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Er sucht seine leibliche Mutter

Ein Dresdner erfährt vor seiner Hochzeit, dass er adoptiert wurde. Bei der Suche nach seiner Mutter hilft ihm Peter Escher.

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© Kristin Richter

Von Catharina Karlshaus

Der Wendepunkt in seinem Leben ist ein Telefonat. Damals 2003, in dem kargen Büro der Bundeswehrkaserne Pfreimd. Als er den Hörer abnimmt und die vertraute Stimme seiner Mutter hört, ahnt Stabsunteroffizier Ronny Hamm nicht, dass in wenigen Minuten nicht, mehr so sein wird wie vorher. Die Abstammungsurkunde möchte er gern haben, sagt er der Mutter. Seit der Geburt von Tochter Isabelle vor zwei Jahren seien er und seine Janine doch schon eine Familie, nun wollten sie endlich heiraten. Die Mutter in der Heimat Dresden soll doch bitte so lieb sein und ihm eine Kopie der Urkunde per Post ins neue bayerische Zuhause schicken.

Ein Bild aus glücklichen Kindertagen: Ronny fühlte sich bei seinen Adoptiveltern wohl.
Ein Bild aus glücklichen Kindertagen: Ronny fühlte sich bei seinen Adoptiveltern wohl. © privat
Janine und Ronny Wendschuh im Gespräch mit Moderator Peter Escher. Der Verbraucherexperte sagte sofort seine Hilfe zu.
Janine und Ronny Wendschuh im Gespräch mit Moderator Peter Escher. Der Verbraucherexperte sagte sofort seine Hilfe zu. © Kristin Richter

Eine Formalität? Für seine Mutter scheint es mehr zu sein. Viel mehr. Ihre Antwort ist für den jungen Mann ein Schlag. „Aufgebracht hat sie mir erklärt, dass ich im Falle einer Heirat dann auch den Namen meiner künftigen Frau annehmen sollte, denn der Familienname Hamm stehe mir ohnehin nicht zu. Ich sei von ihnen adoptiert worden“, erinnert sich Ronny Wendschuh. Das Wort Adoption hallt in dem 40-Jährigen bis heute nach. Jene Frau, die ihm Tee kochte, wenn er mal krank war, ist nicht seine leibliche Mutter. Der Papa, mit dem er hin und wieder Fußball spielte, nicht sein richtiger Vater.

Gedanken, die Ronny Wendschuh – er hat mit der Hochzeit tatsächlich den Namen seiner Frau angenommen – nicht mehr loslassen. Erst recht nicht, seit er und seine Frau Mitglieder der Interessensgemeinschaft gestohlener Kinder der DDR sind. „Wir haben dort so viele Gleichgesinnte getroffen und von so vielen scheinbar unglaublichen Geschichten gehört“, erzählt Ronny Wendschuh. Deshalb habe er sich letztlich auch dazu entschlossen, endlich die fehlenden Kapitel seiner eigenen aufzuarbeiten. Ein schwieriger Weg, auf dem er von einem Profi in Sachen Schicksalsschläge begleitet wird: Moderator Peter Escher – bundesweit als Verbraucherexperte und Retter in der Not tätig – macht sich seit Jahren für die Interessensgemeinschaft stark und wollte auch in diesem Fall gern helfen.

Nachdem eine Spur zunächst nach Großenhain führte, nahm Familie Wendschuh nun Einblick in die beim Standesamt Radebeul eingelagerten Geburtsunterlagen. Immerhin war er im Krankenhaus der Lößnitzstadt am 30. Dezember 1977 als Robert Albrecht zur Welt gekommen. Nach einer halben Stunde hält Ronny Wendschuh dann tatsächlich das erste Puzzleteil in den Händen. 18 Jahre alt sei seine leibliche Mutter gewesen, als er geboren wurde. Wohnhaft in Dresden. Ob sie heute noch lebt, und wenn ja, „das konnte mir keiner sagen“, so Ronny Wendschuh. „Alles, was mir weiterhelfen kann, steht in den Unterlagen der Adoptionsbehörde.“

Besonders schlimm für den Vater von drei Kindern: Er bekommt keine Antworten von jenen, die sie ihm vermutlich geben könnten. Nach dem Telefonat im Büro der Bundeswehrkaserne haben seine Adoptiveltern jeden weiteren Kontakt zu ihrem Ziehsohn abgelehnt. Sie wissen nicht, dass Ronny Wendschuh inzwischen für einen großen Autozulieferer arbeitet, haben keine Ahnung davon, dass ihre älteste Enkeltochter selbst Mutter eines Sohnes geworden ist, und machen sich offenbar keine Vorstellung davon, wie schwer die Vergangenheit auf Ronnys Schultern lastet. „Ich hatte eigentlich eine schöne Kindheit. Meine Eltern, die auch immer meine Eltern bleiben werden, weil sie mich aufgezogen haben, waren immer für mich da“, sagt er leise.

Überraschung am Telefon

Ja, das Verhältnis sei gut gewesen – aber weshalb brechen sie dann plötzlich mit ihm, so, als habe es ihn, ihr einziges Kind, nie gegeben? Und wieso haben die Nachbarn damals in Dresden seinen Vater, der doch als Busfahrer arbeitete, überhaupt als „Stasi-Schwein“ beschimpft? Weshalb waren seine Eltern mal einen ganzen Tag spurlos verschwunden und lagen dann mit schweren Rückenverletzungen im Bett? Mussten sie wirklich so oft umziehen, und war es notwendig, dass er so häufig die Schule wechselte? Ja, und durfte eigentlich jeder Schüler mit sehr guten Noten gleich für mehrere Wochen in die Pionierrepublik „Wilhelm Pieck“ an den Werbellinsee nach Brandenburg reisen? Unzählige Fragen, die Ronny Wendschuh umtreiben, die er aber nicht beantwortet bekommt.

Gemeinsam mit Peter Escher hat er mittlerweile Einsicht in die Akten der Adoptionsbehörde beantragt. Vor wenigen Tagen erhielt er die Auskunft der Bearbeiterinnen: es könne etwas dauern. Doch just in dem Moment, in dem die Sächsische Zeitung und Peter Escher mit Familie Wendschuh die nächsten Schritte der Suche besprechen, klingelt das Telefon. Das Jugendamt Dresden präsentiert einen Zwischen-Stand: Ronny Wendschuh hat eine Halbschwester.

Wer Angaben zur leiblichen Mutter machen kann, der kann sich vertraulich an die Sächsische Zeitung Großenhain ([email protected]) oder Peter Escher (www.moneycheck.de) wenden.