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Es begann mit einem Raubüberfall

Der Gebirgsverein für die Sächsische Schweiz legt eine umfangreiche Ortschronik für Gohrisch vor. Eine Fleißarbeit.

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© Katja Frohberg

Von Peter Salzmann

Gohrisch. „Wer das Buch aufschlägt, legt es gar nicht mehr aus der Hand.“ Bürgermeister Heiko Eggert ist sichtlich gerührt. Was Helmut Cedra und weitere sieben Heimatfreunde für das Heft geleistet haben, verdiene Respekt. „Eine fantastische Arbeit mit viel Fleiß und Hingabe.“

Die neue Chronik von Gohrisch taucht als lokales Gewissen tief in die Ortsgeschichte ein – auf über 300 Seiten mit nahezu 360 Fotos, Faksimiles, Skizzen und Grafiken. Herausgegeben hat das Buch der Gebirgsverein für die Sächsische Schweiz „Heimatfreunde“. Damit ist die Historie der Gemeinde vom Staub des Vergessens befreit. „Niemals vorher hat es eine Gohrischer Chronik gegeben“, betont Walter Großer, einer der Autoren. Dem Team unter Leitung von Helmut Cedra, der für Gesamtbearbeitung, Satz, Lektorat und wesentliche Texte verantwortlich zeichnet, ist es gelungen, eine Dokumentation mit wissenschaftlichem Anspruch zu erarbeiten.

Die Autoren haben das Buch dem Gohrischer Ehrenbürger René Prokoph gewidmet, der 2014 tödlich verunglückt war. Prokoph hatte sich in nahezu 25 Jahren auch als langjähriger Vorsitzender des Heimatvereins große Verdienste um Gemeinde und Umland erworben. Er war es auch, der die Initialzündung für die Erarbeitung der Chronik ausgelöst hatte.

Die eigentliche Arbeit für das Buch begann bereits 2010, als das Gohrischer Urgestein Hans Kotte Recherchen zur Ortsgeschichte aufnahm. Besonders viele historische Fakten steuerte Vereinsgründer Achim Herold bei, ihm stand die private Sammlung seines Vaters Albert zur Verfügung. Und Klaus Schneider hat die geologische und topographische Bedeutung des Gohrischsteins erforscht.

Die erste urkundliche Erwähnung des Dorfes Gohrisch ist auf 1437/38 datiert. Der bewusste Passus in der Urkunde hat keinen schönen Anlass, er bezieht sich auf einen Raubüberfall. Denn trotz eines 1436 durch den Kaiser vermittelten Friedensvertrages zwischen dem sächsischen Kurfürsten und den Wartenbergern von Tetschen und Blankenstein kam es in den beiden folgenden Jahren zu schweren Übergriffen auf Dörfer im sächsisch-böhmischen Grenzgebiet, bei denen sich Siegmund von Wartenberg besonders hervortat. Auch Gohrisch wurde geplündert. „Dennoch liß er nemen in dem dorffe Gorusch, allis in dem Friede; da wart ein drabante erschossin, genant Schülling“, heißt es in der Urkunde.

Gohrisch existierte über Jahrhunderte als kleines Bauerndorf. Anno 1815 gab es nur 20 Wohnhäuser mit 93 Einwohnern. Erst die Entdeckung der Sächsischen Schweiz für den Tourismus änderte dies. Dass Adelbert Hauffe anno 1869 die ersten Sommergäste nach Gohrisch vermittelte, sollte für den Ort ein Glücksfall werden. Gaststätten und Pensionen, Villen, Wochenendhäuser und Kurhäuser entstanden und halfen der bis in unsere Tage bekannten Sommerfrische auf die Beine.

Die DDR-Zeit ist geprägt von Aufbruch und Enttäuschung gleichermaßen. Der Bau des Gästehauses des Ministerrats rief Unmut hervor, weitere Bauvorhaben mussten daraufhin gestoppt werden. Doch der Feriendienst boomte. 14 Betriebe und Einrichtungen unterhielten in Gohrisch Betriebsferienunterkünfte. Heute kann man immer noch gut Ferien machen im Kurort Gohrisch, aber auch Kultur genießen. Die Internationalen Schostakowitsch-Tage haben sich fest in Gohrisch etabliert, sie fanden 2015 zum 6.Mal statt. Gohrisch hat sich damit auch zum anerkannten Festspielort gemausert.