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Erneut stürzt ein Kletterer ab

Ein Mann hat sich am Oderwitzer Spitzberg schwere Verletzungen zugezogen. Zur Ursache besteht eine Vermutung.

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© Matthias Weber

Von Thomas Christmann

An dem Felsen ist er geklettert. Von der Mittelwand des Oderwitzer Spitzberges stürzte ein Mann am Sonnabendnachmittag laut Polizeiangaben aus 15 bis 20 Metern in die Tiefe. Der 39-Jährige hat den Aufprall zwar überlebt, aber erlitt schwere Verletzungen im Bereich der Brust. Mit einem Rettungshubschrauber musste er ins Klinikum Dresden-Friedrichstadt eingeliefert werden. Die Polizei hat nun die Ermittlungen aufgenommen, konnte über die mögliche Ursache des Absturzes und den Gesundheitszustand des Mannes aber gestern noch keine neue Auskunft geben.

Der Eigentümer des Grundstücks und Vorsitzende vom Sportkletterverein Oderwitzer Spitzberg Volker Heinrich ist noch am Abend des Absturzes vor Ort gewesen. Dort berichteten ihm Kletterer vom Unfall, die den Hergang wiederum von Augenzeugen geschildert bekamen. Danach soll der Verunglückte vor dem Absturz rumgealbert haben. Heinrich spricht von einer fehlenden Sensibilität und Demut für die Natur. Die Leute würden aus der Kletterhalle kommen und draußen so weitermachen. Nun geht der Vorsitzende davon aus, dass der Mann gerade beim Herunterlassen gewesen ist und an einem zu kurzen Seil hing. Solche Pannen seien schon öfter mal am Spitzberg passiert, sagt der Vorsitzende. Für die rund 30 Meter hohe Mittelwand wird laut Heinrich ein doppelt so langes Seil benötigt, damit der Kletterer auch wieder sicher auf dem Boden landet. Er vermutet auch, dass der von unten aus Sichernde seinen Blick stets zum Kletternden gerichtet hat. Somit bemerkte dieser nicht, dass das an einem Sicherungsgerät befestigte Seil zu Ende ist. „Das rutscht jedoch dort durch, wenn kein Knoten rein gemacht wird“, erklärt der Vorsitzende.

Einen Schaden an den Sicherheitselementen kann Heinrich hingegen ausschließen. Diese seien alle in Ordnung, sagt er. Jedes Frühjahr werden die rund 1 000 Elemente auf den über 100 Routen am Spitzberg überprüft. Erst vorige Woche hat der Verein mit dem Sächsischen Bergsteigerbund eine zusätzliche Inspektion durchgeführt – ohne Beanstandungen. „Wir haben alles getan, aber das Klettern bleibt nun einmal eine Risikosportart“, erklärt der Vorsitzende.

Drei tödliche Unfälle hat er nun schon am Spitzberg verzeichnen müssen, der jüngste passierte am Ostermontag vorigen Jahres. Damals sind zwei Kletterer durch eine herausgebrochene Gesteinsplatte abgestürzt, ebenfalls an der Mittelwand. Ein Kameramann des MDR filmte die Situation zufällig, bei der ein 36-Jähriger ums Leben und eine 41-Jährige mit lebensbedrohlichen Verletzungen ins Krankenhaus kam. Damals nutzten die Kletterer einen Umlenkhaken als Standplatz. Eigentlich wird dort nur das Seil eingehängt und der Partner sichert den Kletternden vom Boden aus. In dem Fall hingen beide mit ihrem vollen Körpergewicht daran, stützten sich mit den Beinen vom Felsen ab. Die Staatsanwaltschaft ermittelte wegen des unnatürlichen Todes, konnte aber ein Fremdverschulden ausschließen.

Heinrich ist bewusst, dass sich Unfälle nicht ausschließen lassen. Trotzdem hing er nach dem tödlichen Absturz voriges Jahr ein Schild an die Mittelwand. „Bedenke, draußen ist es anders“, steht darauf geschrieben. Und weil das nicht zu reichen scheint, will der Vorsitzende im Sommer noch eine weitere Warntafel aufstellen. Darauf soll auf das Tragen eines Helmes hingewiesen werden. Durchsetzen könne er das nicht, so Heinrich. Aber nach seiner Erfahrung trägt gerade einmal ein Drittel aller Kletterer am Spitzberg einen solchen Schutz. „Das ist eine Katastrophe“, sagt der Vorsitzende. Beim Rad- und Skifahren soll sich der Helm längst durchgesetzt haben. Damit hätten auch Kletterer eine große Chance zu überleben, sagt er.