Menschenversuchen sprechen, das ist eine andere Kategorie.“ Es habe sich um klinische Arzneimittelversuche gehandelt, die nach gängigen Regeln durchgeführt worden seien. Die ethischen Standards seien in den 70er- und 80er-Jahren nicht so hoch wie heute gewesen – in Ost und West. Eine der nun zu klärenden Fragen sei, ob und wie West-Unternehmen und DDR-Staat von den Tests ökonomisch profitiert hätten. (mit dpa)