Von Daniel Klein
Es klang alles so vernünftig. Die beiden Vereine mit den größten Schwimmabteilungen fusionieren und kooperieren, um die Sportart in der Stadt wieder nach vorne zu bringen. 1 400 Schwimmer des Dresdner SC und des Universitätssportvereins TU gründeten 2009 die 1. Dresdner Schwimmgemeinschaft. Gemeinsame Trainingsgruppen, gemeinsame Trainingslager, gemeinsame Staffeln bei Meisterschaften sowie gemeinsame Nutzung der extrem begrenzten Wasserflächen waren die Argumente für den Zusammenschluss.
Ab August nun soll die Schwimmgemeinschaft „nicht mehr existent sein“, wie es in einem Brief des DSC an die Mitglieder und Eltern heißt. Es hätten sich „zunehmend Unterschiede in den Schwerpunkten der Arbeit und organisatorischen Dingen kumuliert“, heißt es dort zur Begründung. Welche das konkret sind, steht nicht in dem Schreiben. Dies erklärt Philipp Wollmann, Leiter der Abteilung Schwimmen beim DSC, im SZ-Gespräch: „Wir sind mehr in Richtung Leistungssport aufgestellt.“ Was er so nicht sagt, aber wohl meint – beim USV ist das anders.
Probleme mit der Identifikation?
Mitte Mai kündigte der DSC dem Partner zunächst telefonisch das Ende der Gemeinschaft an, am 28. Mai folgte ein Schreiben. Laut Kooperationsvertrag gilt eine Frist von einem halben Jahr. Wohl um die zu wahren, wird die Kündigung auf den 1. August 2019 datiert – allerdings mit dem Hinweis versehen, das man bereits im August dieses Jahres aussteigen wird. Das ist eine juristisch zumindest fragwürdige Konstruktion, aber auf einen Rechtsstreit wollen es beide Seiten ohnehin nicht ankommen lassen. Man wolle keine schmutzige Wäsche waschen, wird unisono betont.
USV-Abteilungschef Heiko Werdin macht dennoch „die Art und Weise traurig“. Offensichtlich ging es nicht nur um die unterschiedlichen Schwerpunkte und Ziele, sondern auch um die Außendarstellung. „Nicht zuletzt ließ durch die Fokussierung auf die 1. DSG die Identifizierung zahlreicher Mitglieder mit ihrem Verein – dem Dresdner SC 1898 e.V. – nach“, heißt es im DSC-Rundschreiben. Der Klub versucht schon länger, sich öffentlich als erfolgreicher Leistungssportverein zu präsentieren, legt Wert darauf, dass die Athleten bei offiziellen Terminen die Vereinskleidung tragen. Offenbar sollen Titel im Schwimmen nun wieder verstärkt als DSC-Erfolge wahrgenommen werden. Am Beckenrand tauchten in den vergangenen Monaten häufig Badehosen und Shirts des Sportclubs auf und verdrängten das Gelb der Dresdner Schwimmgemeinschaft.
Als Beleg für die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der beiden Großvereine nennt Wollmann die am Wochenende zu Ende gegangenen deutschen Jahrgangsmeisterschaften in Berlin: „Dort kam unter allen DSG-Startern lediglich einer vom USV.“ Für den Univerein ist das wiederum völlig logisch. „Träger des Landesstützpunktes, wo die größten Talente der Region trainieren, ist der DSC. Deshalb wechseln viele Athleten irgendwann dorthin“, meint Werdin. So schwamm Alexandra Arlt ursprünglich für den Hainsberger SV, Georg Schubert für den SC Poseidon Radebeul. Beide gehören nun zu den größten Hoffnungen des DSC.
Die Trennung hat auf jeden Fall Folgen, Trainingsgruppen werden auseinandergerissen und neu aufgeteilt. Und das sind nicht wenige. Beim DSC schwimmen derzeit rund 650 Kinder und Jugendliche, beim USV sind es 450. „Persönliche Bindungen und Freundschaften werden unterbrochen. Darum ist es uns auch sehr schade, und das bedauern wir auch zutiefst“, heißt es im DSC-Brief. Ein weiteres Problem sind die Wasserflächen: Mehr Gruppen streiten sich künftig um die gleiche Anzahl zur Verfügung stehender Bahnen. Ebenfalls unklar ist, welche Trainer zu welchem Verein wechseln werden. Der DSC bereitet seine Mitglieder schon mal auf „gewisse Einschränkungen der Trainingsangebote“ vor.
Wie eine Art Gnadenbrot
Wollmann betont, dass er „keinen harten Bruch“ möchte und bietet dem USV eine „privilegierte Partnerschaft“ an. Die soll gemeinsame Lehrgänge beinhalten, die gemeinsame Nutzung von Trainingshilfsmitteln und den Austausch von Übungsleitern. Ob die Unisportler darauf eingehen, ist noch unklar, sie machen aber keinen Hehl daraus, dass das Angebot auf sie wie eine Art Gnadenbrot wirkt. „Wir müssen uns einvernehmlich einigen und einen vernünftigen Weg finden“, meint Werdin.
Der vernünftigste wäre wohl, dass man für Wettkämpfe eine Startgemeinschaft bildet, an der sich neben DSC und USV auch die Dresdner Delphine, Hainsberg, Weixdorf und Radebeul beteiligen. Anderenorts ist man da schon weiter: Die SG Mittelfranken besteht aus sechs Vereinen, die SG Essen sogar aus 14. In Dresden dagegen startet künftig wieder jeder für sich. Ob das in Zeiten der Spitzensportreform und der angekündigten Konzentration auf wenige Stützpunkte sinnvoll ist, sei dahingestellt. In Leipzig lockt Frank Embacher, der ehemalige Trainer von Paul Biedermann, viele Talente an.
Und auch der DSC muss ein weiteres Talent ziehen lassen. Alexander Eich wechselt im Sommer nach Hamburg. Auch er schwamm für die entzweite Gemeinschaft.