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„Es ist kein Spaß, Menschen Angst einzujagen“

Die Karnevalssaison beginnt. Kommen die Gruselclowns zurück? Was ein echter Clown ihnen zu sagen hat.

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© Robert Michalk

Von Susanne Sodan

Görlitz. Weißes Gesicht, lachender Mund, rote Nase – so gehört sich das für Clown Ferdi. Seit etwa sechs Jahren sorgt er mit Gitarre, Zaubertricks und zu großen Schuhen für Lacher. Hinter der Maske verbirgt sich der Zittauer Daniel Weickelt, Erzieher und Clown, ein echter. In den vergangenen Wochen sorgte allerdings eine andere Sorte Clown für Schlagzeilen: Horrorclowns. Kostümiert und mit gruseligen Masken erschrecken sie Passanten, verbreiten Angst statt Freude. In einigen Fällen wurden die Opfer sogar verfolgt oder gar angegriffen. In Bautzen soll Ende Oktober ein als Clown verkleideter Mann mit einer Axt aus einem Gebüsch gesprungen sein und einen 28-Jährigen verfolgt haben. In Görlitz war ein Mann mit Clownshut, Maske und Heckenschere in der Stadt unterwegs. Was der echte Clown Daniel Weickelt seinen gruseligen Pendants zu sagen hat:

Ende Oktober war ein 58-Jähriger mit Clownsverkleidung, Maske und Heckenschere durch Görlitz gezogen. Schließlich stellte die Polizei den Mann. Foto: Matthias Wehnert
Ende Oktober war ein 58-Jähriger mit Clownsverkleidung, Maske und Heckenschere durch Görlitz gezogen. Schließlich stellte die Polizei den Mann. Foto: Matthias Wehnert © Matthias Wehnert
Daniel Weickelt (44) arbeitet als pädagogische Fachkraft in Görlitz. Nebenberuflich tritt er seit 2013 als Clown und Zauberer auf.
Daniel Weickelt (44) arbeitet als pädagogische Fachkraft in Görlitz. Nebenberuflich tritt er seit 2013 als Clown und Zauberer auf. © Picasa

Herr Weickert, sind Sie bei Ihren jüngsten Auftritten auf das Phänomen der Horrorclowns angesprochen worden?

Nein, bei den Auftritten nicht. Meine Tochter hat mich allerdings gefragt, was das denn soll und was das für Leute sind. Sie ist in der zweiten Klasse und in der Schule sind die Horrorclowns gerade großes Thema. Sie hat dann wohl zu ihren Mitschülern gesagt: „Mein Vater ist auch Clown, aber der ist ganz lieb. Der macht so etwas nicht.“

Wie haben Sie es ihr erklärt?

Sie war schön öfter bei meinen Auftritten mit dabei und weiß, was ich mache: Ich schlüpfe in eine Rolle und will den Menschen Freude bringen. Ich habe versucht ihr zu erklären: Auch Menschen, die sich als Horrorclown maskieren, schlüpfen in eine Rolle. Sie haben aber das Bedürfnis, Menschen zu erschrecken, zu verängstigen. Warum, kann ich mir selbst nicht erklären. Ich könnte mir vorstellen, dass Horrorclowns in dieser Rolle Macht empfinden über andere Menschen und sich dadurch vielleicht das Selbstbewusstsein stärken.

Die Karnevalsaison geht wieder los. Haben Sie Angst, dass Sie wegen der Horrorclowns weniger gebucht werden?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir Clowns mit den Horrorclowns jetzt in eine Schublade gesteckt werden. Da vertraue ich auf den gesunden Menschenverstand. Man sieht ja deutlich den Unterschied in der Maskierung. Wir tragen keine blutverschmierten Masken. Ich bin auch nur selten auf den Straßen zu sehen, sondern werde nur zu bestimmten Anlässen gebucht. Und meine Kunden sollen selber entscheiden, ob ein Clown für ihre Veranstaltung angemessen ist.

Sie selber sind häufig ganz typisch mit weißem Gesicht und großem roten Mund geschminkt. Manche Clowns sollen mittlerweile auf die weiße Farbe verzichten, um jede Assoziation zu den Gruselclowns zu vermeiden. Kommt das für Sie auch infrage?

Auf keinen Fall. Manche Clowns können das gerne machen. Clown Ferdi sieht weiterhin so aus, denn den Kindern gefällt er. Ich will mich von den Horrorclowns nicht ins Boxhorn jagen lassen.

Wenn Sie einem Horrorclown begegnen würden, wie würden Sie reagieren?

Ich habe von einer Reaktion gelesen, die ich ziemlich gut fand. Ein Horrorclown in Rheinland-Pfalz wollte eine Dame erschrecken. Sie hatte wohl einen kleinen Hund dabei, ein Dackel oder so. Der hat den Mann sofort ins Bein gebissen. Als ich das gelesen habe, musste ich sehr lachen. Aber ich weiß nicht, wie ich selber reagieren würde. Das ist ja das Gefährliche daran. Wenn man erschreckt wird, ergreift man die Flucht oder erstarrt oder geht zur Gegenwehr über. Solche Fälle hat ja schon gegeben, dass Horrorclowns von ihren Opfern verletzt wurden. Ich weiß nicht, ob den Gruselclowns bewusst ist, dass die Leute so reagieren können. Ich weiß auch nicht, ob ihnen klar ist, was sie damit anrichten können. Mir fehlt völlig das Verständnis, warum es Menschen Spaß macht, anderen Angst einzujagen. Ich würde gerne wissen, was in diesen Köpfen vorgeht.

Was sollte ein richtiger Clown denn können, damit er witzig und nicht gruselig ist?

Sobald ich die rote Nase aufsetze, muss ich abschalten. Ich lasse mich im Grunde darauf ein, die Welt ganz naiv zu betrachten. Und dann erkunde ich meine Umgebung. Was sind das für Dinge um mich her, was kann ich damit machen? Und beim Probieren scheitert der Clown. Kinder lieben den Clown deshalb, weil er nicht perfekt ist und auch nicht alles kann. Das Schönste ist dann, wenn die Kinder lachen. Ich habe immer Lampenfieber vor dem Auftritt. Wie oft bin ich schon aufgetreten? 30-, 40-mal vielleicht? Aber ab dem Zeitpunkt, an dem ich merke, das Publikum geht mit, fällt mir die Anspannung wie ein Stein vom Herzen.

Gibt es ein besonderes Erlebnis?

Mit einem Kollegen war ich vor einigen Jahren auf der Kinderstation im Görlitzer Klinikum als Clown im Einsatz. Auftritte im Krankenhaus sind immer spannend für mich. Wir wissen nicht, was uns hinter den Türen erwartet. Deshalb machen wir sie ganz vorsichtig auf und schauen erst mal, ob wir willkommen sind. Hinter einer der Türen lag ein Mädchen mit einer geistigen Behinderung. Wir haben für sie Kinderlieder gesungen. Die Melodien haben das Mädchen dazu gebracht, mitzumachen. Sie hat den Kopf und den Körper zur Musik bewegt. Das war auch ein schöner Moment für die Mutter. Wir haben für eine kleine Weile von der Situation abgelenkt, das Mädchen hatte Freude. Ziel erreicht. Das ist die Aufgabe eines Klinikclowns: die Kinder zum Lachen bringen. Lachen ist ein heilendes Mittel. Lachen setzt Glücksgefühle frei, es unterstützt den Heilungsprozess.

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