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Ernte mit bitterem Beigeschmack

Polnisches Obst und Gemüse ist seit dem Mindestlohn noch billiger. Die Gartenbauer fordern deshalb Hilfe aus Dresden.

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Von Anja Beutler

Der Kopf ist makellos: Friedbert Dienel schüttelt den Salat ein bisschen: „Eichlaub grün heißt er – und beim Vitamin C kann er es mit einer Zitrone aufnehmen“, rühmt der Rennersdorfer Gartenbauer. Womit es seine Salate, die Erdbeeren oder auch der Blumenkohl nicht aufnehmen können, sind die Preise der polnischen Konkurrenz. Denn die sind seit Einführung des Mindestlohngesetzes für Gartenbauer wie Dienel unerreichbar geworden.

Genau um dieses Thema ging es vor Kurzem bei einem Termin, den Dienel und einige Kollegen unter anderem mit dem Sächsischen Landwirtschaftsminister hatten. „Wenn ich meine Felder nahe Dresden oder Leipzig hätte, hätte ich bei gleichen Kosten wesentlich mehr Ertrag“, sagt Dienel. Hier aber werde er von ausländischen Händlern ausgebootet, die zum Teil für die Hälfte seines Preises verkaufen können. „Wissen Sie, wie das ist, wenn auf dem Markt neben Ihnen ein polnischer Händler steht, der in zwei Stunden 75 Körbe Erdbeeren verkauft und Sie nicht einen, weil Sie das Doppelte verlangen müssen, um die Kosten zu decken?“, fragt er.

Die Folgen spürt er aber nicht nur beim Absatz am Marktstand – wie derzeit bei den Erdbeeren. Denn auch zum Selbstpflücken kommen weniger Leute aufs Feld: „Mir hat jetzt ein Kunde gesagt, er mache seinen Buckel doch nicht krumm, wenn er beim Polen den Korb für zwei Euro kaufen kann“, sagt Dienel und blickt übers Feld. Zwei junge Frauen und ein kleines Mädchen füllen gerade ihre Körbe: Sirup, Marmelade, Erdbeerkuchen und einen Rumtopf wollen sie machen. „Die schmecken einfach besser – und wir wissen, wo sie wachsen und woher sie kommen“, erklären die Pflückerinnen Nicole Ullrich und Doreen Graf.

Friedbert Dienel hört das gern – aber viel zu selten. Dass der Freistaat die Sorgen der Gartenbauer ernst nimmt, zweifeln er und seine Kollegen an. Desillusionierend sei der Termin bei Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) gewesen, sagt die Inhaberin von Gartenbau Thiele Blumen in Großschönau, Kathrin Schmidt. Sie war dabei, als Friedbert Dienel die Probleme geschildert hat. Dabei habe er vorgerechnet, dass er pro Tag 800 bis 900 Euro im Verkauf erlösen müsste, wenn alles aufgehen soll. „Oft schaffe ich nur ein Drittel“, sagt er. Und seine Kollegin sagt: „Ich denke, die wollen das aussitzen.“

Das Landwirtschaftsministerium weist das freilich zurück: Dass die unterschiedlichen Lohnverhältnisse und der Mindestlohn „die Betriebe im grenznahen Raum zweifelsohne vor besonders große Herausforderungen“ stellt, betont Ministeriumssprecher Falk Hofer ausdrücklich. Allerdings glaube man nicht, dass allein aus diesem Grund die Existenz von Firmen in Gefahr sei. Vielmehr ist das Ministerium überzeugt, dass die betroffenen Unternehmen ihre Betriebe modernisieren, sich beim Anbau spezialisieren oder stärkere Kooperationen untereinander eingehen sollten, um wettbewerbsfähig zu sein.

Das sehen die hiesigen Gartenbauer anders – es gehe ihnen um Chancengleichheit: „In Polen kriegen die Erntehelfer vielleicht zwei Euro die Stunde, da können sie andere Preise machen“, sagt Klaus Möse, der in Eichgraben bei Zittau seine Früchte erntet. Außerdem fühlen sich die deutschen Produzenten durch Vorschriften drangsaliert. „Wir müssen Herkunftsnachweise führen, das Wasser unserer Anlagen wird kontrolliert, für den Großhandel werden die Früchte auf Rückstände von Pflanzenschutzmitteln getestet“, zählt Möse auf.

Die polnischen Stände auf den Märkten hätten hingegen meist nicht einmal ein Firmenschild, geschweige denn den Herkunftsnachweis parat, obwohl auch sie bei Kontrollen dergleichen beweisen müssen. Eine solche Herkunftskontrolle haben Dienels erst jüngst auf dem Ostritzer Wochenmarkt erlebt: „Das erste Mal seit Jahren haben wir auf einem Markt einen solchen Kontrolleur gesehen“, sagt er. Den polnischen Händler habe man nach einem Gespräch wieder in Ruhe gelassen. Auf die Frage einer Kundin, woher seine Erdbeeren denn nun stammten, habe der Pole gesagt, dass er sie nicht verstehe. Mit solchen Erlebnissen wächst bei den deutschen Produzenten das Gefühl, es werde mit zweierlei Maß gemessen. – Das sei nicht so, heißt es aus Dresden. Die verschiedenen EU-Normen müssten alle Händler einhalten. Und: Ein polnischer Marktverkäufer muss in Deutschland ebenso Mindestlohn erhalten, wenn er angestellt ist, betont eine Sprecherin des Wirtschafts- und Arbeitsministeriums. Ob die verschiedenen Vorschriften in den Herkunftsländern tatsächlich kontrolliert und durchgesetzt werden, bleibt freilich offen. Kritisch sehen Dienel und seine Kollegen vor allem die seltenen Kontrollen. In der Tat fehlt es hier offenbar an Personal. So will der Bund beim Zoll 1 600 Stellen deutschlandweit aufstocken, um den Mindestlohn besser zu kontrollieren.

Dienel setzt darauf keine Hoffnung. Er glaubt eher an lokale Lösungen: „In Neugersdorf werden auf dem Markt nur einheimische Produzenten zugelassen.“ Warum nicht auch anderswo? Doch so einfach ist das nicht: „Dass bei uns keine polnischen Händler stehen, liegt daran, dass keine kommen“, sagt Bernd Noack, Beigeordneter in der Oberlandstadt. Direkt festgelegt habe man das nicht. Das haben auch die Herrnhuter nicht – auch wenn sie bereits darüber nachgedacht haben. „Ich bezweifle, dass so ein Ausschluss juristisch sauber wäre“, betont Herrnhuts Bürgermeister Willem Riecke. Die Nöte der Gartenbauer sieht er dabei sehr wohl. „Man könnte diskutieren, ob man die Standplätze fest und dauerhaft vergibt.“ Dass dies im Sinne der Händler sei, glaubt er aber nicht.