Von Stefan Becker
Dresden. Der Polizeichef packt mit an und hilft den Helfern aus Dresden. Noch vor wenigen Monaten kannte kaum ein Mensch seine kleine griechische Stadt an der Grenze zu Mazedonien. Bisher bedeutete der Bahnhof nur für Einheimische im Zug die Endstation. Doch seit die Grenze dicht ist und nur noch selektiv Flüchtlinge den Stacheldraht passieren dürfen, gilt Idomeni als Endstation Hoffnung für die Vielen aus den verschiedensten Ländern.
Das Elendscamp von Idomeni
Um deren Not etwas zu lindern, machte sich vergangenen Montag wieder ein Treck aus Dresden auf den Weg. Die zweite Tour des Dresden-Balkan-Konvois führte bewusst nach Griechenland, dem momentanen Brennpunkt des europäischen Grenzdramas. „Mit dem ersten Konvoi haben wir Flüchtlinge in Serbien versorgt, doch wenn die Situation in Griechenland so bleibt, werden wir wohl wieder dorthin fahren“, sagt Axel Steier. Der Kaufmann gehört mit zu den Initiatoren der ersten Stunde und fuhr vor einem Monat mit seinem Gespann selbst runter nach Serbien. Was als fixe Idee in der Neustadt von Dresden begann, mit einem spontanen Aufruf, Bergen von Spenden und einer wackeren Crew, die aufbrach zur Fahrt ins Ungewisse, etabliert sich von Tag zu Tag mehr als flexible wie effektive Initiative.
So erhöhte sich die Ladekapazität für die Fahrt nach Idomeni um etliche Kubikmeter und auch ein mit 100 Gigabyte gesponsortes Datenvolumen ging auf die Reise in den Süden. Doch wer installiert im griechisch-mazedonischen Niemandsland ein stabiles Wlan-Netz für Tausende von gestrandeten Smartphone-Besitzern?
„Ein Mitglied vom Chaos Computer Club bot sich an, für die Technik runterzufahren und als sein Auto streikte, nahm er den Flieger“, erzählt Steier, der als Vater im Erziehungsurlaub neben Brei-Gläschen und Windel-Bergen die Kontakte knüpft und weiter koordiniert. Vor Ort fotografiert Thomas Kluttig das Geschehen, während er mit anderen Tee und Suppe für die frierenden wie hungernden Menschen kocht und gezielt Kleidung an Bedürftige verteilt.
Syrer, Iraker und Afghanen dürfen die Grenze passieren, alle anderen hängen fest, schildert er die Situation. Die Verzweifelten schlafen oft unter freiem Himmel und kämpfen fast um jeden Krümel, denn niemand weiß, wie lange das Martyrium der Menschen aus Pakistan, Iran oder Eritrea noch dauert. Denn auch das Flüchtlingshilfswerk der UN oder die Ärzte ohne Grenzen erhalten von offiziellen Stellen keine Infos zur Lage, so Kluttig.
Entsprechend angespannt sei die Stimmung unter den Verlierern der Flüchtlinge, sagt der Kulturmanager am Telefon: Relativ entspannt während der wenigen warmen Sonnenstunden, doch zunehmend aggressiv mit Einbruch der kalten Dunkelheit. Zelte, Decken und Schlafsäcke seien alle verteilt und Nachschub dringend nötig, sagt der Chronist des Elends, der am Wochenende zurückkehrt nach Dresden.
Beide tanken Energie, sein Transporter in Form von Diesel, denn am 15. Dezember soll der dritte Konvoi starten und am 30. bereits der vierte. „Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft der Menschen, Firmen räumen ihre Lager mit Mützen und Schals oder schicken warme Stoffe, deren Farben wohl nicht mehr trendy sind, die aber trotzdem wunderbar wärmen“, sagt Steier, der die nächsten Touren plant.
Über 7 000 Euro haben Spender bisher gegeben und für jeden Cent könne vor Ort Essen für die Bedürftigen gekauft werden. Die Versorgung der 5 000 Flüchtlinge an der Grenze sei mehr als grenzwertig, da viele Griechen selbst große Not leiden. So unterstützt der Dresden-Balkan-Konvoi die lokale Wirtschaft und die Einheimischen helfen den Helfern – bis zum Polizeichef. Eine Notgemeinschaft im Angesicht des Elends.
Spendenkonto beim Kulturbüro Dresden
IBAN: DE54 8502 0500 0003 6007 04,
BIC: BFSWDE33DRE,
Verwendungszweck: Spende Dresden-Balkan-Konvoi 2015